Arranges brach sich seinen Weg regelrecht durch das Unterholz, er gab sich nicht die geringste Mühe, irgendwie leise oder vorsichtig zu sein. Ärger brodelte in ihm, aber noch gelang es dem Magier, diesen im Zaum zu halten. Als das filzige Buschgewirr immer dichter und höher wurde, konnte Erynn nicht mehr weiter und blieb stehen. Arranges wollte gerade erleichtert aufatmen, als der Zaunkönig bei ihren Worten wieder aufgeregt zu Piepsen und zu zwitschern begann... Er flog nochmal einige Meter voraus und verschwand zwischen den Bäumen. Auf der Stirn des Beschwörers, der hinter ihr stand, bildete sich langsam aber sicher eine tiefe Falte der Wut. Ich dreh dir den Hals um, wenn du jetzt weiterläufst... Aber genau das tat Erynn...

Es dauerte keine halbe Stunde, bis sie feststellten, dass das dichte Unterholz schnell abnahm... Sie schienen sich jetzt in einer vollkommen anderen Welt zu bewegen. Bis auf Gestrüpp dicht am Boden, war der Raum zwischen Grund und Blätterdach völlig leer. Ein tiefgrünes, Licht flutete von oben durch die Blätter und tränkte den Wald, in dem sich kein Lüftchen regte, die Zeit schien hier seit mehreren Jahrtausenden still zu stehen. Kein Tierlaut, kein Rauschen oder Rascheln war zu hören. Die Luft war dick, es roch irgendwie, fast schon angenehm, nicht penetrant nach Moder. Mächtige, von dunkelgrünen Flechten überwachsene Stämme standen breit gefächert auf dem moosigen Grund und hielten wie die Säulen in einer großen Halle das Dach des Waldes, von dem vereinzelt breite, dunkelgrüne, bis schwarze Filzteppiche herunterhingen. Einzig das Flattern des Vögelchens war zu hören und es klang beinahe störend, unangenehm laut, in dieser überwältigenden Ruhe...

Der Zaunkönig flog noch ein Stück voraus, bis er bei einem weiteren, sehr breiten Filzteppich kreiste und wartete, bis sie nachgekommen waren. Das Licht war zwar mittlerweile nur noch spärlich vorhanden, aber sofort fiel dem Nekromanten etwas Vertrautes an dem Filzteppich auf. Nein... und mir ist es die ganze Zeit nicht in den Sinn gekommen... Der Vogel flog um den jetzt gar nicht mehr so schlaff von oben herabhängend wirkenden, sehr breiten Moosteppich herum. Arranges hielt Erynn grob zurück, als sie versuchte dem Vogel zu folgen. 'Halt den Rand und beuge dein Haupt, wenn ich es tue... und mach keine Faxen!' Zischte der Kaiserliche eindringlich, dann ließ er sie los. Auf der anderen Seite war ein leises Zwitschern zu hören, dann eine lange Pause. 'Ahh... er hat also doch noch hergefunden... und seit er das letzte Mal hier war, vieles vergessen, was ich ihm erzählte...' Die Stimme, die zu hören war, wirkte, als würde die Kehle nur Luft aus den Lungen entweichen lassen, ein tatsächlicher Ton war gar nicht zu hören. Und doch waren die Worte voluminös und deutlich zu verstehen. Ein tiefes, jedoch nicht bedrohliches Grollen schwang in der Stimme mit. Ein Ruck ging durch den natürlichen Vorhang und plötzlich schien sich die ganze Waldkulisse vor ihnen zu bewegen. Auf dem Boden zu ihren Füßen rührte sich jetzt ein oberschenkeldicker, schuppiger Schwanz, den sie zuvor schlicht nicht gesehen hatten. Bewegung kam in die ganze Gestalt, bis sie sich einem gewaltigen Umriss, der sich absolut schwarz vor dem restlichen Forst abhob, gegenübersahen... Ein warmes, angenehmes Licht schien plötzlich von überall herzukommen und eine Lichtinsel inmitten der Dunkelheit des Waldes zu bilden. Die Gestalt des Argoniers war mächtig und hatte mit der Erscheinung jener Argoniere, die man sonst auf Tamriel antraf, nur mehr wenig gemein. Die Beine der Echse waren ihrer natürlichen Form Willen, im Sprunggelenk und Knie leicht angewinkelt, es sah ein wenig so aus, als würde er immer halb hocken, statt mit ganz ausgestreckten Gliedmaßen stehen. Was seine Größe jedoch nicht minderte. Arranges reichte dem Druiden gerade bis zum Brustbein. Aber die Gestalt war nicht nur groß, sondern wirkte aufgrund der Körperhaltung auch recht breit, vor allem die gewinkelten Knie, welche leicht zur Seite gespreizt waren, verstärkten diesen Eindruck. Auf dem kurzen Hals saß ein massiger Schädel. Eine makellos gleichmäßige Form ließ den leicht geneigten Kopf erhaben und unendlich wirken. Die leicht gebogene Linie des langen Nasenbeins beibehaltend, saßen leicht versetzt über den Augen auf beiden Seiten des Kopfes jeweils ein gewaltiges, makellos ebenes Horn, welches geradewegs nach hinten seitlich aus dem Schädel trat. Die großen, nackten Füße und die relativ großen Hände waren mit leicht gebogenen, jedoch nicht sehr langen Klauen bewehrt. Die einzigen beiden Kleidungsstücke, die der Druide am Leib trug, waren der Filzteppich, der als Umhang diente und ein breiter, vom Wetter gezeichneter Lendenschurz. Der Rest des Körpers wurde von feinen Schuppen bedeckt, deren Farbe je nach Körperteil wechselte. Der Bauch war hellgrün, während einzelne Schuppen am Kopf und auf den Armen dunkelblau waren und seltsame Muster bildeten, der Rest wechselte zwischen dunklem Braun und grün... Die Augen waren trüb und in die Höhlen eingesunken. Aber trotz dessen, dass Harchaxas uralt wirkte, fast blind zu sein schien, leuchteten im Zentrum der milchig getrübten Augen jeweils ein kaum wahrzunehmender, rotgelber, kleiner Punkt. Typische Dinge, die man bei einem Druiden vielleicht erwartete hätte, fehlten. Schmuck besaß und brauchte er nicht, genau wie vieles andere nicht. Lediglich ein kleiner Beutel hing an dem Band, das seinen Schurz um die Hüften hielt und ein eng geschnürtes, kleines Felltotem an einem Handgelenk.

Die Szene, wie der Argonier sie nur für einige Sekunden musterte, wurde lediglich von dem leisen Gezwitscher des Zaunkönigs wieder wachgerüttelt, der sich jetzt auf ein Horn des Druiden setzte und fröhlich und unbeirrt weiterzwitscherte. 'Arranges.' War wieder die langatmige, aber doch irgendwie warme Stimme zu hören, die wie ein surreal sanftes, weiches Donnergrollen über den Kaiserlichen und Erynn hinwegrollte, zu hören. 'Es ist eine Freude, dich wiedereinmal bei mir begrüßen zu dürfen...' Die Worte wirkten unglaublich zäh, obwohl der Druide mit ganz normaler Geschwindigkeit sprach. 'Es ist mir eine Ehre, euch besuchen zu dürfen Harchaxas...' Gab Arranges ehrfürchtig zurück und beugte sein Haupt. Erynn tat es ihm nach einer Sekunde des Zögerns gleich. 'Ihr... seid nicht allein gekommen... darf ich wissen welches Kind aus dem Schoße des Roten Berges ich ebenfalls in meiner Gesellschaft willkommen heißen darf?'
'Das ist Lady Erynn Releth... seit einiger Zeit meine Begleitung...'
'Ahhh... Erynnnnnnn... was für ein herrlicher Klang... kommt ein wenig näher Erynn...' Zögernd trat die Dunmer auf den Druiden zu. Wirkte Arranges schon recht klein vor dem massigen Körper, so ging die Elfe mit ihrer zierlich drahtigen Statur beinahe unter vor dem Leib des Argoniers. 'Ihr... habt ein schönes Gesicht Erynn und wunderbar reine Augen...' Wie zur Bestätigung stieß der Zaunkönig zwei hohe Töne aus und hüpfte einmal aufgeregt auf dem Horn auf und ab. '... er sagt, ihr habt ein gutes Herz... und was er sagt glaube ich... er ist viel zu klein um über etwas wie Lügen nachdenken zu können... es wundert mich fast ein wenig, da ihr mit jemandem wie Arranges unterwegs seid...' Erynn bekam nicht mehr als ein zögerndes Nicken zu Stande. 'Ahhhjaaa... ihr habt wie ich vor langer Zeit ebenfalls erkannt... dass sich hinter dem Nekromanten, den auch ich so nicht gutheiße, ein guter Mensch verbirgt... Arranges?'
'Ja Harchaxas?'
'Es gibt einen bestimmten Grund dafür, dass ihr vor einigen Tagen in meinen Wald eingedrungen seid und in der Siedlung Bleichersweg nach mir fragtet...'
'Nun ja, den gibt es... genau genommen gibt es zwei...'
'Nun mal langsam Arranges... habt ihr denn wirklich alles... vergessen, was ich euch beigebracht hatte?'
'Nein...'
'Gut, dann lasst die hektische, schmutzige Welt draussen vor sich hinrotten und denkt nach, bevor ihr mich um etwas bittet und denkt nochmals nach, bevor ihr mich um das Zweite bittet...'
'Ich brauche eine Auskunft von dir Harchaxas...'
'Eine Auskunft ist viieeel wert Arranges... sie kann sowohl Leid, als auch Freud bedeuten, habt ihr das reichlich überlegt?'
'Ja...'
'Dann will ich versuchen, euch Auskunft zu gebe, Arranges...'
'Ich brauche Auskunft über den Standort eines Oblivionstors... nur den Ort wo es steht, weiter...'
'Genug! ... Stellt nicht zwei Fragen auf einmal oder noch schlimmer, ihr stellt eine Frage und denkt dann, ihr müsst sie noch erklären, ich bin alt aber nicht dumm! ... Hmmmm... ich weiss zwar nicht, was ihr bei einem Obliviontor wollt, aber das ist mir im Grunde gleich, es war nicht Gegenstand unseres Gesprächs... ich komme gerade aus dem Süden... am äußersten Rand meines Waldes in der Nibeney habe ich die Kunde erhalten, dass sich wohl irgendwo eines im Dunkelwald aufgetan haben muss... ich bin mir selbst nicht sicher, aber das kann ich ändern, die Information scheint euch zu wichtig zu sein, als dass ich mich damit zufrieden geben könnte, euch nur eine halbe Antwort zu geben... Ich will euch die genaue Position sagen... sobald ich sie selbst weiss...' Einen Augenblick später segelte der Zaunkönig zwitschernd davon und verschwand im Wald zwischen den Stämmen. 'Aber bis es so weit ist, will ich euch und Lady Erynn einladen, meine Gäste zu sein...' Beide nickten sie. 'Gut... dann soll uns Speis, Trank und das Erzählen die Zeit verkürzen...' Ohne irgendeine Regung, ohne, dass der Argonier den Blick von den beiden nahm und ohne, dass sich sonst großartig etwas regte, bemerkte sowohl Arranges, als auch Erynn, dass sie nicht mehr allein waren. 5 Zweiglinge traten aus dem Schatten des Waldes hervor. Nur wenige Minuten später, saßen alle drei an einem Tuch, gewoben aus Gras, aber so fein wie ein Wolltuch - Erynn und Arranges nebeneinander, dem Argonier gegenüber - auf welchem sich zahlreiche exotisch wirkende Dinge befanden. Wildes Gemüse und Beeren in Hülle und Fülle...

'Nun, fehlt noch das Erzählen... Erynn, lasst mich ein wenig von euch wissen, bitte...' Erynn erzählte also von sich. Aufmerksam hörte der Argonier zu und stellte hin und wieder Fragen, bis sie allmählich zum Ende der groben Erzählung über ihr Leben und sich kam. 'Das soll genug für heute sein... Arranges, ihr hattet doch noch eine zweite Bitte... ich glaube, dass ihr reichlich darüber nachgedacht habt, also, stellt eure Frage...' Aber statt eines Wortes seitens des Kaiserlichen, sah der dem Druiden nur in die Augen. 'Hmm... es ist eine Schande, wie ihr zu manchen eurer Begleiter steht Arranges, aber auch das geht mich im Grunde nichts an...' Von hinten trat lautlos eine der Zweiglinge an Erynn heran, legte sanft ihre Hände auf die Schultern der Dunmer und strich dann mit einer zärtlichen und fast ein wenig verheißungsvoll und verführerischen Bewegung über ihre rechte Wange. In tiefen Schlaf gesunken, kippte Erynn nach hinten, wo sie von dem Zweigling aufgefangen und vorsichtig auf dem Boden abgelegt wurde.

Arranges indessen handelte mit dem Druiden aus, dass er auf Erynn aufpassen solle. Während sie das Für und Wieder diskutieren, kam der Zaunkönig wieder zurück und piepste aufgeregt. Der Kaiserliche erfuhr, wo sich das Tor genau befand. 'Aber seid auf der Hut Arranges, ich weiss nicht, was dort draussen wieder los ist, aber seit ihr bei Bleichersweg in meinen Wald eingedrungen seid, hat zweimal etwas abgrundtief Böses versucht hier ebenfalls hereinzukommen... irgendetwas hat eure Fährte aufgenommen... das ist im Übrigen auch der Grund, warum ich Erynn für euch in meinen Schutz nehmen werde...' Arranges bedankte sich ausgiebig und ließ sich dann von dem Vögelchen noch in der selben Nacht aus dem Wald auf die orangene Straße führen...