Erynn erwachte relativ früh, gönnte sich ein reichhaltiges Frühstück und trabte dann los in Richtung der Stallungen. Zwar hatte der Kaiserliche nicht gesagt, wann und wo genau sie sich treffen wollten, doch sie war sicher, daß er früher oder später dort auftauchen würde.
Sie war noch immer etwas mies gelaunt über die Tatsache, daß Arranges sie am gestrigen Tag einfach rat- und hilflos hatte stehen lassen, aber sie beschloß, die ganze Sache einfach wieder zu seinem Problem zu machen. Sollte er sich doch etwas dazu ausdenken.

Als sie durch das westliche Stadttor trat, sah sie, daß der Beschwörer bereits auf sie wartete. Erynn begrüßte ihn knapp, dann holte sie ihr Pferd. „Also gut“, sagte sie. „Wohin solls denn gehen?“

'Nun, ich hoffe, ihr habt euch mittlerweile an den Blick von kargen Steppen und Felslandschaften gewöhnt... wir reisen zunächst auf der Ringstraße nach Cheydinhal und von dort aus erst über einen flachen Pass nordöstlicher Richtung nach Morrowind, dann über einen hohen und relativ unsicheren Pass über die Velothiberge hinunter in die Steppenlandschaften Westmorrowinds. Dort folgen wir der Bergkette nach Süden... die ganze Reise sollte in etwa 6 Tage dauren... vorausgesetzt, wir werden nicht aufgehalten...' Er grinste ihr entgegen. 'Aber noch sind wir ja eine Weile in Cyrodiil unterwegs, bis wir in diese unwirtliche Gegend gelangen.'

"Nach Morrowind?" sie stutzte. "Dort bin ich vor knapp fünfzig Jahren zum letztenmal gewesen." ...und ich kenne mich da kein bißchen aus. Wenn irgendwas schiefgeht, wüßte ich nicht, wohin ich flüchten sollte. Großartig.
Sie waren schon eine Weile auf der Goldstraße unterwegs, als Erynn wieder das Wort an Arranges richtete. "Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht", sagte sie ohne Einleitung, "aber die Ideen, wie ich mich der... Gathering erklären könnte, sind bestenfalls unausgegoren. Was hat Euch dazu bewogen, Euch diesem, äh, Kult anzuschließen?"

Arranges stutzte, als er eigentlich zum ersten Mal etwas über das Alter Erynns erfuhr. Es ist jedes Mal wieder ein komisches Gefühl... Sie sieht aus, wie ein Mädchen Anfang der 20 und ist doch so viel älter als ich...
'Nun, was eure Vorstellung angeht, so ist das nicht besonders schwer, ich war schon öfter dabei, als Anwärter in den Novizenstand erhoben wurden... ich werde euch dabei unter die Arme greifen und das meiste für euch erledigen...' Arranges seufzte leise. 'Ja, was hat mich dazu bewegt, mich der Nekromantie zuzwenden? Das hat bei mir eigentlich mehr eine praktische Seite, als irgendwie etwas, das man Leidenschaft nennen könnte, so wie etwa Daedranhänger ihre Kulte ausleben. Ich bin zwar geübt im Umgang mit der Klinge, aber bestimmt ist euch ein ums andere Mal aufgefallen, dass ich mich nur auf die Taktik mit dem Schwert an sich vestehe... Ein untoter Diener oder auch ein Daedra vor sich zu wissen, der alles hinnimmt, was ich befehle und sich ohne Wenn und Aber meinen Feinden entgegenstellt, ist dabei eine sehr gute Sache. Ein sehr viel geringerer Teil macht dabei das Ringen mit der gerufenen Seele an sich aus. Ich habe eine gewisse Freude daran, mich mit meinen Dienern zu messen und ihnen zu zeigen, dass sie nicht nur einer Witzfigur dinen müssen, sondern, dass ich sehr wohl würdig bin, sie zu kontrollieren... mein Interesse an Nekromantie hat also auch etwas mit Machtausübung zu tun... ich weiss gerne, was um mich herum geschieht und will mir sicher sein, etwas zu meinen Gunsten beeinflussen zu können... wenngleich ich es dann nicht auch ausnutze... ihr versteht?' Er überlegte einen kurzen Moment, bevor er weitersprach: 'Warum ich mich der Gathering angeschlossen habe ist einfach zu erklären, ich habe erst zwei Jahre frei studiert, wenn ihr so wollt. Habe viele andere Nekromanten und Druiden kennengelernt... aber ich wollte die Nekromantie in ihrer reinen Form gelehrt bekommen... die erste Überlegung führte mich zu den Totenbeschwörern um den Blutwurmkönig, aber mal im Ernst, das sind bestenfalls schlechte Aushilfsmagier... unglaublich, was diese Dilettanten als Nekromantie bezeichnen... Als ich das gegenüber einer meiner Bekanntschaften einmal geäußert habe, es war eine junge Kaiserliche, hübsch und auf ihre Weise einfühlsam, riet sie mir, mit ihr zu kommen... es war Torrah, die mich zur Gathering brachte...'

Torrah... immer wieder Torrah. Kann dieses schreckliche Weib nicht einfach tot und vergessen bleiben? Sie beschloß, nicht darauf einzugehen, war aber gleichzeitig zufrieden darüber, mit ihrer Einschätzung des Kaiserlichen recht gehabt zu haben. Ja, Macht. Du willst nicht nur alles kontrollieren, sondern auch, daß jeder weiß, daß du es kannst. Selbst deinen Beschwörungen mußt du diese Tatsache noch einmal reinwürgen... aber warum? Sie fragte Arranges danach. "Wieso tut Ihr das? Eure Macht gegen die der Dienerkreaturen zu setzen, meine ich. Reicht nicht die Tatsache, daß Ihr sie überhaupt rufen könnt um zu beweisen, daß Ihr sie kontrollieren könnt?" Verwundert über sich selbst stellte sie fest, daß die Antwort sie wirklich interessierte. "Oder ist es tatsächlich möglich, daß eine beschworene Kreatur Amok läuft, wenn der Wille des Magiers zu schwach ist?"

'Hmm... Ich habe während meiner Anfänge tatsächlich mal einen jungen Nekromanten kennengelernt, der seine Beschwörungen mit Hass steuerte... fragt mich nicht, wie er das tat, jedenfalls stellte er ihnen nicht seine Willensstärke gegenüber, sondern seinen Hass auf sich selbst und alles andere. Das Skelett, welches er vor meinen Augen rief, um mir zu zeigen, dass dieses Prinzip funktionierte, attackierte nach wenigen Minuten seinen Meister... Ich unterdrücke meine Beschwörungen nicht im eigentlichen Sinne, ich zeige ihnen nur, dass ich im Moment ihrer Existenz auf Nirn über ihnen stehe und somit die Befehlsgewalt habe... Würde ich dies nicht, würden sehr mächtige Kreaturen, wie etwa ein Lich, ein Daedroth oder ein Markynaz sich irgendwann von der Bindung zu mir losreissen und selbstständig handeln... niederere Beschwörungen sind dazu nicht in der Lage, da ihr Individuum schon im Reich des Vergessens dem anderer Seelen unterliegt...'

"Ja... das Reich des Vergessens und der Kampf der Seelen untereinander war ebenfalls eines der Dinge, die Torrah mir zeigte. Kein schönes Gefühl. Es scheint, als wußte sie Wahrheit und Lüge so geschickt miteinander zu verweben, daß die Illusion noch mächtiger wurde..." Erynn machte eine wegwerfende Handbewegung, als wollte sie die Erinnerung damit abschütteln. "Mit der Beschwörung verhält es sich also eher so, als wollte man ein Pferd ausbilden, hab ich das richtig verstanden? Rohe Gewalt führt zu einem störrischen Angstbeißer, aber wenn nicht klar wird, daß der Reiter ranghöher steht, hat man am Ende ebenfalls ein gefährliches Tier."
Mittlerweile hatten sie die ersten Ausläufer des Großen Forstes erreicht. Etwas störte die Elfin. Sie zügelte ihren Wallach und hob die Hand. "Still. Ich habe irgendwas gehört." Sie glitt aus dem Sattel und griff nach dem Bogen, spähte in das Gebüsch am Wegesrand. Und tatsächlich: etwas bewegte sich dort.
"Trolle." flüsterte sie Arranges zu. Zwei, die ich sehen kann. Sie beobachten uns ebenfalls."