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Fossil
Als keine Antwort kam, stand Erynn zur Gänze auf, die Wirbelsäule durchgebogen in dem nutzlosen Versuch, sich von dem Schmerz in ihrem Rücken wegzudrücken. Ihr Blick fiel auf den Kaiserlichen, und für einen Moment entgleisten ihr sämtliche Gesichtszüge. „Bei den Göttern...“ flüsterte sie, kniete neben ihrem Begleiter nieder. Wo beginnen? fragte sie sich hilflos.
Der Pfeil, der in den Unterleib des Beschwörers eingeschlagen war, bereitete ihr die meisten Sorgen. Es blieb nur zu hoffen, daß er die größten Blutgefäße verfehlt hatte. Sie griff ohne weitere Umschweife danach und brach ihn ab, dann hob sie das Kettenhemd an und schob es weiter nach oben. Die Wundränder sahen nicht so aus, als wären die Pfeilspitzen mit Widerhaken versehen gewesen. Wenigstens etwas, dachte sie und begann damit, rasch ein paar Äste zusammenzusuchen und mit Hilfe ihrer Magie ein Feuer zu entzünden. Ihre eigenen Verletzungen vergaß sie für den Moment, wirkten sie doch geradezu bedeutungslos gegen den verwüsteten Körper, der nur eine Armlänge neben ihr lag. Aus der Satteltasche ihres Wallachs holte sie ihr Handwerkszeug und ein kleines tönernes Gefäß mit Waffenöl, aus der des Fuchses ein paar Tücher und die restlichen Verbände. Sie entfernte den Korken der Amphore und steckte sie in die Glut des Feuers, dann kehrte sie zu Arranges zurück. Es bedurfte keiner Worte, außerdem hätte sie ohnehin nichts Gescheites zu sagen gehabt. Den Pfeil durchzustoßen getraute sie sich nicht, also zog sie entschlossen daran. Erynn spürte das Geschoß an mindestens einem Knochen entlangschaben, als es sich endlich bewegen ließ.
Arranges hatte noch gehofft, dass Erynn einfach die Finger von ihm lassen würde. Aber nur eine Sekunde später war ihm, als hätte ihm jemand den Inhalt sehr vieler verschiedener Farbkübel in die Augen geschüttet. Ein Gefühl, als würde ihn jemand der Länge nach auseinanderreissen, breitete sich in ihm aus, als die Dunmer nach dem Pfeil in der Hüfte griff und ihn abbrach. Aber zum Schreien viel zu schwach, kniff er lediglich die Augen zusammen und betete zu allen Göttern die ihm in diesen zwei Sekunden einfielen, dass Erynn ihre Hände wegnehmen möge. Als sie ihn abseits der Pfeile berührte, war dem Kaiserlichen, als krampften sich seine Eingeweide zusammen. Und dann... Endlich ließ sie ihn in Frieden. Nach dem Schmerzgewitter war die restliche Pein wie kühlender Schatten nach an einem Hochsommertag in der prallen Sonne. Den Göttern sei Dank... Der Kaiserliche hätte erleichtert ausgeatmet, wäre da nicht der Schmerz des Giftes. Aber alles war erträglicher, als die Qualen irgendeiner Regung seines Körpers aushalten zu müssen. Er bemerkte, wie Erynn Feuer machte und nur einige Augenblicke später wieder neben ihm kniete. Mehrunes, wenn ich einmal deine Hilfe benötige, DANN JETZT... schick einen Blitz vom Himmel und verkohl Er... 'AAAHHHHHH!!!' Als würde ihm jemand mit dem Knie voran in den Bauch springen, presste sich ihm die wenige Luft von ganz allein aus seinen Lungen. Irgendein imaginärer Gegner schien seine Wangen mit voller Wucht abwechselnd zu ohrfeigen, sodass er nicht mehr orten konnte, wo der Schmerz denn jetzt genau herkam. So musste sich die Hölle anfühlen! Aranges richtete sich allein durch den nunmehr einzig bestehenden Gedanken heraus, den Schmerz igrendwie zu beenden, auf. Aber da war es praktisch schon vorbei. Erynn hatte den Pfeil gerade ganz herausgezogen, als Arranges direkt bemerkte, wie eine wahnsinnige Flüssigkeitsansammlung um den Wundkanal jetzt aus dem Einschussloch in seiner Leiste herausquoll. Der Schmerz jedoch blieb größtenteils. 'SEID IHR VÖLLIG WAHNSINNIG GEWORDEN?!' Schrie er ihr entgegen, sank aber dann kraftlos zurück. Nach ein paar Sekunden lichtete sich sein Blickfeld wieder weitestgehend. Er starrte in den Himmel, sein Atem ging schnell, aber sehr flach. 'Bitte... nicht mehr...' War alles was er hervorpressen konnte. Er bemerkte, wie seine Beinkleider sich langsam aber sicher mit warmem Blut vollsaugten.
Blut schoß aus der Wunde, sobald sie den Schaft herausgezogen hatte. Arranges krümmte sich und schrie sie an, fiel aber sofort darauf wieder zurück. Erynn knüllte schnell eines der Tücher zusammen und preßte es fest auf die Verletzung. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Strom endlich versiegte. "Ich fange gerade erst an", murmelte sie, griff vorsichtig nach seiner linken Hand und legte sie auf das Tuch. "Haltet das fest, so gut Ihr könnt."
Die Elfin wandte sich dem zweiten Pfeil zu, der auf der gleichen Seite oberhalb des Knies steckte. Diesen brach sie weiter oben ab, kurz unterhalb der messerscharfen Befiederung. Danach schnitt sie das Leder der Beinschiene um das Geschoß herum auf, löste die Schnallen und hob das Rüstungsteil vorsichtig über den Pfeil, dann warf sie es achtlos zur Seite. Prüfend schaute sie in das Gesicht ihres Begleiters. Er schien klar im Kopf zu sein, was das Letzte war, das sie ihm in diesem Augenblick wünschte.
Der Pfeil hatte den Knochen gestreift, schon wieder. Sie fluchte unterdrückt. Durchstoßen war auch hier keine Option, wie sie zunächst gehofft hatte - bei dem Eintrittswinkel würde sie ihn glatt durch die Sehnen in der Kniekehle treiben. Alles in allem wünschte sie sich an einen Ort weit, weit fort von hier, ihretwegen auch wieder zurück in Torrahs Schlammloch. Sie hätte heulen können, wußte sie doch bestenfalls ungefähr, was sie hier eigentlich tat. Einem Feldscher zu assistieren, das war eine Sache, etwas, das sie sogar gerne tat, aber das beschränkte sich hauptsächlich darauf, den armen Teufel auf seinem Tisch ruhigzuhalten oder ihn zu beruhigen. Sie schüttelte den Kopf über ihre eigenen, närrischen Gedanken. Es gab hier niemanden außer ihr, darüber hinaus hatte sie noch den leichteren Part in diesem Massaker. Kurzerhand schnitt sie das Hosenbein auf halbem Oberschenkel ab, zog dann den Pfeil ebenso wie den ersten und tupfte das austretende Blut fort. Ein Knochensplitter schimmerte ihr entgegen, geradezu abstoßend weiß gegen das umgebende Gewebe. Das Ding war nicht größer als der Nagel ihres kleinen Fingers. Verdammt! Als ob das nicht alles schon schrecklich genug wäre...
Erynn drehte sich zu Feuer um, hoffte dabei, daß Arranges nicht masochistisch genug wäre, ihr zuzusehen und glühte das Messer aus. Mit einem Knie und der linken Hand fixierte sie das Bein des Kaiserlichen, senkte die Klinge in die Wunde und hebelte den Splitter heraus, goß dann etwas von dem mittlerweile heißen Öl in den Schußkanal. Nachdem Arranges endlich aufgehört hatte zu schreien und zu zappeln, verband sie auch diese Verletzung. Oh bitte, Ihr Götter und Ahnen, laßt es jetzt endlich einfacher werden...
Der Kaiserliche wusste nicht wie ihm geschah. Bei allen Göttern, so lasst micht doch einfach sterben oder in Ohnmacht fallen... ist das wirklich zu viel verlangt... War der einzige tatsächlich klare Gedanke, den er immer wieder hatte. Zwar ließen die Schmerzen deutlich nach, aber das Gift hatte sich mittlerweile im ganzen Körper ausgebreitet und allein schon der rythmische Herzschlag des Magiers verursachte bei jedem Schlag eine grelle Explosion in seinem Kopf. Auf der anderen Seite jedoch behinderte das Toxin, den zur Bewusstlosigkeit gereichenden Schockzustand, den er normalerweise erreicht hätte bei derart groben Verletzungen. Ein ekelhaftes Gefühl eines erneut eindringenden Fremdkörpers erreichte den Kern seines Bewusstseins, kurz nachdem Erynn den zweiten Pfeil gezogen hatte. Tränen - oder war es der eiskalte Schweiß? - traten ihm in die Augen, als er aufschrie und für einige Augenblicke wild um sich schlug. Aber der Schmerz war stärker als sein Wille und zwang ihn so wieder auf den Boden zurück. Stichflammen reiner Höllenqualen stießen durch seinen Körper bei jeder Berührung, die Erynn vollzog, als sie die Wunde versorgte. Als sie endlich fertig war, atmete Arranges tief ein, nur um direkt würgen zu müssen. Er drehte den Kopf zur Seite, was er direkt wieder bereute, schien der Schmerz ihm das Genick brechen zu wollen... Der Torso des Kaiserlichen zuckte einige Male unregelmäßig auf und ab, dann stellte sich wieder der schnelle, flache Atem ein. Er hatte sich zwar nicht erbrochen, aber das wohl vom Gift ausgelöste sehr dringende Bedürfnis seines Körpers zum Auswurf, hatte ihm die allerletzten Reserven geraubt. Völlig erschöpft, mit bleichem Gesicht, ließ er den Kopf einfach auf der Seite ruhen, nichteinmal mehr in der Lage, die Kiefer aufeinander zu pressen, sei es jetzt um das Speichelrinnsal zu stoppen oder die Schmerzen damit zu verdrängen. Bitte, mach einfach schnell fertig Erynn...
Arranges so zu sehen, machte die Elfin einfach nur fertig. Sie mochte schon öfter seine Wunden versorgt haben, aber es war noch nie so... entsetzlich gewesen. Es schien kaum eine Stelle an seinem Körper zu geben, die nicht geschunden war. Irgendwie hatte sie sich daran gewöhnt, ihn als den Stärkeren von ihnen beiden zu sehen, und auf eine seltsame Art gab ihr das ein Stück Sicherheit in der ganzen Verwirrung, in der sie sich befand.
"Es dauert nicht mehr lange", versprach sie, während sie auf die andere Seite wechselte. Der letzte Pfeil war nicht besonders tief eingedrungen. Nachdem sie den Stiefel aufgeschnitten und ausgezogen hatte, wußte sie auch warum: Das Geschoß steckte genau im Knochen. Sie sagte nichts dazu, hielt sein Bein diesesmal mit beiden Knien ruhig, als sie den Schaft abbrach und den kurzen Rest mit der Kettenzange packte. Sie legte beide Hände um deren Griffe und riß die Pfeilspitze mit einem Ruck heraus, versorgte dann die Wunde ebenso wie die vorangegangene.
Das brachte sie wieder zu der Verletzung in der Hüfte. Arranges hatte längst damit aufgehört, das Tuch auf die Verletzung zu pressen; kraftlos lagen seine Arme seitlich neben dem Körper. Erynn wußte nicht, wie sie an dieser komplizierten Stelle einen Verband anlegen sollte, also ließ sie es bleiben und drückte für eine Weile nur weiter das längst durchgesiffte Tuch darauf. Von dem Öl tat sie nichts in diese Wunde. Es hieß zwar, das verhindere, daß der Einschuß sich entzünde, aber wer wußte schon, was der Dremorapfeil genau durchschlagen hatte. Vielleicht würde sie ihren Begleiter damit eher umbringen, statt ihm zu helfen. Sie wünschte sich, einen Heiltrank zur Hand zu haben, der die meisten ihrer erbärmlichen Bemühungen überflüssig machen würde. Möglicherweise gab es hier Pflanzen, mit denen sie etwas ähnliches herstellen könnte, oder auch eine Salbe gegen die zahlreichen Verbrennungen auf den Armen und Händen des Beschwörers. Sie würde ihn danach fragen. Bald, sehr bald.
Schließlich, als kein weiteres Blut mehr aus der Wunde quoll, ließ sie das Tuch los. "Das Schlimmste ist vorbei", flüsterte sie Arranges zu, während sie mit großer Vorsicht die verkohlten Reste seiner Armschienen abschnallte. Der Schnitt fiel ihr auf, aber davon würde sie die Finger lassen. Es reichte für heute, definitiv. Sie tränkte zwei weitere Tücher mit dem Trinkwasser, das sie mitgebracht hatten, und legte sie ihm locker um Arme und Hände. Es waren die letzten, die sie hatten. Er zuckte kaum noch, war scheinbar endlich in einen gnädigen Dämmerzustand übergetreten. Erynn blieb neben seinem Kopf sitzen, beobachtete jede Reaktion genau. Als ob du wüßtest, was zu tun wäre wenn er sich doch noch entschließt zu verrecken, blöde Kuh, lästerte eine gemeine Stimme in ihrem Kopf. "Halts Maul", gab der Rest von Erynn zurück. Ihr wurde gar nicht bewußt, daß sie laut gesprochen hatte. Nach einer Weile griff sie nach Arranges' Stiefel. Nun, das ist wenigstens zur Abwechslung mal etwas, das ich kann, dachte sie mit einem gerüttelt Maß an Galgenhumor und machte sich daran, den Schnitt wieder zu reparieren.
Arranges Körper hatte nicht mehr die Kraft groß zu zucken, als Erynn die Spitze des letzten Pfeils aus seinem Schienbein zog. Dafür wirkte das Gift weiterhin in seinem Kopf. Die stechenden Farben in seinem Blickfeld konnte er zwar einfach ausblenden, indem er die Lider schloss, aber das Brennen im ganzen Körper und die schmetternden Gongschläge, die schmerzhaft in seinem Kopf widerhallten, als würde er unter einer Glocke einer kaiserlichen Kapelle stehen, waren kaum zu ignorieren.
Aber dann wurde es plötzlich kühl. So herrlich kühl! Er konnte nicht genau sagen, was Erynn jetzt schon wieder tat, aber genau in diesem Moment wünschte er sich, sie würde nicht damit aufhören. Erlösende Frische legte sich wie Balsam auf seine verbrannten Arme. Ein wenig lichtete sich der Schleier vor seinen Augen und er öffnete selbige. Erynn saß neben ihm und hantierte mit einem Stiefel herum. Der Kaiserliche versuchte in den Himmel zu schielen, gab es aber direkt wieder auf. Er wagte es nicht, sich irgendwie zu bewegen. Das Gift tobte in seinem Körper und seinem Kopf und der dumpfe Schmerz, welcher von seinem Herzschlag und dem ohnehin schon sehr flachen Atem ausging, genügte als Drohung vor dem, was passieren mochte, wenn er sich irgendwie sonst regte. Nachdem er eine ganze Weile schlicht gerade aus sah und somit zwangsläufig Erynn anblickte, trat die Nachwirkung des Giftes ein. Es war überall in seinem Körper, sein Blut hatte es in jeden Winkel transportiert und jetzt, verhielt es sich ein wenig wie mit Alkohol... Während sein Kopf noch immer dröhnte, ließen die übrigen Schmerzen gähnend langsam nach. Mit eisiger Hand griff der Schlaf nach Arranges Erschöpfung und hielt sie ihm wie eine Stumme Aufforderung vor. Die Lider des Nekromanten wurden allmählich immer schwerer. Er blinzelte, wehrte sich noch geringfügig gegen den Schlaf, aber schlussendlich musste er seinem Körper den Tribut zollen, der diesem zustand. Nach kurzer Zeit, nachdem Arranges eingeschlafen war, regulierte sich auch sein Atem ein wenig. Nicht mehr ganz so schnell, hob und senkte sich jetzt sein Brustkorb zwar immer noch recht wenig, aber im Gegensatz zu vorher recht deutlich und zeugte so davon, dass der Kaiserliche dabei war, das Toxin zu überwinden...
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