Arranges war erleichtert, als sie endlich den Fuß des Passes erreicht hatten. Schon von den Serpentinen aus konnten sie weit ins Land hineinsehen. Eine karge Steppe mit rauem Klima breitete sich zu Füßen der Velothiberge aus. Weiter südlich verschwamm das Graubraun der Steppe langsam aber sicher mit dem satten Grün der Wälder, die sich aus Argonia herandrängten. 'Das brauchen wir auch nicht mehr, ab hier dürfte es noch ein Ritt von vielleicht einem Tag sein... ich würde vorschlagen, dass wir durchreiten. Das Wetter in der Steppe ist sehr wechselhaft und ich habe wirklich nicht das Bedürfnis nochmal in einen Sturm zu geraten, auch wenn die Stürme im Flachland wesentlich erträglicher sind als jene, die um die Gipfel der Berge pfeifen... Wir folgen von hier aus dem Gebirge nach Süden, bis in die Wälder hinein, dann haben wir es geschafft...' Der Kaiserliche versuchte aufmunternd zu klingen.

Sie machten nochmals eine kurze Rast, als sie schlussendlich unten in den Steppen angekommen waren, dann ritten sie mit flottem Tempo weiter. Eine Nacht und einen halben Tag waren sie ohne größere Rast unterwegs, als die Vegetation immer mehr zunahm und sie sich bald in einem lichten, aber durchgängigen Wald, ähnlich dem Großen Forst, wiederfanden. Gegen Abend dann zeichnete sich vor ihnen zwischen den Bäumen ein großer, aber flacher Holzbau ab. Eine ungewöhnlich große Jagdhütte, mit flachem Dach aus dunklen Schindeln. Ein paar wenige Fenster und eine massive Holztür waren in der Hausfront zu sehen. Etwas abseits befand sich ein etwas kleinerer Schuppen. Vor dem Haus standen zwei kräftige Pferde. Sie waren weder aufgezäumt, noch gesattelt, friedlich grasten die Tiere vor dem Gebäude und störten sich nicht an Arranges oder Erynn. Der Kaiserliche stieg vor dem Haus ab. Sie luden das Gepäck ab und nahmen den Pferden Zaumzeug und Sattel ab. Arranges gab Erynn zu verstehen, dass sie die Tiere hier ruhig frei stehen lassen konnten. Sattel und Zaumzeug brachten sie in den Schuppen, dann traten beide, das Gepäck über den Schultern und unter die Arme geklemmt, in die Jagdhütte ein. Innen eröffnete sich ihnen ein großer Raum, der sich durch die gesamte Hütte zog. An der gegenüberliegenden Wand zog sich eine Art Garderobe über die ganze Mauerlänge, unregelmäßig wurde die kniehohe Bank von breiteren, offenen Holzschränken unterbrochen. Der Boden war mit Naturstein ausgelegt. auf der linken Seite führte eine breite Steintreppe zu einer ebenso breiten Tür nach unten in einen Keller. An der Wand rechts stand ein Schreibtisch. Mit dem Rücken zu ihnen gewandt saß dort eine Gestalt, gekleidet in dunkelblau. Das goldene, seidige, schulterlange Haar verriet, dass es sich um eine Frau handeln musste. Der ganze Raum wurde von einem ausladenden, aber schlichten Leuchter an der Decke erhellt. Arranges hatte Erynn noch vor dem Haus zu verstehen gegeben, dass sie ersteinmal nichts sagen sollte, bis sie in seiner Kammer wären.

Die Frau an dem Tisch machte keine Anstalten sich zu erheben. Arranges verschwendete auch keine Zeit darauf, zu warten, bis sie auf die Idee kommen könnte. Er blickte zu Erynn und deutete mit dem Kopf zu der Garderobe. Sie legten ihre Satteltaschen ab. Arranges wäre es eigentlich am liebsten gewesen, wenn er direkt in sein Zimmer verschwinden hätte können, aber sie mussten ihre Ankunft eintragen lassen. Der Nekromant wollte gerade auf sich aufmerksam machen, als die Frau den Federkiel weglegte und mit dem Stuhl vom Tisch wegrutschte. Sie stand auf und kam zu ihnen. Die Kaiserliche war nur wenig kleiner als Arranges. Sie war mindestens so gottgleich schön wie Torrah, nur hatte sie nicht diese beinahe ekelerregende und falsche Unschuld im Blick. Mit ihren tiefbraunen Augen musterte sie Arranges und Erynn freundlich. 'Seid gegrüßt Mentor Arranges Moryn.' Sie beugte leicht das Haupt. Als sie wieder aufsah, warf sie dem Kaiserlichen einen undeutbaren Blick zu, bevor sie sich zu Erynn wandte. 'Seid gegrüßt...'
'Lady Erynn Releth, meine Schülerin.' Fiel ihr Arranges ins Wort. Die Kaiserliche stutzte einen Moment, bewahrte aber ihre Haltung. 'Seid gegrüßt und willkommen Schülerin.'
'Seid mir ebenfalls gegrüßt Vaiolenna... sagt, wer ist denn schon anwesend?'
'Die Gathering hat aufgrund von Ausfällen Verzögerungen hinnehmen müssen. Zwei der Großmeister sind bereits anwesend, wir erwarten die restlichen innerhalb der nächsten zwei Tage. Meisterin Marie und Meister Jacoll sind bereits hier. Meister Jurano wird noch für heute Abend erwartet. Meister A'Ntiala ist kurz vor euch hier angekommen, von den restlichen Meistern wissen wir nicht, wann sie eintreffen werden, die Zusammenkunft findet allerdings wie immer dann statt, wenn die Gathering vollzählig ist.'
'Ah... wenn ihr so nett wärd und mir bescheid geben könntet, sobald Meister Jurano angekommen ist?'
'Selbstverständlich.' Die Kaiserliche beugte vor Arranges wiederholt das Haupt und kehrte dann zu ihrem Schreibtisch zurück. Bevor sie sich setzen konnte, sprach Arranges sie nochmals an: 'Vaiolenna, könntet ihr es einrichten, dass Lady Erynn ein Zimmer bekommt?'
'Nun, ich werde sehen, was ich tun kann Mentor.'
'Seid bedankt...'

Sie nahmen ihr Gepäck wieder auf und Arranges winkte der Dunmer, ihm zu folgen. Er ging die Treppe hinunter und schob die Tür auf. Dahinter befand sich ein Raum, der an eine Vorratskammer erinnerte, viele Regale und die ein oder andere Trophäe. Der Kaiserliche ging auf ein auffällig breites Regal zu und tastete an der Seite kurz entlang, dann zog er das Regal auf wie eine normale Tür. Dahinter erstreckte sich ein weites Höhlensystem. Allerdings erinnerten nur die Wände der Gänge daran, dass es wirklich unterirdische Höhlen waren. Der Boden und die Treppen waren absolut eben und gleichmäßig aus dem Fels gehauen worden. Die Decke und die Wände wirkten wie gemauert. In regelmäßigen Abständen tauchten Fackeln die Gänge in ein warmes Licht. Hin und wieder verdeckten Wandteppiche den Naturstein. Nach wenigen Minuten, die sie durch die Gänge gelaufen waren - hin und wieder waren Holzschilder an den Wänden angebracht, auf denen ein Pfeil und eine Aufschrift wie Küche oder Ratshalle zu erkennen waren - bog Arranges in einen kurzen Gang nach rechts ein. Er schob die unverschlossene Tür auf und trat ein. Der Raum war recht großzügig, an einer Wand stand ein Dppelbett, daneben ein übergroßer Kleiderschrank. Der Tür gegenüber, stand ein großer Schreibtisch an der Wand. Ein ebenfalls sehr großer Teppich verdeckte den Großteil des Steinbodens, von der Decke hing ein vierarmiger Kerzenleuchter und tauchte das Zimmer in ein warmes Licht. 'Ich hoffe, dass Vaiolenna ein Zimmer für euch organisieren kann...' Meinte Arranges, während er sein Gepäck im Schrank verstaute und seine Rüstung ablegte.

Sie hielten sich kaum eine viertel Stunde in dem Zimmer auf, Arranges hatte gerade die Rüstung abgelegt, als es an die Tür klopfte. 'Ja?' Die Tür wurde aufgeschoben und ein milchgesichtiger Bretone streckte den Kopf herein. 'Schreiberin Vaiolenna bedauert es sehr, aber leider konnte sie so kurzfristig kein Zimmer für Lady Erynn bereitstellen.' Der Junge war gerade mitten im Stimmbruch und konnte kaum älter als 16 Jahre sein. Nach einem Augenblick, den Arranges wartete, ob noch etwas kommt, da der Jüngling nichts mehr sagte, sich aber auch nicht verzog, fragte der Kaiserliche etwas genervt, da er schon wieder mit einer sehr komplizierten Nacht rechnete: 'Ja? Sonst noch etwas?!'
'Ja, Schreiberin Vaiolenna hat uns gebeten Lady Erynn vorläufig bei euch einzuquartieren...' Ohne auf eine Antwort zu warten, schob der Junge die Tür ganz auf und Arranges verstand ohne fragen zu müssen, wie das gemeint war. Im Gang hinter dem Bretonen stauten sich einige andere mehr oder weniger gleich alte Schüler der unterschiedlichsten Rassen. Nach wenigen Augenblicken, hatten sie den Raum durch Pergamentstellwände quer zur Tür, nicht ganz in der Mitte getrennt und ein recht bequem wirkendes Feldbett auf der anderen Seite aufgestellt. Als letztes wuchteten zwei Schüler eine kleinere Komode in das Zimmer und stellten sie neben das Feldbett. Im Geiste schlug sich Arranges entnervt mit der flachen Hand an die Stirn. 'Ich hoffe, dass euch das nicht behindern wird. Verzeiht nochmals für diesen unzureichenden Umstand...' Dann verließ der Bretone als Letzter das Zimmer.

'Nun, ich hoffe ihr könnt in einem Feldbett schlafen...' Kurz ließ er den Blick über Erynn wandern. 'Die Stellwände hätten sie sich sparen können... man würde sowieso nicht sehr viel sehen können...' Murmelte er halblaut vor sich hin und rügte sich direkt in Gedanken für diesen Kommentar... Vielleicht hat sie es ja nicht gehört... Arranges blickte zu Boden und war im Begriff sich umzudrehen, er tat, als hätte er nichts gesagt.