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Fossil
Erynn reagierte, indem sie ihre Hand jetzt ein wenig leichter auf dem Schnitt ruhen ließ. Allein das kurze Zucken des Kaiserlichen hatte ausgereicht, die Blutung wieder zu verstärken. Normalerweise wäre die Elfin nicht zu sehr beunruhigt gewesen, eine Kopfwunde blutete nunmal, als hätte man ein Schwein abgestochen. Aber hier schien es gar nicht mehr aufzuhören. Hinzu kam der verdammte Stich. "Was auch immer die Ursache ist, Arranges", sagte sie müde, aber bestimmt, "so, wie es ist, kann es nicht bleiben."
Die Augen des Kaiserlichen wurden größer. 'Was... meinst du, so kann es nicht bleiben?' Er zog die Augenbrauen zusammen und überlegte kurz, bevor sich seine Augen schlussendlich wieder weiteten. 'Oh nein... vergiss es... nein, auf keinen Fall wirst du da irgendwo auch nur daran danken, eine Nadel anzusetzen... nein Erynn!' Er versuchte sich aufzurichten, aber der Blutverlust machte sich schleichend doch noch bemerkbar, sodass er sich nicht einfach hochstemmen konnte, sondern zunächst damit beschäftigt war, die Hände aus den Falten der Decke zu befreien...
Ich hab es ja kommen sehen... "Arranges! Dreh jetzt bloß nicht gleich durch, verdammt noch mal." Mit der Linken hielt sie seine Schulter gepackt, während ihre Rechte fast unbewußt durch das blutverkrustete Haar des Magiers strich. "Ich weiß, daß es schmerzhaft ist. Ich weiß auch, daß du dich fürchtest und warum... Aber seit dem Ende des Kampfes haben die Monde ihren Kreis nunmal schon sehr viel weiter gezogen, ohne daß es nennenswert weniger bluten würde. Dein Exkurs in Sachen Anatomie vorhin hat auch nicht unbedingt dazu beigetragen, daß die Sache sich verbessert. Und jetzt halt still, in Neungötternamen, du machst alles nur noch schlimmer!"
Arranges spürte ihre Hand in seinem Haar. Was zur Hölle... Und auf seiner Schulter und überhaupt. Verdammte Scheisse... Hände weg! Fast schon reflexartig drehte er den Kopf weg und entwand sich damit ihrer Berührung. Seine Hände hatte er mittlerweile frei und stemmte sich gegen ihren Griff hoch in eine sitzende Position. 'Ich weiss nicht, was du abbekommen hast während des Kampfes, aber ein wuchtiger Schlag gegen den Kopf war sicher dabei... Das mit dem Nähen kannst du dir verreiben... vergiss es, eher verblute ich... davon mal abgesehen ist es normal, dass Kopfwunden so arg sabbern...' Er rückte ein wenig von der Elfe weg und verschränkte entschlossen die Arme vor der Brust, während ihm das blanke Entsetzen vermischt mit Ärger, ins Gesicht geschrieben stand.
Die Kriegerin seufzte. Sicher, sie hatte mit ziemlich genau dieser Reaktion gerechnet. Sie wußte auch, daß sie wirklich, wirklich Verständnis dafür aufbringen sollte. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, daß sie sich zum zweiten Mal in dieser Nacht einen soliden Knüppel wünschte, wenngleich diesesmal vielleicht ohne Nägel. "Beruhig dich endlich, bitte!" Beschwichtigend hielt sie ihm die leeren Handflächen hin. "Was willst du denn tun? Verbluten ist übrigens keine Option, so viel kann ich dir versichern."
'Ach... und was willst du dagegen tun?!' Er fixierte sie mit den Augen. 'Wie kommst du überhaupt dazu, mir Optionen zu bieten? Wenn ich sage, dass ich eher verblute, als dass du da mit deinem Dämonenwerkzeug herumstocherst, dann ist das so!' Er musterte die Elfe eindringlich, aber sie gab seinem Blick nicht nach. 'Zwing mich nicht dazu, dich kalt zu stellen, Erynn!' Sagte er drohend, aber mit einem leicht verängstigten Unterton. Er wusste, dass sie nicht nachgeben würde und irgendwann würde er zu müde sein um sich noch gegen ihr Drängen zu wehren und dann... Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Nein, die Wunden sind nichteinmal lebensbedrohlich... kein Nähen, kein gar nichts!
"Ich werde das nicht gegen deinen Willen machen, wenn es sich vermeiden läßt", antwortete Erynn mit einem Seufzer, die leeren Handflächen weiter gut sichtbar vor sich haltend, "aber du wirst auch nicht verbluten, Arranges. Hör auf, solchen Unfug von dir zu geben." Noch einmal musterte sie den Schnitt sehr genau. "Ich kann versuchen die Verletzungen fest zu verbinden, bis wir am Ziel sind. Vielleicht reicht das so lange aus." Hat ja schonmal grandios funktioniert, setzte sie in Gedanken säuerlich hinzu. "Wenn du also partout nicht willst, daß ich mich darum kümmere, sondern du lieber riskierst, daß das heute Mittag diese Metzger tun, die ihr in der Gathering als Heiler bezeichnet... vor meinen Augen vielleicht auch noch... nun, dann werde ich zusehen, daß ich irgendwie ein brauchbares Provisorium hinbekomme..."
Arranges wollte schon selbstzufrieden grinsen, aber die letzten Worte der Dunmer verhagelten ihm dieses Bedürfnis komplett. Für einen kurzen Augenblick wusste er nicht, ob er sich irgendwo verkriechen oder sie einfach anbrüllen sollte. Sie hat Recht... die wenigen Male, die ich von den Gatheringsanitätern zusammengebastelt worden bin, reichen mir eigentlich voll und ganz... aber... sie will... nähen... Schließlich nahm seine Miene etwas von einem steinernen Klotz an, während er die Arme hängen ließ. 'Du... bist dir sicher, dass du das nähen könntest? ... Ich meine, das ist etwas anderes am Kopf, als am Oberschenkel...' Er würde den Schnitt nur zu gerne nähen lassen, aber andererseits auch nicht, es war zum Davonlaufen, was man dem Kaiserlichen auch teilweise deutlich ansah...
Sie blickte ihrem Gegenüber fest in die Augen. Tut mir Leid, Arranges. Aber bevor ich mir so ein Schauspiel gebe, mach ich das lieber selbst. "Ja, ich bin mir sicher, daß ich es kann", antwortete sie ruhig. "Und ich bin mir sicher, daß ich es kann, ohne Gewalt anzuwenden." Erynn nickte zur Bestätigung, machte aber ansonsten keine Anstalten, sich zu bewegen, sondern wartete noch auf eindeutige Zustimmung seitens des Kaiserlichen.
Für einige Minuten sah er sie nur schweigend an. Er wusste, dass Erynn ihm nur helfen wollte, aber die Art, wie sie ihm zu helfen gedachte, war... nicht, was er sich so von Wundheilung erhoffte. Schließlich aber siegte das Vertrauen zu ihr und die Furcht vor den Feldschern der Bruderschaft. Er atmete gequält aus. 'Nun gut,' seine Stimme war alles andere als sicher, 'dann... näh den Schnitt...' Er wollte wohl noch etwas anfügen, schwieg aber dann. Dass sie vorsichtig sein soll, brauchte er mittlerweile wohl wirklich nicht mehr erwähnen, auch wenn er sie trotzdem misstrauisch und ein wenig ängstlich mit den Augen verfolgte, als sie sich erhob.
Erynn sammelte ohne weitere Umschweife die Utensilien zusammen, die sie brauchen würde, während sie im Stillen für ihrer beider Nervenkostüm hoffte, daß sie das ganze Theater für die Stichverletzung nicht noch einmal würden durchgehen müssen. Mit etwas Glück jedoch hätte sich Arranges bis dahin längst für eine Weile aus der Realität verabschiedet, so daß sie in Ruhe arbeiten könnte und ihr die Diskussion erspart bliebe. Dann brachte sie den kaiserlichen mit leichtem Nachdruck dazu, sich flach auf den Rücken zu legen. Mit umsichtigen Bewegungen begann die Elfin, die Wunde ein weiteres Mal sauberzutupfen. Das Haar störte sie, blieb immer wieder in dem Kratzer kleben und schränkte ihre Sicht auf die Verletzung ein, wenngleich es nur relativ kurz war. Sie überlegte einen Augenblick, bis sie auf das Naheliegende kam, zog ihr scharfes Gebrauchsmesser und schor die Haare etwa zwei Fingerbreit ober- und unterhalb des Schnitts dicht an der Kopfhaut ab, achtete darauf, ihren Begleiter nicht zu schneiden, als er unwillkürlich zusammenzuckte. "Es geschieht nichts Wildes", sagte sie -etwas verspätet, wie sie sich eingestehen mußte- "Ich muß nur besser sehen können."
Nachdem die Dunmer zufrieden war, spülte sie die übriggebliebenen losen Härchen fort, griff nach der Nadel und drückte mit Daumen und Zeigefinger die Wundränder in der dünnen Kopfhaut ein wenig zusammen. Sie würde an der Stelle knapp hinter dem Ohr beginnen und sich dann bis zur Schläfe vorarbeiten. Also, dann los, dachte sie und atmete einmal tief durch. "Ich verspreche, ich beeile mich so sehr wie möglich..."
Mach lieber vorsichtig als schnell... Dachte Arranges bei sich und hielt unbewusst die Luft an, als er die Nadel am Kopf spürte. Schon nach dem dritten Stich verschwamm sein Sichtbild und die alles andere als regelmäßige Schnappatmung, die er die letzten paar Herzschläge hindurch hatte, ging rapide runter. Ein letztes, unterdrücktes Wimmern, dann war er weg, wurde von tiefer Dunkelheit umfangen und klinkte sich einfach aus...
Das ging ja flott... Die Dunmer legte rasch die Linke an den Hals ihres Begleiters. Die Ader unter ihren Fingern pulsierte zu schnell, aber kräftig. Sie wandte sich wieder dem Kratzer zu, den der Bolzen hinterlassen hatte. Hier und da war der Schädelknochen selbst durch das umgebende Rot zu sehen. Diesesmal war es wirklich knapp, Beschwörer. Du hast mal wieder mehr Glück als Verstand gehabt...
Es dauerte tatsächlich eine Weile, bis Erynn ihre Arbeit beendet hatte, umso dankbarer war sie für die Tatsache, daß Arranges praktisch sofort ohnmächtig geworden war. Das Werkzeug, das ihr zur Verfügung stand, war für diese feine Aufgabe im besten Falle grenzwertig, aber nach sechs oder sieben Stichen hatte sie den Bogen raus. Sie verlor keine Zeit, sich der Messerwunde zuzuwenden, nachdem der Kratzer am Kopf versorgt war. Nach Möglichkeit wollte sie längst fertig sein, bevor ihr Weggefährte wieder zu sich kam. Hier war sie schneller - es war der Wunde, die sie bei dem Magier nach ihrer Flucht aus dem Kloster zusammengenäht hatte, nicht ganz unähnlich, und so wußte sie schon mehr oder minder, wie sie es am besten anstellte.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, machte sie den letzten Knoten in den Zwirn und legte ein sauberes Tuch über die Naht, bevor sie Arranges wieder zudeckte und ihr Werkzeug zusammenpackte. Noch einmal schritt sie den Lagerplatz ab, sammelte weitere Holzscheite wieder ein und warf sie aufs Feuer. Dann wartete sie, wachte über den Beschwörer, der langsam aber sicher von der Ohnmacht in einen tiefen, bleischweren Schlaf hinüberglitt. Es wurde später Vormittag, bis er sich schließlich wieder regte.
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