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Fossil
Skingrad
Hinkend schleppte sich die Dunmer zum Gildenhaus. Sie freute sich, wieder dorthin zu kommen, was sie der Einfachheit halber als Zuhause bezeichnete, und sei es nur für einen kurzen Zwischenstop. Angenehm vertraute Gerüche und Geräusche umfingen sie, als sie durch das Eingangsportal trat. Sie traf Bok Gro-Khuran im Speisesaal an, scheinbar war der Ork in der Skingrader Niederlassung hängengeblieben, ebenso wie sie. Er begrüßte die Elfin freudig, sah allerdings angesichts ihrer Erscheinung von einem kräftigen Schlag auf ihren Rücken ab. Stattdessen stellte er sich auf den unteren Treppenabsatz und brüllte nach Parwen, daß die Wände wackelten. Erynn lächelte in sich hinein. Ja, sie war wieder daheim...
Nach einigen Augenblicken kam die Waldelfe die Treppe heruntergeflitzt. Ihr freudiges Grinsen erstarrte, als ihr Blick den ihrer Freundin traf. Die Begrüßung fiel daraufhin eher pragmatisch aus: „Wie siehst du denn aus?!“ fragte die Bosmer konsterniert, zog einen Stuhl heran und ließ sich darauf fallen. Erynn winkte ab. „Eins nach dem anderen. Erstmal bin ich froh, wieder hier zu sein – auch, wenn ich wohl nur kurz bleiben werde.“
„Wieso? Hat dich die Wanderlust gepackt? Was hast du in den vergangenen Wochen eigentlich getrieben?“
„Jagen hauptsächlich. Bären und Wegelagerer.“ Nun, so ungefähr jedenfalls.
Parwen sah sie ungläubig an. „Wegelagerer. Du. Erynn ‚normalerweise-gibt-es-für-fast-jedes-Problem-eine-friedliche-Lösung’ Releth. Bist du betrunken?“
Sie grinste schief. „Nein. Aber ich wäre es gerne.“ Sie senkte die Stimme und warf sowohl der Bosmer als auch dem Ork einen Blick zu. „Hört zu, ich hab das Rumhängen nicht mehr ausgehalten. Also hab ich mir gedacht, daß ich auf eigene Faust losziehe... Sagt Ah-Malz nichts davon, daß ich mich hier langweile. Er grübelt auch so schon genug, und wahrscheinlich ist es ihm ohnehin klar...“ Zustimmendes Nicken. Der Ork verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und besorgte Met, während Erynn ihre Freundin danach fragte, was in letzter Zeit in der Stadt geschehen war. Das Übliche: Die Weinlese war fürs erste durch, die Außenwände der Kapelle wurden gerade renoviert, vor der Stadt war ein Mord geschehen, für den man demnächst wahrscheinlich die Bäckerstochter aufknüpfen würde. Die Stadtwachen faselten in dem Zusammenhang irgendwas von ‚Eifersucht’. Vom Grafen hatte man nichts gehört oder gesehen. Skingrad blieb Skingrad.
„Und was ist jetzt mit deinem Arm passiert? Und... deinem Fuß?“ löcherte die Waldelfin sie nun, als Bok zurückkehrte und ihnen allen einschenkte.
Erynn zögerte. „Ein Oger. Zum Glück war ich nicht allein unterwegs, sonst würde ich hier nicht sitzen...“
„Wer hat dich denn begleitet?“
„Ein Abenteurer, dem genauso langweilig war wie mir...“
„Der Kerl, der vor ein paar Wochen hier war?“ schaltete der Ork sich ein.
„Mhm.“
„Was für ein Kerl?“ Parwen machte große Augen.
„Wie gesagt, ein Abenteurer...“
„Ach?“
Erynn hob abwehrend die rechte Hand. „Wenn du anfängst Gerüchte zu streuen, verhau ich dich!“
„Ja, sicher.“ Die Bosmer grinste.
Damit war das Thema erledigt. Die Dunmer erzählte ein wenig von der Gilde in Anvil und darüber, daß es dort im Zweifelsfalle genug zu tun gäbe, hörte sich im Gegenzug einige Geschichten des Orks an, der wohl in Skingrad bleiben würde, um Grünschnäbel im Nahkampf zu trainieren. Irgendwann, es war schon recht spät, erhob sich Erynn. Sie war längst nicht mehr ganz sicher auf ihren anderthalb Füßen, aber der Abend hatte nicht unerheblich dazu beizutragen, sie aus diesem seltsamen, fast traumwandlerischen Zustand zu holen, der sie befallen hatte als sie den Finger verlor und seitdem wie eine kalte Hand um ihr Herz lag. Parwen bestand darauf sie zu stützen, während sie auf ihr Zimmer ging. Bok sah sich das Schauspiel gefühlte fünf Herzschläge lang mit an, warf sich die Dunmer dann kurzerhand über eine massige Schulter und setzte sie vor ihrer Kammer wieder ab. Söldner waren einfach weniger kompliziert als Magier. Viel weniger. Wie praktisch.
Am nächsten Morgen machte Erynn sehr früh auf den Weg zur Kapelle. Sie wollte diese verdammte Sache hinter sich bringen, so lange sie noch im Halbschlaf war. Zögernd trat sie durch das reichverzierte Portal in das hohe Mittelschiff der Andachtshalle. Ihre Schritte hallten von den Steinfliesen wieder, und sie sah sich ein wenig ratlos um. Man verwies sie schließlich an eine junge Heilerin, welche die Elfin in eine kleine, aber angenehm warme und helle Kammer führte. Als die Frau die Bandagen um ihre Hand löste, hielt die Bogenschützin den Atem an.
Es sah... seltsam aus. Schmal wie die Hand eines Schreiberlings, trotz der Schwellungen, die noch um die Wunde herum waren. Wo der Feuerzauber das rohe Fleisch direkt berührt hatte, hatte es sich weiß verfärbt und mittlerweile eine rissige Kruste gebildet, die an mehreren Stellen näßte – natürliche Resistenz hin oder her. Erynn war einigermaßen entsetzt. Das ist ein Anblick, an den ich mich erst noch werde... gewöhnen... müssen. Sie schüttelte sich unwillkürlich. Die Heilerin versorgte die Verletzung, indem sie ihre Hände darumlegte und eine Art magischen Impuls aussandte. Die Dunmer spürte, wie sich das geschundene Gewebe regenerierte und wieder fest verknüpfte. Es war nicht unangenehm, auch wenn es einen Moment lang scheußlich juckte.
Ihr Unterarm wies zwei deutliche Knicke auf und begann höllisch zu schmerzen, sobald die improvisierte Schiene entfernt war. Erynn stellte sich gerade mental auf eine weitere Tortur ein, als die Klerikerin ihre Hände federleicht auch auf diese Stellen legte und ein hochkonzentrierter, abwesender Ausdruck in ihr Gesicht trat. Sie bewegte einzelne Finger ein wenig, und die Elfin spürte Knochenenden übereinanderschaben, nur für den Bruchteil eines Herzschlags, dann war es vorbei. Die Heilerin wies sie an, die Schiene noch eine Weile zu tragen, verfuhr mit dem Fußgelenk auf ähnliche Weise und entließ sie dann. Die Kriegerin forschte kurz im Gesicht der Frau. Ihr vorhin noch so frisches Antlitz wirkte jetzt erschöpft, als hätte sie bereits einen langen Tag hinter sich. Alles in allem war Erynn jedoch kaum eine halbe Stunde bei ihr gewesen. Magie, wunderte sie sich einmal mehr und schüttelte den Kopf. Mittlerweile wußte sie selbst, wie kräftezehrend der Umgang damit sein konnte, selbst wenn man dafür kaum einen Muskel bewegen mußte.
Zurück im Gildenhaus badete sie ausgiebig, vervollständigte ihr Ausrüstung und aß etwas. Dann legte sie sich schlafen, wenngleich der Mittag gerade erst vorüber war. Sie hatte es sich verdient, befand sie.
Erynn hob den Kopf, als ein dezentes Klopfen an ihrer Zimmertür sie weckte. „Wasn? ...Komm rein.“ Armand streckte den Kopf zur Tür herein. „Da ist ein Kaiserlicher, der Euch sprechen möchte. Er sagt, sein Name sei Arranges.“ Erynn ließ sich wieder auf die Matratze fallen und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Auch das fühlte sich seltsam an. „Sag ihm, ich bin unterwegs“, nuschelte sie undeutlich, erhob sich schließlich und quälte sich in ihre Rüstung. Die Handschuhe klemmte sie hinter ihren Gürtel. Den einen würde sie noch umändern müssen. Mit einiger Mühe und mehr Gefluche wickelte sie ihre Linke wieder in ein paar Leinenstreifen ein. Sie hatte sich den Rest des Tages redlich bemüht, den fehlenden Finger zu ignorieren, aber noch ertrug sie es nicht wirklich, ständig auf die Verstümmelung sehen zu müssen. Nachdem das erledigt war, klemmte sie ihr Gepäck unter den Arm und trabte die Treppe zur Eingangshalle herunter. Sie lächelte, als sie den Beschwörer erblickte, auch, wenn noch immer die Müdigkeit aus ihren Augen sprach. „Guten Abend“, begrüßte sie ihn. „Ich hätte dich heute gar nicht mehr erwartet.“ Dann winkte sie ihm, ihr aus dem Gildenhaus hinaus zu folgen. Was nun gesprochen werden würde, war nicht für die Ohren ihrer Söldnerkollegen bestimmt.
Geändert von Glannaragh (24.03.2011 um 19:20 Uhr)
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