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Legende
Goldküste; Beldaburo
Arranges spürte wieder dieses unangenehme Sticheln, als Erynn ihn ansprach. Er hatte nichts darüber gefunden, weder bei seinen Aufzeichnungen zu Flüchen, noch bei sonstirgendwelchen nachhaltigen Sprüchen und Formeln, er tappte komplett im Dunkeln. Er schlug das Buch zu, legte es zur Seite und blickte der Dunmer fest in die Augen. Zunächst war er einen Moment fast überrascht von dieser Frage. 'Hmm... am liebsten würde ich euch sagen, dass ich mir selbst nicht im Klaren darüber bin, aber das wäre mindestens zur Hälfte gelogen... Wisst ihr, als ich vor 12 Jahren aus Cheydinhal fortging, war ich, wie ihr schon sagtet, ein schwacher, nicht sehr eigenständiger, verweichlichter Magier in viel zu großen Kinderschuhen... Erst mit der Zeit, in der ich streng genommen ständig unterwegs war, habe ich gelernt, mich nicht von Verletzungen egal welcher Art sie auch sein mochten, länger als unbedingt nötig, aufhalten zu lassen... Es stört mich auch nicht weiter, wenn der Heilprozess dadurch in die Länge gezogen wird und ich deswegen einige Zeit beeinträchtigt bin... irgendwann, in spätestens 10 Jahren, wird mich das Los meiner Leidenschaft als Nekromant, sowieso einholen... wisst ihr, wie alt ein Mitglied der Gathering, welches sich nicht zu den Großmeistern zählt, in der Regel wird? 35...'
Erynn wollte die Erklärung ihres Gegenübers schon akzeptieren. Sein letzter Satz jedoch schockierte sie so sehr, daß sich das Erschrecken deutlich auf ihrem Gesicht abzeichnete. "Das ist... nicht viel. Warum? Und wie, wenn doch... wenn doch ihre Mitglieder so mächtig sind? Ist es das wert?"
Mit einem Mal empfand sie einen brennenden Haß auf die Gathering. Sie wollte nicht, daß Arranges so jung sterben würde. Warum sie das eigentlich dermaßen mitnahm, war ihr selber nicht ganz klar. Irgendwie jedoch, gestand sie sich selbst ein, hatte sie diesen verrückten Kerl liebgewonnen. Trotz all seiner Macken, oder vielleicht auch gerade deswegen. Es war falsch, mehr noch, es war krank. "Was für ein entsetzliches Schicksal, sehenden Auges in das eigene Verderben laufen zu müssen", setzte sie flüsternd hinzu.
Wieder war Arranges erstaunt. Er hatte mit einer ruhigen zur Kenntnisnahme ihrerseits gerechnet, nicht aber damit, dass sie so sehr die Fassung verlieren würde. Gleichzeitig war ihm, als würde sich etwas unter seinem Brustbein schmerzhaft zusammenziehen. Hergott nochmal, ich muss diesen Scheiss endlich loswerden! 'Es hat nichts mit Macht zu tun... es ist nur so, dass die intensive Studie und die bis teilweise zum Fanatismus gereichende Leidenschaft, den Geist und den Körper von innen heraus zerfrisst. Die Großmeister haben Mittel und Wege gefunden, die den inneren Zusammenhalt der Gathering dadurch gewährleisten, dass man nicht alle paar Jahre einen neuen Großmeister für einen verstorbenen benennen muss... sie haben Möglichkeiten gefunden ihre Lebenszeit zu dehnen... diese Rituale sind jedoch geheim... Aber...' er stockte einen Moment, während er in ihrem Gesicht forschte, 'anfangs habe ich in der Nekromantie einen unschätzbaren Wert und gleichzeitigen Trost gesehen, mittlerweile ist sie für mich nur noch Studienobjekt um meinen Wissensdurst zu stillen und ein sehr nützliches Mittel zum Zweck... Aber sagt, warum seid ihr darüber so... entsetzt?' Der Kaiserliche bemühte sich um einen mehr oder weniger sachlichen Ton, er konnte nicht wirklich sagen, was die Dunmer so erschüttert hatte.
"Wie erkläre ich es am besten..." Der Elfin fiel es tatsächlich schwer, die richtigen Worte zu finden, da Arranges auch in dieser Sache völlig andere Maßstäbe anzulegen schien als sie selbst. "Vielleicht mit einer Gegenfrage: Stört es dich denn gar nicht zu wissen, daß dir nur ein so kurzes Leben beschieden sein wird, selbst nach menschlichen Maßstäben? Erscheint es dir nicht wie Verschwendung, daß all dein Wissen, all deine Kunst, in nur wenigen Jahren einfach verlöschen werden? Mich macht es unglaublich wütend, selbst wenn ich viele deiner Ansichten nicht teile." Erynn hielt den Blick des Beschwörers für einige Herzschläge lang fest, bevor sie sehr viel leiser fragte: "Fürchtest du dich nicht davor?"
'Nun... warum sollte ich etwas fürchten, das unausweichlich ist?' Arranges überlegte kurz. 'Vielleicht habe ich das Glück und gehöre nicht zum allgemeinen Rest der Mitglieder, vielleicht lebe ich auch so deutlich länger, ich habe praktisch alles erreicht, was ich mir bis zum heutigen Tag vorgenommen habe... sollte mir morgen etwas einfallen, das es lohnt, es bis zur Perfektion zu treiben, werde ich dies tun und so lange dem Tod trotzen, was also wollt ihr hören?' Kaum, dass er diese Worte ausgesprochen hatte, bereute er sie auch schon wieder. 'Allerdings ist mir in den letzten Tagen aufgefallen, dass ich wohl nur eine Sache nie erreichen kann... selbst wenn mein Leben mir Zeit über die 35 hinaus gewähren sollte...' Verdutzt zuckte er zusammen, trotz seiner mentalen Sperre gegenüber solcher Gedanken, hatte sie sein Unterbewusstsein einfach hinausgeschleudert.
Erynn lächelte ein wenig. "Was ich hören will? Nur die Wahrheit, wie du sie siehst. Ich versuche, die Welt zu verstehen, in der du lebst, das ist alles. Auch wenn es mir schwerfällt und das alles sehr verwirrend ist." Sie legte den Kopf schief. "Deine nächste Frage wird sein, warum. Nun, weil auch ich danach strebe, meinen Horizont zu erweitern, auf eine andere Weise als du. Aber... was glaubst du, niemals erreichen zu können?"
Arranges senkte den Blick. Er haderte einen Moment arg mit sch selbst, während er nur in die Flammen blickte, dann antwortete er ihr endlich: 'Ich war immer der festen Überzeugung, dass ich niemand außer mich selbst brauche, wobei mein Pferd das einzige war, was ich als Familie und Freunde im Gesamten akzeptierte und liebte. Klar, ich brauche Personen wie Falanu, Meister Jurano, Bruder Marbell oder Nienna... auch Meisterin Marie oder Torrah waren nie schlicht nur Ärgernisse auf meinem Weg, aus jeder dieser Personen habe ich irgendeinen Nutzen für mich gezogen, vielleicht ist und war auch teils Freundschaft im Spiel... aber...' Er brach ab. Er wusste, was er sagen wollte, auch wenn es ihm quer gegen seiner Denkweise lag. Die Worte drängten jedoch heraus, während sich das Brennen und Stochern steigerte und sein Herz jeden Moment zu zerspringen drohte: 'Ich bin nun schon einige Zeit mit euch unterwegs Erynn... es... ich,' er schluckte, 'ich... dachte immer... ich meine, ich brauchte euch nur um dieses verdammte Amulett aus der Festung zu holen... und dann... ich dachte, ihr wärd mir gleichgültig, eine Begleitung, eine Ausrede dafür, dass ich in absehbarer Zeit wieder meine Freiheit, fernab vom Drängen der Gathering haben könnte...' Wieder brach er ab, seine Stimme hatte arg gezittert. Mühsam stemmte sich der Kaiserliche in die Höhe und wandte sich vom Lagerfeuer und von der Dunkelelfe ab, dann sprach er weiter: 'Und jetzt verliere ich etwas, was ich zuvor freiwillig, einfach so, von euch bekommen habe, aber in meiner Ignoranz und Selbstgefälligkeit nicht als die Kostbarkeit erkannte, die es darstellte, an das Abbild der Totenlande... an die Erscheinung eines Dremoras...' Die letzte Worte waren nur noch leise, gerade noch hörbar gesprochen...
Arranges' Worte fuhren ihr wie eine heiße Klinge direkt in die Seele, und sie krümmte sich wie unter körperlichem Schmerz. Mit einem einzigen Satz, beiläufig und schon fast im Schlaf gesprochen, hatte sie den Beschwörer von den Beinen gerissen, ohne es zu merken. Hatte ganz andere Dämonen geweckt als nur jene aus Mehrunes Dagons Reich. Erynn schlug die Augen nieder und wagte für eine Weile nicht zu sprechen. Ganz langsam erhob sie sich leise und trat von hinten an ihn heran. "Es sind nur Dremora. Sie faszinieren mich, auf eine Weise, die deiner Art zu denken vielleicht sehr nahe kommt. Es ist fast berauschend mir vorzustellen, ein solches Wesen kontrollieren zu können. Aber das wird mich nicht davon abhalten, jede dieser Kreaturen ins Visier zu nehmen, die uns angreift. Ich habe dir mehrfach gesagt, daß ich loyal zu dir stehe. Daran hat sich nichts geändert."
Arranges spürte, wie der Druck auf seiner Brust nachließ und sich eine unbändige Erleichterung und Freude einstellte. Er drehte sich zu Erynn herum und sah ihr in die Augen. Für einen kurzen Moment wollte er sie einfach nur in die Arme schließen, unterließ es aber in dem Wissen, ihr damit nur Schmerzen zu bereiten, was im Moment das Letzte war, was er wollte. 'Danke Erynn... ich habe dich wirklich gern in meiner Nähe...' Ein wenig schüchtern blickte er zu Boden.
Ich weiß... Sie lächelte warm, wenngleich ein wenig verunsichert über die unerwartete Wendung in seinem Verhalten, neigte leicht den Kopf. "Das ehrt mich. Und es freut mich", antwortete sie. Verdammt, was sagt man in so einer Situation, grübelte die Elfin, aber es fielen ihr keine besseren Worte ein. Vorsichtig kniete sie sich wieder an das Lagerfeuer, darauf bedacht, sich nicht zu sehr zu verbiegen. "Morgen werden wir uns hier genauer umsehen. Mit etwas Glück haben die Wegelagerer hier einige Heiltränke gehortet." Sie schaute für einige Zeit stumm in die Flammen. Vielleicht sollte ich einfach öfter mal ausflippen. Die Ergebnisse sind jedenfalls sehr interessant. Halb amüsiert, halb verärgert schob sie den Gedanken zur Seite. Ja, die Gesellschaft des Beschwörers färbte definitiv auf sie ab...
'Hoffen wir es...' Meinte Arranges mehr oder minder zuversichtlich, während er sich neben Erynn ans Feuer setzte. 'Aber trotzdem möchte ich, dass ihr das nochmals von einem Heiler in Anvil ansehen lasst... vor allem für den Fall, dass wir dort unten keine Tränke finden...' Arranges war erschöpft, von dem ganzen Gespräch, aber nicht erschöpft im eigentlichen Sinne. Er spürte wie die Stiche immer mehr und schneller einer wohlig angenehmen Wärme und Erleichterung wichen. Er saß noch eine Weile bei Erynn am Feuer, aber als ihn die Müdigkeit schließlich übermannte, schaffte er es nicht mehr an sein Zelt zu denken... es wäre sowieso unnötig gewesen, schließlich war es einen beinahe sternenklare Nacht. Der Kopf sank dem Magier auf die Brust und einige Augenblicke später kippte er nach hinten und blieb mit fast schon ungewöhnlich friedlichen und entspannten Gesichtszügen liegen...
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