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Provinzheld
Seit den frühen Morgenstunden lag Nivicola nun schon vor dem Holunder und fraß Schafsgarbe. Nachdem, was gestern alles vorgefallen war, hatte sie sich heute einfach nicht mehr in der Lage gesehen, am gesellschaftlichen Miteinander teilzuhaben. Wobei es in diesen Tagen sowieso mehr ein Gegeneinander denn ein Miteinander war. Nun hatten Sie bereits das zweite unschuldige Schaf dem Zaun übergeben. Wie sollte das nur weitergehen? Was es nicht Sinn und Zweck der Abstimmung, den Wolf zu erwischen, damit dieser keine Schäfchen mehr töten kann? Stattdessen vernichten wir uns mit diesem irrationalen Verhalten doch nur selbst!
Im Laufe des Tages hatte Nivicola viel gefressen, aber auch viel nachgedacht, z. B. darüber, was ihre eigene Wahl beeinflusst hatte. Am dem Tag, als Napoleon tot aufgefunden worden war, hatte sie ihr Vertrauen in Frau Määhras Scha(r)fsinnigkeit gesteckt und deshalb dasselbe gewählt. Am zweiten Tag wollte sie einen Freund mit ihrer Wahl schützen. Nicht Abscheu oder Missgunst, sondern Vertrauen und Freundschaft hatten ihre Wahl bestimmt. Und da wurde ihr klar, dass die Gemeinschaft der Schafe mit ihrem Leithammel Böckling seit Napoleons Tod ihre Aufmerksamkeit viel mehr auf das Zerstören richteten, als auf das Beschützen. Sie wollte etwas dagegen tun, aber wie? Wie konnte sie diejenigen schützen, die ihr am Herzen lagen? Plötzlich erinnerte sie sich an Wolke, den sie bereits seit Längerem nicht mehr gesehen hatte. Sie zog in Erwägung, dass auch er ein Opfer des Reißers geworden war. Ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Sie fraß schnell ein paar Holunderbeeren vom Boden, doch es wurde nicht besser. "Was soll ich nur tun? Was kann ich tun?"
Geändert von Narrenwelt (01.05.2011 um 08:49 Uhr)
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