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Fossil
„Nein“, gab sie zur Antwort. „Unser Gespräch ist noch nicht beendet.“ Sie erhob sich aus ihrer Ecke und setzte sich auf das Feldbett. „Ihr hättet mich zu gar nichts zwingen können. Hättet Ihr es versucht, wärt Ihr niemals lebend aus dem Gildenhaus herausgekommen. Ich bin Euch hierher gefolgt, weil Ihr mich darum gebeten habt. Lebt damit“, sagte sie ruhig.
„Und eines noch: Der Wert, den Ihr mir beimeßt, ist kein allgemeingültiger Maßstab. Behandelt mich nie wieder so, wie Ihr es vorhin getan habt.“
Schon bei ihren ersten Worten atmete Arranges deutlich genervt aus und stützte erschöpft seinen Kopf auf einen aufgestellten Arm. 'Ihr wisst selbst, dass ich sehr wohl im Stande gewesen wäre, das Gildenhaus lebendig zu verlassen...' Seine Stimme hatte weder etwas Zorniges, noch etwas Drohendes an sich, sie wirkte eher erschöpft. 'Seid ehrlich zu euch selbst Erynn, ihr seid nie wirklich freiwillig mit mir gekommen, weder auf die Suche nach dem Buch, noch hierher... Und sagt, wie soll ich euch denn behandeln?'
"Ein Mindestmaß an Respekt wäre angebracht." Sie seufzte. "Und die große Mehrzahl der Söldner hätte Euch sehr wohl zuerst den Kopf abgeschlagen und erst dann Fragen gestellt. Ihr hättet es nicht aus der Gilde geschafft." Verständnislos und ein wenig traurig schüttlete sie den Kopf. "Warum könnt Ihr nicht akzeptieren, daß ich Euch aus freiem Willen begleitet habe? Warum wollt Ihr unbedingt, daß ich Euch hasse?"
Verdammt, das wüßte ich wirklich gerne. Wie kaputt muß man sein, um vor jeder freundlichen Geste gleich zurückzuschrecken?
Arranges hatte nur wenig Lust auf dieses Gespräch, deswegen ging er trotz all seiner Arroganz schlichtweg nicht auf ihre Worte ein, ihre letzte Frage jedoch konnte er nicht so stehen lassen. Ich will doch gar nicht, dass ihr mich hasst, ich will nichteinmal euer Verständnis... 'Ihr habt lediglich das gesehen, was ich euch von mir sehen lassen wollte... für euch bin ich doch nichts weiter als ein Nekromant, jemand, der in euren Augen ungerechtfertigterweise im Totenreich herumfingert... warum sollte jemand wie ihr, die ihr ein geregeltes Leben mit den ganz normalen Turbulenzen führt, mich zum Einen verstehen und zum Anderen auch noch in einer mir völlig unverständlichen Art mögen? Warum wollt ihr ein Freund von mir sein, wie kommt ihr dazu, nachdem ich euch doch einiges an Leid zugefügt habe?'
"Das sind alles gute Fragen, Arranges. Ich habe sie mir selbst schon öfter als einmal gestellt. Ich weiß nicht, wer oder was Ihr wirklich seid. Ich weiß nur, daß wir uns gegenseitig öfter als einmal das Leben gerettet haben, und das genügt mir, um Euch gegenüber so etwas wie Loyalität zu empfinden. Macht es mir bitte also nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist", antwortete sie müde. Dann wechselte Erynn das Thema: "Sagt mir lieber, was mich in den nächsten Tagen erwartet. Was wird die Versammlung von mir hören wollen, wenn ich vor sie treten muß?"
Arranges war ihr dankbar, dass sie endlich das Thema wechselte, er konnte sie immernoch nicht richtig verstehen und verdrängte die Gedanken über ihre Worte schnell wieder. Seine Stimme wurde deutlich freundlicher, wenngleich sie sehr müde klang, als er ihr antwortete: 'Nun, ich war schon öfter bei solcherlei Vorstellungen dabei... man wird euch ein paar persönliche Dinge fragen, zum Beispiel wie ihr genau heisst, wie alt ihr seid, woher ihr stammt, ob ihr Familie habt und wenn ja, ob ihr Geschwister habt... Was ihr bis jetzt mit der Magie zu schaffen hattet... Und wie ihr zur Gathering gekommen seid... Es sind alles recht simple Fragen, es ist nur meistens so, dass jeder Großmeister sie auf seine eigene Art und Weise stellen kann. Ihr könnt auf alles, was sie fragen nach eigenem Ermessen antworten, nur rate ich euch, euch keine wilden Märchen auszudenken oder die Gathering irgendwie teuschen zu wollen. Wenn ihr zu einer Frage keine Antwort geben wollt, macht dies den Großmeistern klar und begründet es knapp, aber lügt nicht. Das ist wichtig, denn nachdem ihr hier als Novize gehandelt werdet und somit als Schüler ein vollwertiges Mitglied seid, steht ihr unter Beobachtung... Auch ich als Mentor stehe noch unter einer zufälligen Beobachtung. Und sollte die Gathering herausfinden, dass ihr sie in irgendeinem Punkt belogen habt, wird sie misstrauisch, sollten weitere Ungereimtheiten aufkommen, werdet ihr schlichtweg und einfach verschwinden, spurlos und ohne jedes Aufsehen... Ich kann und werde euch ein wenig gegen den Fokus schirmen, aber das ist auch schon alles, was ich an dieser Stelle für euch tun kann, also bitte... Belasst eure Antworten bei der Wahrheit oder schweigt.' Arranges erhob sich von seinem Schreibtisch. Er ging um die Stellwände herum und kam zu Erynn. Er setzte sich neben ihr auf das Feldbett und fuhr fort: 'Ich kann euch nicht darauf vorbereiten, was ihr dort in der Ratshalle erleben werdet, aber ihr werdet nicht allein vor der Gathering sprechen müssen, ich bin an eurer Seite und übernehme die Fragen die eure Zukunft als Schüler unter mir betreffen werden.'
Die Elfin nickte. "Gut. Auch wenn es mir nicht gefällt, diesen Leuten von meiner Familie erzählen zu müssen. Ich hoffe, daß man sie in Ruhe lassen wird..." Sie schaute zu dem Beschwörer auf. "Ihr seht müde aus, Arranges, und ich bin es auch. Wir sollten versuchen, ein bißchen Schlaf zu bekommen."
'Die Gathering befasst sich tatsächlich nur mit ihren direkten Mitgliedern, ich versichere euch, dass sie nichteinmal wenn sie zufällig in die Nähe eurer Familie kommt, keine Zeit damit verschwenden wird, da irgendetwas herauszufinden...' Arranges winkte ab, als sie ihn aufs Schlafen ansprach. Er stand wieder auf und ging zurück auf die andere Seite. Er warf sich seinen Umhang um und ging zur Tür, doch bevor er sie aufzog, blickte er nochmal über die Schulter zu Erynn. 'Ich werde keinen Schlaf finden können... ich werde die Nacht anderweitig nutzen... wenn ihr wollt, könnt ihr in meinem Bett schlafen... ich möchte keine wunden Stellen an der Haut meiner Schülerin verantworten müssen...' Die letzten Worte flüsterte Arranges fast nur noch, aber ihre Bedeutung war unmissverständlich, dabei zeigte sein Gesicht aber keine Regung. Und schon zog der Kaiserliche die Tür hinter sich zu und war verschwunden.
Erynn schüttelte bei seiner letzten Bemerkung nur unmerklich mit dem Kopf; es war wahrscheinlich das einer Entschuldigung am nächsten Kommende, was sie erwarten konnte - verpackt in einem weiteren Seitenhieb. Sie entschied sich trotzdem für die Pritsche, die den nicht unerheblichen Vorteil bot, daß sie sich zum Schlafen einfach nur noch nach hinten fallen lassen mußte.
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