Arranges hatte gedankenverloren in die Flammen geblickt und sich eigentlich darauf eingestellt, in ein paar Minuten ein wenig Schlaf zu suchen. Aber als Erynn begann zu reden... und vor allem bei dem, was sie redete und ihn fragte, war er sofort wieder hellwach. 'Diese Schweine haben tatsächlich versucht, dir mit meiner Vergangenheit Angst zu machen...' Knurrte er nach einer Weile vor sich hin. Aber Arranges konnte wieder keinen Rückzieher machen, es war wie einige Tage zuvor, am Morgen nach dem Besäufnis... Erynn wusste irgendetwas und würde nicht Ruhe geben, bis er es ihr gesagt haben würde. Er sah auf und blickte der Dunmer für einige Herzschläge in die Augen. Sein Gesicht war hart und er sprach mit monotoner Stimme, aber die Wut, die in ihm brodelte, war deutlich zu spüren. 'Nein, ich habe nur etwas von diesem Gerücht, das ich ebenfalls länger kenne, gehört... Es gibt einige Novizen und auch Mentoren, die der Ansicht sind, dass ich kein normaler Mensch wäre... Von wegen Eisklumpen in den Adern, ein Steinbrocken in der Brust und ein Blick, bei dem das Blut sofort gerinnt, wenn er einen trifft...' Arranges lachte kurz trocken auf. 'Es ist auch praktisch nicht möglich, diese wie ich finde erheiternde Geschichte, totzukriegen... Sie wird ständig weitergegeben... und ja,' sein Gesicht verfinsterte sich nochmals; 'wenn man meine Vergangenheit kennt... oder wie einige, von denen die Ansätze für die Geschichten über mich stammen, bei meiner Aufnahme vor der Gathering dabei war, könnte man fast meinen, dass es wirklich so ist, wie die Gerüchte es besagen...' Er atmete einmal tief aus und ein. 'Ich wollte nicht, dass du das erfährst, Erynn... und es wiederstrebt mir auch jetzt, es dir zu sagen... andererseits jedoch vertraue ich dir auf eine andere Weise, wie es bei anderen der Fall ist... nur eines noch, wenn du gehen willst, tu das, aber bitte spring nicht auf und lauf schreiend davon...' Es hatte fast etwas Lustiges an sich, aber das Gesicht des Kaiserlichen blieb ernst. Es war eigentlich das erste Mal, dass er bewusst einer völlig unwissenden Person von seiner Vergangenheit erzählte. 'Wenn ich dir das erzähle, wirst du vielleicht ein paar Dinge verstehen, die dir zuvor mehr Kopfzerbrechen bereitet haben... Du weisst ja, dass ich in Cheydinhal gelebt habe. Als Kind eines Vaters, der legitim den Beruf des Zauberers ausübte. Er hat mir damals, als kleiner Junge, von vielleicht 7 oder 8 Jahren schon viel beigebracht... keine Nekromantie, wie du vielleicht vermuten würdest... es waren allgemeine Grundlagen, wie sie jeder andere Lehrling der Magie erlernt.' Schon bei diesen ersten Worten verlor das Gesicht des Beschwörers den harten Ausdruck und wurde mit jedem weiteren Wort trauriger. Das dunkle Loch in seinen Gedanken platzte einfach auf, ohne, dass er etwas dagegen hätte tun können. 'Ich war talentiert, wusste die Magie anzuwenden, konnte mit ihr umgehen... ich sollte später in die Fußstapfen meines Vaters als freier Magier an der geheimen Universität treten... Vaters Gebiet beinhaltete die Illusion und Veränderung, Zerstörungszauber waren auch noch dabei... er war immer mein Vorbild, stets wollte ich so sein wie mein Vater. Ich hatte als Kind bereits einen gesunden Ergeiz entwickelt... reagierte auf tadelnde Worte meines Vaters mit mehr Lerneinheiten... verspürte unbändige Freude, wenn meine Mutter Fortschritte lobte... ich hatte eine wunderbare Kindheit, unbeschwert und ohne Sorgen... bis zum 13. Jahr meines Lebens.... Mein... Vater versuchte sich an einem neuartigen Zauber, den er entwickelt hatte... irgendetwas ging jedoch schief...' Arranges stockte und schluckte hart. Seine Stimme war brüchig, als er weitersprach: 'Meine Mutter war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls im Keller... und dieser verdammte... Narr... der Zauber wurde... ging über in Feuer... die Flammen... sie... sie fraßen meinem... Vater das Fleisch von den Knochen... Mutter wurde nur halb von den Flammen erfasst...' Wieder musste Arranges innehalten. Fahrig strich er sich mit einer Hand über die Haare. Der Schein der Flammen spiegelte sich glitzernd in einer einzelnen Träne wieder, die dem Kaiserlichen über die Wange rollte... nach ein paar krampfhaft unter Kontrolle gehaltenen Atemzügen, zwang sich Arranges weiter zu reden, jedoch zitterte seine Stimme heftig: 'Ich werde nie... das Kreischen vergessen, als Mutter von... Flammen eingehüllt... am oberen Treppenabsatz... vor... mir... fiel... und vor... mir bei lebendigem Leibe verbrannte...' Eine zweite Träne lief über sein Gesicht. 'Ich konnte absolut nichts tun... sie starben einfach... und ich musste... hilflos zusehen... Vater... er hat einfach so... eine Lücke in mein Leben gerissen... dieser Narr!' Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Dann wurde seine Stimme wieder ein wenig fester: 'Ich wollte es nicht wahrhaben... ich war geistig noch lange danach völlig verstört, vieles wurde von einer Dunmer, einer langjährigen Ziehmutter, geregelt... die Leichen wurden jedoch nie beerdigt... ich habe ihr erzählt, dass sie komplett verbrannt worden waren... ich habe ihr einfach so ins Gesicht gelogen... und dann sind nur noch viele Lücken in meinem Gedächtnis... ich erinnere mich noch an ein Buch meines Vaters, das sich mit der Nekromantie beschäftigte, er hat es nie gelesen... aber ich habe aus einem perversen Gedanken heraus damit Mutter wieder zum Leben erweckt und... als Untote im Keller gehalten wie eine eingesperrte Ratte... Ich weiss auch heute nicht mehr warum... diese Kunst, veränderte mich... Von da an war ich nur noch jener, der für Dinge gebraucht wurde, die absolute Emotionslosigkeit erforderte, so auch die Folterung von Drimofinya... sie war mir eine gute Freundin während der Schülerzeit bei der Gathering... bis sie abtrünnig wurde... sie hatte eine ähnliche Lücke hinterlassen... wie Vater und Mutter... auch bei ihr konnte ich nichts tun um sie am Leben zu erhalten... so auch viele andere Dinge... ich habe das immer einfach angenommen, ohne mir Gedanken darüber zu machen... es war für mich immer besser, alles so zu halten, wie man es gern von mir gesehen hatte... alles, worauf ich Einfluss gehabt habe, war für mich besser, als noch einmal... so eine... so ein... im Keller... ich...' Dann übermannten ihn seine Gefühle und Erinnerungen an seine Kindheit vor dem Tod seiner Eltern. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Vereinzelte, unterdrückte Schluchzer waren als Begleitung zu dem krampfhaften Zucken seines Brustkorbs zu hören...

Also doch... Sie saß eine Zeitlang nur da wie vor den Kopf geschlagen. Es war entsetzlich, einfach nur krank! Und doch... eine so verzweifelte Tat. Es widersprach allem, was sie je gelernt oder geglaubt hatte, mehr noch,es war das schwerste Verbrechen nach dem Wenigen, das sie an Überlieferungen aus ihrem Heimatland kannte. Dennoch fühlte Erynn sich außerstande, den Stab über ihrem Begleiter zu brechen.
Das also ist deine Geschichte... Das ist die Wunde, die in deiner Seele schwärt. Vor unser aller Augen, mitten in Cheydinhal. Und niemand hat irgendwas gesehen, irgendwas bemerkt... Weil verflucht noch mal niemand irgendwas bemerken wollte! Heißer Zorn spülte durch ihren Kopf und ließ nur Verachtung übrig. Verachtung für sich selbst, Verachtung für die dummen, gleichgültigen Leute von Cheydinhal. Ja, es war eine furchtbare Tragödie... über die man sich ein paar Wochen lang das Maul zerreißen konnte, um dann zur Tagesordnung überzugehen. Aber wirklich zu handeln, einen Blick hinter das Augenscheinliche zu werfen, war wohl zu viel verlangt. Was hätte alles verhindert werden können, wenn wir uns nicht so bequem in unserem oberflächlichen Mitleid eigerichtet und stattdessen wirkliche Anteilnahme gezeigt hätten? Wie erbärmlich... wie endlos, unverzeihlich erbärmlich!
Es gab keine Worte, die sie hätte sprechen können. Keine Entschuldigung für sein Handeln, doch sie war sich sicher, daß Arranges auch keine Absolution suchte. Diese Bürde würde er tragen müssen, bis in den Tod und vielleicht auch darüber hinaus.
Erynn ging neben ihrem Begleiter auf die Knie, legte ihm einen Arm um den Rücken, die andere Hand in seinen Nacken und barg seinen Kopf an ihrer Schulter. "Ich gehe nicht weg", flüsterte sie, "gewiß nicht. Nicht nach allem, was wir durchgestanden haben..."

Arranges lehnte eine ganze Weile schluchzend an der Schulter der Dunmer. Irgendwann war er einfach nur noch erschöpft. Seine Tränen waren längts alle geweint und seine Stimme war rauh. Er löste sich aus den Armen der Dunmer, blieb aber direkt bei ihr sitzen. Ihm war kalt, aber es war eine andere Kälte, nicht jene, die er so einfach mit seiner Magie vertreiben konnte... Er fühlte sich schutzlos... Erynn aber schien eine Wärmequelle darzustellen, die diese andere Kälte auf Abstand hielt... Er dachte nichteinmal daran, irgendwie von der Dunmer abzurücken, ihre Nähe spendete so wunderbar warmen Trost. 'Nun weisst du, warum ich so... bin. Diese Geschichte war nicht nur Grundlage für die Gerüchte, die da kursieren, sondern ist auch gleichzeitig Aushängeschild für den Mentor Arranges Moryn... und trotzdem musste ich wie jeder andere auch, das Kaltblutritual durchlaufen...'

Erynn schwieg, während sie abwartete bis Arranges sich beruhigte. Ihre Gedanken wanden sich weiterhin auf verschlungenen Pfaden, die zu keinem Ziel führten. In dieser Sache schien es keine Antworten zu geben. Sie sah auf, als der Beschwörer wieder zu reden anfing. Er schaute sie nicht an, sondern blickte auf einen unbestimmbaren Punkt in der Ferne. "Ja", antwortete sie, nachdem er geendet hatte. "Zweimal." Dann zog sie die Augenbrauen leicht zusammen. "Was ist das für ein... Ritual?"

Arranges seufzte bei ihrer Frage. 'Dieses Ritual muss jeder Novize durchlaufen, sobald er von einem Meister anerkannt wird, den Titel eines Mentors zu tragen... Das Ritual ist Pflicht für jeden, es gibt keine Sonderregeln oder Ausnahmen... Das Ritual selbst dient dazu, Emotionen einfach abzuschalten... Mir wurde mal erzählt, dass jene, die sich zu Botschaftern machen lassen, dieses Ritual in häufiger Regelmäßigkeit durchlaufen... Das Ritual findet in einer Art kleinen Arena in den Ratshallen in Morrowind statt... Der Novize wird dabei von den Großmeistern so mit Zaubern vollgepumpt, dass er übernatürlich stark wird und eine heftige Aggressivität entwickelt. Ein Gefangener, meist irgendein Abtrünniger, wird in die Arena geschickt, vollgestopft mit Drogen, die die Angriffslust steigern. Der Novize muss den anderen nun umbringen... mit bloßen Händen... Man braucht dafür nicht zu überlegen, die Zauber zwingen einen dazu dies zu tun... Das Ergebnis, welches die Großmeister dabei sehen, sagt ihnen wohl, ob der Novize tatsächlich bereit ist Mentor zu werden oder nicht... Ich weiss nicht genau, was sie da wirklich sehen, ich weiss nur, dass... besondere Ergebnisse, ich vermute dabei, wie die Novizen töteten, nicht innerhalb der Gathering öffentlich kundgetan werden... Bei mir wurde das erste nicht offengelegt... das zweite nur halb... das allein ist aber oft schon Information genug... Ich mochte aber weder das erste Ritual, noch das zweite... viele hegen eine Abneigung gegen das Kalblutritual...'

Die Elfin stützte ihren Kopf schwer in beide Hände. Das wird ja immer schlimmer... Meine Güte, was für ein verdammter Saustall! "Aber die Gefühle werden nicht dauerhaft ausgelöscht... und nicht vollständig. Wäre dem so, wären die Leute, die es durchlaufen hätten, nur noch antriebslose, willenlose Schatten. Somit ist es mehr ein Kontrollinstrument, um die eigenen Leute auf Linie zu halten - durch Verstörung. Warum tut ihr euch das eigentlich alles an? Genügt es nicht zu wissen, daß sich jemand der Nekromantie verschreibt? Wohin sollte sich jemand mit dieser... Profession schon sonst wenden, wenn er nicht in Rattenlöchern hausen und gejagt werden will wie die Anhänger des Wurmkönigs?"

'Warum sich das andere antun weiss ich nicht, ich habe keine Ahnung, aus welcher Überzeugung heraus sich jemand anderes der Gathering anschließt und dieses Ritual durchläuft... Ich kann nur von mir sprechen... Während meiner Zeit als Schüler hatte sich eine recht große Leidenschaft für die Nekromantie entwickelt... Die Leidenschaft ist jetzt allerdings nur mehr ein Relikt aus diesen Tagen... jedenfalls war ich damals regelrecht beflügelt von dem Gedanken, Mentor zu werden... Der Weg dorthin führte nunmal durch die Arena, ich lehnte das Ritual ganz offenkundig ab und das ist unter Schülern, die Mentor werden, nichteinmal selten... aber es war eben ein notwendiges Übel... warum ich es ein zweites Mal machen musste lag wohl daran, dass ich als Mentor nach so vielen Jahren wieder etwas zu viel Menschlichkeit entwickelt hatte... Meister werden bei sowas nicht mehr mit dieser Sache behelligt... es gibt Meister, die Zeichnen, stundenlang vor ihrem Anwesen sitzen und ins Grüne starren oder schlicht abends mit ein paar Schülern zusammensitzen und sich über höchst philosophische Dinge unterhalten. Angehenden Mentoren, denen, die es schon sind und den Botschaftern wird diese Freiheit der Gefühle nicht gewährt... Novizen im Grunde auch nicht, aber sie werden eher als unbehauene Steine angesehen und so ist es von Meister zu Meister unterschiedlich, ob die jeweiligen Schüler zur Kälte erzogen werden oder nicht... Möglicherweise ist es ein Kontrollinstrument... aber selbst wenn, würde es meinen Posten als Mentor sichern, würde ich es wieder durchlaufen nur um bei der Gathering ohne nachfolgende Schwierigkeiten bleiben zu können...es ist wie du sagts Erynn... Ist man einmal dabei, kann man nirgendwo anders mehr hin...'

Erynn ließ den Atem in einem langen, langsamen Stoß entweichen. "Das ist in der Tat keine sehr umfassende Erklärung, aber vielleicht gibt es auch keine, wie das bei Traditionen häufig der Fall ist... vergiß am besten, was ich gesagt habe - es ist gefährlich so zu reden, vor allem in Zeiten wie diesen. Es ist einfach, wie es ist, nur... das ist alles so fremd für mich. Unter Kämpfern ist es närrisch, die Dinge komplizierter zu machen, als sie ohnehin schon sind. Man muß schnell handeln und schnell reagieren, und es kann tödlich sein, wenn der Kopf mit irgendwelchen Dingen belastet ist, welche die Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Daher wohl das Klischee vom hirnlosen Schläger..." Sie zögerte kurz. "Es mag jetzt seltsam klingen, aber... hast du irgendwas Eßbares dabei? Ich habe seit vier Tagen nichts gegessen und wenn das so weitergeht, kippe ich gleich einfach um."

'Hmm... kämpfe ich dir also zu träge und langsam?' Fragte Arranges und ein spöttisches Grinsen huschte über sein Gesicht. 'Warte, ich werd mal sehen, was ich dabei habe...' Er stand auf und kramte kurz in den Satteltaschen. Als er sich wieder neben Erynn setzte - ungewöhnlich direkt neben sie, er schmiegte sich beinahe an ihre Seite - hielt er ihr den üblichen Reiseproviant hin. 'Ich würde dir ja gerne etwas anderes bieten...' Entschuldigend schaute er ihr in die Augen. Erynn war wohl trotzdem dankbar und nahm den Proviant an. Arranges blickte in die Flammen des Feuers, während Erynn aß. Er ertappte sich dabei, wie er zweimal einnickte... sein Körper forderte den Schlaf immer energischer ein. Beim dritten Mal wachte Arranges nicht mehr auf. Den Kopf auf der Schulter der Dunmer, schlief er schließlich friedlich ein...