http://www.youtube.com/watch?v=CxpIwpLEez0
Nicht direkte Inspiration des Textes, aber das Totenstarre-Motiv stammt daraus und macht es sicher ein wenig deutlicher.
1. Ebene: Das Erzählsubjekt im Text (ein "Ich") sieht ein Erzählobjekt (ein "Du") sterben. Die Bindung, die beide zueinander haben, ist für das Ich so, als ob es das Du auf dem Rücken tragen würde. Das Du liegt dem Ich tatsächlich auf dem Rücken, alles was es aber noch wahrnehmbar von sich gibt ist der Atem, der nach undundund riecht, während nach und nach ein Zustand der Starre einsetzt, den das Ich als Festklammern, Festhalten, Angst zu verlieren interpretiert. Nach und nach verliert das Du alle Aspekte, die dem Ich sagen, dass es noch atmet, bis nur noch die Stille des Dus übrig bleibt.
2. Ebene: Das Erzählsubjekt hat noch Erinnerungen an ein bereits gestorbenes Erzählobjekt. Diese Erinnerungen und die damit einhergehende Bindung, die beide zueinander hatten, ist für das Ich so, als ob es das Du auf dem Rücken tragen würde. Die Unabwendbarkeit der Erinnerunge werden für das Ich zu einem Starrezustand uminterpretiert, es bekommt das Du nicht los, will gleichzeitig die Erinnerungen ohnehin nicht aufgeben. Erinnerungen an bestimmte Aspekte verblassen, einige bleiben vorhanden, so oder so wird sich das Ich gewahr, dass es nur das ist, Erinnerungen, die von irgendwas evoziert werden. Schnee, Salz, Gewitter. Und das geht nicht nur eine Weile so, sondern Monat um Monat um Monat. Die Erinnerung ist unabwendbar. Gleichzeitig ist es nur das, eine Erinnerung, nichts Echtes.
Die Ebenen überlagern sich gegenseitig und sich nicht wirklich voneinander zu trennen. Im ersten Teil des Textes ist das Du weder bereits tot, noch ist es immer noch lebendig, im zweiten Teil ist es weder schon besonders lange gestorben, noch gerade eben erst. Das Erzählsubjekt weiß es vielleicht nicht einmal selbst ganz so genau, das davon nun Echt ist, was passiert und was passiert war. Es kommt im Laufe des Textes nur zu der Einsicht, dass das, was vorher im Du steckte, letztendlich verhaucht ist und, was an Erinnerungspotenzial noch existiert, in anderen Gewalten liegt. (Der Geruch von Schnee ist nicht das Du, sondern der Winter; der Geruch von Salz ist nicht das Du, sondern das Weinen des Ichs; der Geruch von Gewitter ist nicht das Du, sondern das Gewitter.)
Außerdem hat die Erinnerung an das Du eine Zeitebene, jeder Monat ohne das Du wird für das Ich nämlich genau das, ein Monat ohne das Du; und letztendlich ein Monat näher am Tod. Ein gelebter Monat ist also nicht ein Monat mehr, den das Ich hatte, sondern ein Monat weniger. (Ist wie mit dem Rätsel, wo drei Burschen ein Radio kaufen und zu viel bezahlen, der Sohn des Verkäufers ihnen dann nachläuft, sich aber 2 Euro einbehält und am Ende beim Nachrechnen zu wenig Geld rauskommt, weil ein Rechenschritt falsch gemacht wird.)