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Held
Wer wohl verdächtig ist? Es stand also fest, dass sie noch unter den Schafen waren, diese Kreaturen, Finsterwandler, die sich tags in Schafe und des Nachts in Reißer verwandelten und sie waren auf Rache aus. Die gestrige Hinrichtung, Friedobert hatte sich auch gestern nicht getraut, dieser beizuwohnen, schließlich fand sie am Zaun statt. Nicht, dass noch ein Funke übersprang und ihn erwischte, schon allein bei dem Gedanken wurde Friedobert ganz mulmig zu Mute. Genauso wie das, stellte sich aber früher, oder später ein neues Problem, denn wenn sie weiterhin dem Zaun Schafe opferten, musste er irgendwann so beschädigt sein, dass die Elektrizität von alleine wich. Vielleicht war das ja das höhere Ziel des Rituals. Also, wenn der Zaun endlich befriedigt war, zumindest klang dieser Gedanke für Friedobert mehr als einleuchtend.
Was war dieser Zaun überhaupt? Als er sich näher mit dem Gedanken befasste, musste Friedobert feststellen, dass es nicht der selbe sein konnte, den er seinerzeits kennengelernt hatte. Der hier war anders, er hatte so einen seltsamen Geruch, ein Geruch, der schon vor dem ersten Zaunopfer von diesem Zaun ausging. Er war anders als der, der von dem anderen ausging. Es war schwierig zu beschreiben...Friedobert konnte einfach nicht das passende Wort finden. Der Zaun, der ihn fast getötet hatte, hatte irgendwie den Geruch von frieschem Gras gehabt, das hatte sich mit seinem Erlebnis praktisch in Friedobert eingebrannt, aber dieser hier? Vielleicht lag es ja an der Spannung, oder an der Umgebung, aber dieser hier hatte einen eigenartigen Geruch, der viel mehr künstlich war. Technisch gesehen konnte es aber nicht sein, beide Zäune bestanden aus Holz, beide waren mit Blitzen bewaffnet, beide waren in einer wäldlichen Umgebung.
Selbst von der Machart schienen sie gleich zu sein, vielleicht war es einfach nur die Atmosphäre. Das musste es sein, auf seiner Heimatheide waren die Schafe stehts und ständig in ihre Arbeiten und Studien beschäftigt, das hat natürlich auch auf die Umgebung seinen Einfluss. Hier wiederum schienen sie es alle gelassen zu sehen, die einzige studientechnische Angelegenheit schien wohl der Kothaufen zu sein, den Friedobert vor ein paar Tagen gesehen hatte. Das und das Klima! Mit jedem Moment wurde es ihm ein wenig klarer, aber trotzdem...irgendetwas fehlte, irgendetwas wichtiges, etwas, was er übersehen hatte und was von entscheidender Bedeutung war. Vielleicht war es doch an der Zeit, sich einmal dem Zaun zu nähern, vielleicht würde die Erkenntnis ihn dann endlich überkommen...auf der anderen Seite...es war der Zaun und er war voller Elektrizität und das wohl schon sehr lange.
Damals, als sie ihn versucht hatten, auf diese Weide zu bringen...Friedobert war panisch gewesen und ließ sich nicht auf normalen Wege auf die Weide schaffen. Als Konsequenz davon haben sie ihn mit einem Helikopter über der Heide abgeworfen. Der Fallschirm ist aber zu früh losgegangen, weshalb er beinahe im Zaun gelandet wäre. Damals war dieser ebenfalls voller Elektrizität gewesen. Das wäre dann schon das zweite mal gewesen, dass er beinahe sein Leben verloren hätte. Warum war Friedobert überhaupt hier? Er versuchte sich zu erinnern.
Es gab eine Regel auf seiner Heimatweide: Jedes Schaf wird einmal in seinem Leben auf eine andere Weide geschickt, um dort etwas über andere Schafskulturen zu erfahren. Friedobert wollte unbedingt ebenfalls auf eine andere Weide, aber er erhielt immer nur ein und die selbe Antwort: es ist zu früh.
Irgendwann erreichte eine Nachricht die Oberhäupter seiner Heimatweide, eine Nachricht, dass der Schäfer mit dem Schäfer einer gewissen Düsterheide in Kontakt stand und dass eine Art freundschaftlicher Schafstausch stattfinden sollte. Allerdings stand noch nicht fest, welches Schaf das glückliche war, welches auf die andere Weide sollte. Was natürlich keiner wusste: dieser Tausch war dauerhaft und nicht wie sonst üblich, nur für eine bestimmte Zeit (es ging damals immer das Gerücht um, die Schafe werden nur deshalb für eine gewisse Zeit weggeschickt, damit sie dort fett werden, zumindest fand der Austausch immer in der Zeit vor Ostern statt und seltsamerweise verschanden einige Schafe kurz nachdem sie wieder in der Heimat ankamen, einfach spurlos über Nacht).
Friedobert war begeistert von der Neuigkeit und machte sich zugleich auf, den ältesten davon zu erzählen, vielleicht konnte er sie ja endlich davon überzeugen, selbst einmal auf eine andere Heide zu dürfen. Die Ältesten waren alles andere als erfreut, schließlich ging es ja um Friedobert, der, der schon Angst bekam, wenn sich ein Gewitter auf einer Entfernung von 5 km näherte, wie sollte er überhaupt am Zaun vorbeikommen? Mal davon abgesehen: dieser Austausch schien etwas besonderes zu sein, auch wenn kein Schaf wusste, dass es so war. Dennoch wollten sie lieber ihr bestes Schaf schicken und das war Friedobert nun einmal nicht.
Der Tag kam, an dem eine merkwürdige Box, von ein paar Menschen getragen, auf der Weide landete. Stolz wanderte das Prämienschaf, das war das Schaf auf der Heide, das von allen bewundert wurde, in Richtung einer Öffnung der Box, als plötzlich ein komisches Klingeln von irgendeinem komischen Gerät kam. Kurz darauf verschwanden die Menschen einen Moment und genau in diesem Augenblick gab es ein Donnern. Für den Tag war Gewitter angesagt und Friedobert voller Angst rannte wie immer panisch durch die Heide, auf der Suche nach Schutz. Da bot sie eine offene Box natürlich an. Noch bevor das Prämienschaf reagieren konnte, stürmten die Menschen wieder auf die Heide, schlossen die Box, sie waren überzeugt, dass das Schaf darin das ausgewählte war und stürmten damit zu ihrem Fahrzeug.
Bevor irgendjemand etwas bemerken konnte, waren sie schon auf dem Weg zur Düsterheide: zuerst über Land, dann mit dem Helikopter über Wasser und zuletzt auf die Düsterheide. Die Boten waren auf jeden Fall Idioten, denn als Friedobert sich weigerte, den Zaun zu passieren, sie waren dumm genug, ihn vorher freizulassen, schnappten sie ihn, stiegen in den Helikopter und warfen ihn einfach mit einem Fallschirm ab.
Was es nun mit dem Zaun auf sich hatte...wer weiß, aber im Moment gab es wichtigeres, wie diese Wale.
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