Glöckchen hatte sich nicht weit von ihrem Schlafplatz entfernt, um ein paar Gräser zu fressen. Sie war so hungrig, dass sie nicht wählerisch war.
Nach und nach hatten die anderen um sie herum ihre Liegestätte verlassen, aber erst als ein fürchterliches Alarmgeblöke von irgendjemandem losging, fiel ihr auf, dass sich wieder einmal alle an einem Punkt versammelt hatten. "Jeden Tag dasselbe..." ,sagte sie leise zu sich, denn sie dachte, es wäre eine der üblichen Schafsversammlungen, so ähnlich wie am Vortag. Diesmal schien es jedoch ein ziemlich lauter Tumult zu sein, und als die Worte "Wolf! Mörder! Wolf" fielen, zuckte Glöckchen zusammen. Was ein Wolf war, wusste sie nur aus ein paar Schauermärchen der älteren Schafe, die sie nie geglaubt hatte.
Jetzt aber, da die anderen davon zu reden schienen, und sichtlich aufgeregt waren, überlief Glöckchen ein kalter Schauer. Sie spähte kurz zu Goliath, aber sie konnte nicht erkennen, ob er noch schlief (eher unwahrscheinlich, bei dem lauten Gebrüll der anderen). Sie ging ein paar Schritte näher zu ihm, denn in seiner Nähe fühlte sie sich recht sicher, und fraß weiter ein paar Gräser. Der Appetit war ihr eigentlich vergangen, aber alleine zu den anderen zu gehen, und etwas womöglich Schreckliches zu entdecken, wollte sie bestimmt nicht. Deshalb war es besser, den Magen noch etwas zu füllen, und zu warten, bis ihr Bruder aufgestanden war, um sie vor allen Widrigkeiten zu beschützen.