Folgende Version ist veraltet (und nur noch zum Vergleich drin), die aktuellste findet sich in Post #6! =)
Vom Monster unter dem Bett
Ein Gedanke auf dem Weg durch die Gänge.
Weiß wie Reinheit, Sonne, Licht, wie Sicherheit - Weiß wie die Heilung. Jede andere Farbe wäre für eine Zwangsjacke zu hoffnungslos, der Träger wäre praktisch abgeschrieben - Und das ginge ja gar nicht - er muss doch geheilt werden! Sie betrachten mich als Tabula Rasa, wie warme Knete in Kinderhänden.
Kinderhände.
Der Pfleger ist so ein Mann. Tagsüber muss er Leute wie mich durch das Etablissement führen, manchmal auch schieben oder tragen, und hin und wieder schleifen. Gemessen am Durchschnitt ist er glücklich, stelle ich mir vor, denn nach seiner Schicht geht er nach Hause zu Frau und Kind, um den Abend mit einem leckeren Essen und ein paar netten Sendungen ausklingen zu lassen. Manchmal kann sein Sprössling nicht schlafen.
„Nein, du Dummerchen“, sagt er und hebt die Bettdecke an, „Guck doch, kein Monster unter dem Bett.“
„Aber Papa, es versteckt sich doch, vor dir und vor dem Licht!“
„Na gut“, grummelt er, „Du kannst deine Nachtlampe anlassen. Aber vergiss nicht, den Schalter zu drücken, wenn du schlafen gehst.“
Das Kind nickt. Aber eigentlich denkt es nicht einmal im Traum daran, das Licht auszumachen. Denn so dumm ist das Kind nicht.
Der Pfleger sitzt vor der Mattscheibe, das Geflimmere spiegelt sich auf seiner Stirn. Ein junges Mädchen wurde vergewaltigt, mal wieder. Pervers. Das es so was wirklich geben kann, in was für einer Welt leben wir eigentlich? Totschlagen sollte man sie alle. Und hoffentlich lässt ihn das Balg jetzt mit diesem Unsinn in Ruhe.
Die Gedanken haben mich beschäftigt, bis ich vor dem Arzt stehe.
„Na, Herr Soundso, wie geht’s uns denn heute?“
„Gut, Herr Doktor, wie immer, alles in Ordnung.“
Er nickt und notiert.
„Sagen sie“, frage ich ihn aus einer fixen Idee heraus, „Haben sie jemals an das Monster unter dem Bett geglaubt?“
Sein Gesichtsausdruck bleibt starr: „Haben wir das nicht alle, bis wir es besser wussten, Herr Soundso?“
„Ich glaube an das Monster. Und an viele andere Sachen.“
„Halluzinationen.“
Ich beiße mir in die Fingerkuppe, um mich zu vergewissern, dass er wirklich gesagt hat, was er gesagt hat.
„Halluzinationen?“, wiederhole ich ungläubig, „Sie als Mediziner wissen doch: Wir sehen, was wir sehen wollen. Es spielt keine Rolle, ob es real ist!“
Er schüttelt genervt den Kopf.
„Als Mediziner kann ich ihnen sagen, dass sie Recht haben, sie sehen diese Monster nur, weil sie mit der Realität unzufrieden sind, und genau so geht es ihnen mit den Frauen. Sie müssen sich ihren Problemen stellen.“
Warum versuche ich es überhaupt, hier in den Hallen der Vernunft, im Tempel der fünf Sinne? Du kannst Zeus doch nicht auf dem Olymp bezwingen!
In diesem Moment - eine Eingebung - verstehe ich, dass ich wirklich krank bin. Habe ich jemals gesehen, wie das Monster etwas unter dem Bett hat verschwinden lassen? Wie ein dicker Mann durch den Kamin gerutscht ist und Geschenke verteilt hat? Wie mich eine junge Frau im Minirock angesprochen hat, einfach so?
Nein. Das Monster hat stets nur gelauert, die Geschenke standen immer unter dem Baum, die Mädchen haben mich ignoriert oder ausgelacht, trotz Minirock!
Aber der Doktor irrt. Meine Krankheit kann man nicht heilen, denn ich habe vergessen, die Augen zu schließen. Er hat es gesagt: Nur, was ich sehen will. Und ich will es sehen. Wenn du im Krieg bist, schließt du dann deine Augen? Nein, das wäre lebensmüde, dumm! Du kämpfst natürlich! Dabei kannst du zwar draufgehen, aber es ist immer noch sicherer, als die Augen zu schließen. Oder: Du vermeidest den Krieg lieber gleich, irgendwo dort, wo er nicht hingehört. In der Anstalt gibt es keinen Platz für Krieg, keinen Platz für Monster, keinen Platz für Schminke und Minirock.
Einen Kamin gibt es auch nicht. Nur Zentralheizung.