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Legende
Arranges schlief vielleicht fünf oder sechs Stunden. Er erwachte am Nachmittag und alles, was er zu Stande bekam, als er die Augen aufschlug, war ein gequältes Stöhnen, als er registrierte, dass er sich wohl irgendwann zur Seite auf einen spitzen Stein gerollt hatte. Mit knackenden Halswirbeln setzte er sich auf und drehte sich zu dem Stein um. So... dann weiss ich ja jetzt wenigstens, warum ich so schlecht geschlafen habe... Erst, als er sich hochstemmte, bemerkte er allerdings das Ausmaß des kleinen Felsklumpens. Er konnte sich zwar zur vollen Größe aufrichten, aber irgendetwas war etwa in der Mitte der Brustwirbelsäule verspannt. Ein heftig stechender Schmerz ging von dem Punkt aus, wo der hässliche kleine Steinbrocken unter ihm gelegen hatte. Mit gefletschten Zähnen drehte sich der Kaiserliche zu dem Stein um und warf ihm einen Blick zu, der ihn wohl hätte in tausend Splitter zerreissen müssen... Aber dann besann er sich wieder eines Besseren. Sie hatten keine Zeit um sich mit soetwas herumzuärgern. Er blickte zu Erynn, die noch immer unverändert an dem Felsen lehnte. Natürlich... wohin hätte sie auch groß laufen sollen... Innerlich grinste er kurz, während seine Miene den leicht scharfen Zug beibehielt. 'So... wie... hättest du es denn gern? ... Mir wäre ja die Variante dich über die schulter zu werfen, wie einen Kartoffelsack, am liebsten, auch wenn ich dabei Gefahr laufe, dass mir deine vorspringenden Hüftknochen das Fleisch von der Schulter reissen...' Meinte er, während er zu ihr herüberkam, wobei sein rechtes Bein irgendwie leicht zu lahmen schien. Verfluchter Mist... da ist irgendwo ein verdammter Nerv eingeklemmt...
Erynn legte den Kopf schief und musterte den Kaiserlichen ausgiebig und gespielt schamlos von oben bis unten. "Als ob du selbst viel zum Zusetzen hättest. Also halt einfach die Klappe." Warum zum Henker mußt du eigentlich dauernd darauf herumhacken, du Idiot? Ich habs langsam aber sicher begriffen... "Aber wenn du dir wirklich in den Kopf gesetzt hast, jetzt weitergehen zu wollen..." sie stockte kurz und ärgerte sich einmal mehr fürchterlich über ihren Zustand. Da ihr nicht einfiel, wie sie das Problem elegant hätte umschreiben können, entschied sie sich für den direkten Weg: "wie wärs, wenn du mir hilfst, die Beinschienen und Stiefel wieder anzulegen? Das dürfte zugleich auch dämpfend wirken", setzte sie noch spitz hinzu.
Sind wir jetzt etwa schon zu blöd, unsere eigene Rüstung anzulegen?! Ein kurzer Blick noch auf ihre Erscheinung. 'Es wundert mich sowieso schon länger, dass die Rüstung an besonders kantigen Stelle nicht längst durchgerieben wurde... also eigentlich fast überall...' Fügte er hinzu, als er sich umdrehte und die Lederrüstung der Elfe holte. Die Rüstteile neben ihr ablegend, ließ er sich ebenfalls neben Erynn, auf die Knie sinken und beäugte etwas misstrauisch den schwarzen Schleim. 'Ich bin ja gespannt, ob es sich auch dagegen wehrt, wenn ich den Stiefel drüberziehen will...' Murmelte er vor sich hin.
"Halt dein verfluchtes Schandmaul!" fauchte Erynn und riß dem Beschwörer den Stiefel aus der Hand. "Dann dauert es eben länger... aber das dürfte dir ja gar nicht so ungelegen kommen, nicht wahr? Du hinkst, Arranges", sagte sie mit einem bösartigen Blitzen in den Augen. "Schlecht geschlafen? Verträgst du es etwa nicht mehr, auf hartem Boden zu liegen? Du wirst alt, schätze ich... jetzt schon. Was für eine Verschwendung..." Sie packte ihr rechtes Knie mit beiden Händen, winkelte das Bein an und bemühte sich, die Beinschiene darum zu legen, bevor es wieder zur Seite fiel.
Erschrocken über diese Reaktion, zuckte Arranges zusammen und starrte Erynn einige Sekunden lang nur verblüfft an. Er wusste nicht, was er sagen sollte, die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich und doch war keiner dabei, dem er einen Sinn oder etwas Ähnliches abringen konnte... Er verfolgte einen Versuch der Elfe, sich die Beinschine anzulegen. Einen zweiten und einen dritten. Er hockte völlig zusammengesunken neben ihr. Nachdem auch der vierte Versuch, das Rüstteil anzulegen, schief ging, griff er einfach stumm zu. Ohne große Worte, legte er ihr die beiden Beinschienen an und zog ihr einen Stiefel an. Allerdings wollte der andere Stiefel nicht über das schwarze Zeug rutschen, Es wirkte beinahe so, als würde die dunkle Masse bei jedem Versuch, das Leder darüber zu streifen, gerade so weit anschwillen, dass der Stiefel schlicht zu eng war. 'Dann bleibt der Fuß eben nackt...' Arranges schaute auf. 'Soll ich dir beim Kürass auch noch helfen?' Fragte er tonlos.
"Denk nichtmal darüber nach", giftete sie den Kaiserlichen an. "Alles was du tun sollst ist, dich umzudrehen!" Verdammt, wie mach ich das jetzt? Es ist doch einfach nur zum Heulen! Nachdem sie unbeobachtet war, hob Erynn das Rüstungsteil mit einiger Mühe über ihren Kopf und ließ es dann einfach fallen, während sie den Oberkörper vom Felsen abstieß. Es funktionierte besser als erwartet. Sie zurrte alle Schnallen so fest wie möglich. Trotzdem würde es scheuern auf der bloßen Haut. Ihre Laune verschlechterte sich noch weiter, wenn sie nur daran dachte. "Fertig", meinte sie schließlich kühl, während sie haßerfüllt auf das Gebilde starrte, das sich um ihr Bein rankte. Irgendwie mußte sie dieses Ding loswerden. so schnell wie möglich!
Nachdem Arranges einen kurzen Blick auf Erynn geworfen hatte, stand er wieder auf, klaubte seine Rüstung zusammen und legte sie an. Seine Bewegungen dabei wirkten so gar nicht geschmeidig wie sonst und überhaupt fahrig. Das mochte zum Teil daran liegen, dass er noch immer völlig überrumpelt von der Reaktion Erynns war und zum anderen daran, dass die ganze linke Hälfte mehr und mehr zu schmerzen begann. Verdammter Stein... Als er seine Rüstung schlussendlich komplett angelegt hatte, kam er wieder zu Erynn herüber. 'Hör mal... es... tut mir leid, was ich vorhin sagte... wir befinden uns in einer verdammt unvorteilhaften Situation... du noch mehr als ich... und es war alles andere als klug von mir, jetzt auch noch irgendwie Streit zu provozieren...' Es klang ehrlich und in seinem Gesicht war nichts zu erkennen, das auf irgendeine vorgeschobene Floskel hindeutete.
Erynn seufzte, halb resigniert, halb froh darüber, das dieses erneute Geplänkel hiermit anscheinend ein Ende hatte. "Ist schon gut, Arranges", sagte sie müde. Nicht, daß er es verdient hätte, so einfach vom Haken gelassen zu werden. Aber sie würde diesen Mann ohnehin niemals ändern. Wozu die Dinge also unnötig komplizieren? "Wir sind beide mit den Nerven am Ende. Sehen wir allso zu, daß wir hier wegkommen und endlich diese verdammten Steine abliefern können..."
Arranges nickte nur. 'Gut, dann brechen wir also auf...' Aber statt Anstalten zu machen, sie hochzuheben, blieb er nur stehen und blickte fragend auf sie herab. 'Wie mach ich das jetzt bloß...?' Murmelte er. Ihm war klar, dass er Erynn jetzt wohl für relativ lange Zeit tragen würde müssen. Und das am besten so komfortabel wie möglich für ihn und für sie. Ihm war anzusehen, dass er nicht recht wusste, wie er fragen sollte. 'Wie äh... was wäre denn für dich am einfachsten?' Die Worte kamen mehr gestolpert, als gesprochen daher, was wohl daran lag, dass es eine völlig andere Situation als in der Nacht zuvor war, als es nur darum ging, sie irgendwie sicher zu halten und möglichst schnell vorwärts zu kommen...
Arranges' Ratlosigkeit nötigte ihr ein kleines Lächeln ab, so sehr es sie auch ärgerte, sich tragen lassen zu müssen. "Kannst du mich auf den Rücken nehmen?" fragte sie. "Hochziehen kann ich mich selber, denke ich... und noch etwas: nimm mein Schwert für dich. Wer weiß, was uns noch begegnet, und im Moment wird es dir von besserem Nutzen sein als mir."
Arranges wollte erst einen Kommentar über das einfache Feinstahllangschwert verlieren, verkniff es sich aber dann und nahm es stattdessen nur dankend entgegen. Mit einiger Anstrengung, bei der Arranges dachte, dass sein Rückgrat gleich in zwei Teile zerbersten würde, aber keine Miene verzog, saß Erynn schließlich an seinen Rücken gelehnt, auf seinen verschränkten Armen. 'Verdammt... das Feuer...' Knurrte der Kaiserliche. Er machte die ersten Schritte zu dem glühenden, vereinzelt noch flammenden Haufen und schob ihn mit den Füßen außeinander. Das wird richtig lustig... Dachte er bei sich, als er sich dann auf den Weg machte. Dass Erynn ein regelrechtes Fliegengewicht war, änderte nichts an der Tatsache, dass sich die paar verspannten Wirbel arg protestierend meldeten. Anzumerken war ihm das allerdings nur an der teil schnappenden Atmung, wenn er einmal etwas zu tief eingeatmet hatte. Sie folgten grob dem Flusslauf weiter nach Nordosten in das breite Tal zwischen dem Massiv der Valusberge im Westen und den ersten Ausläufern der Velothiberge im Osten.
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