Erynn war froh, als sie endlich wieder unterwegs waren. Sie schlugen ein scharfes Tempo an, getrieben von dem Wunsch, so schnell wie möglich einigen Abstand zwischen sich und den Stützpunkt zu bringen.
Der Weg über die Pässe war auch diesesmal eine Kraftprobe für die Elfin, doch ohne Unwetter ließ es sich irgendwie ertragen. Vier Tage, nachdem sie das Haus der Gathering verlassen hatten, waren sie wieder in Cyrodiil. Sie schichtete gerade Holz für ein Lagerfeuer auf, als Arranges sich endlich dazu durchrang die Nachricht zu lesen, die Vaiolenna überbracht hatte. Erynn verzog sich eine für eine Weile, nachdem sie das Feuer entzündet hatte. Erstens mußte sie zur Abwechslung etwas anderes sehen als ihren muffeligen Begleiter und zweitens war sie die Reiserationen leid. Nach etwa einer halben Stunde kam sie mit zwei frisch erlegten Kaninchen zurück, die sie an einem nahen Baum aufhängte. Was steht in dem Brief?“ fragte sie, während sie die Beute aufbrach.

'Hmm?' Arranges sah auf, er hatte nur am Rande registriert, dass Erynn fortgegangen war. 'Achso... Naja, sehr viel Aussagekraft haben die Informationen nicht... es wird beschrieben, wie die Siegelsteine aussehen und wie wir an sie herankommen, wenn wir durch ein Tor treten. Ein wenig über die Ebenen Mehrunes Dagons steht auch noch dabei, aber sonst nichts weiter...' Arranges blickte vor sich auf den Boden und ließ die Hand mit dem Brief sinken.

Erynn antwortete nicht sofort, legte stattdessen die Innereien auf einem flachen Stein ab. "Es ist den Großmeistern also tatsächlich ernst damit... Vor ungefähr zwei Monden habe ich noch mit einer Freundin darüber gesprochen, daß ich niemals einen Fuß in so ein verdammtes Tor setzen würde. Sieht nicht so aus, als würde ich mich jetzt noch darum drücken können, oder?" fragte sie ohne Hoffnung.

Arranges legte den Brief auf die Satteltasche neben sich und stand auf. 'Ich habe auch wenig Lust dazu, Erynn... Aber ich kann mich dieser Sache nicht entziehen. Es war so auch nicht geplant, ginge es nach mir, wärd ihr mich spätestens zwei Wochen, so dachte ich, wieder los...' Er tat einen zögerlichen Schritt auf sie zu. 'Ich kann eure Sorge verstehen... ich frage euch auch nicht, ob ihr mit mir zusammen die Tore betretet. Mir fällt sicherlich etwas ein, das euer Ausbleiben rechtfertigen würde...'

Sie schüttelte müde den Kopf. "Nein, schon gut. Ich habe Angst, sicher, aber ich bin kein Feigling... davon abgesehen: Ihr habt die Versammlung ohnehin schon verärgert, und wirklich von mir überzeugt schienen sie auch nicht zu sein. Sähe nicht gut für Euch aus, wenn ich mich direkt ihrem ersten Auftrag verweigerte." Erynn sah von ihrer Arbeit auf und drehte sich zu dem Beschwörer herum. "Was sollten eigentlich all diese seltsamen Fragen, die man mir gestellt hat? Was ist so komisch daran, daß ich mit Vvardenfell nichts mehr zu tun habe? Und überhaupt..." sie verstummte.

'Also ersteinmal wurde mir diese Sache aufgetragen, aber wenn ihr mitkommen wollt, gut. Ich verbiete es euch nicht...' Er machte eine wegwerfende Geste. 'Diese Fragen sind im Großen und Ganzen völlig belanglos... Seid froh, dass es nur die normal unzusammenhängenden Fragen waren... Wenn ein paar der Gathering einen schlechten Tag erwischen, nehmen sie die neuen Schüler regelrecht außeinander. Dort unten haben sich schon Mentoren vor ihre neuen Schüler gestellt, weil diese zusammenbrachen und vor lauter schluchzen, nicht mehr im Stande waren zu antworten. Ich habe glücklicherweise nicht um sonst gehofft, dass ihr keinen dieser Kreuzverhöre erleben musstet... Und darüber, ob ihr gut genug seid oder nicht, macht sich die Gathering keinen Kopf. Es ist allein an mir zu entscheiden, ob ein Schüler etwas taugt... entsprechend werde auch hauptsächlich ich davon erfahren, wenn den Großmeistern etwas an euch nicht zusagt. Ich bin dafür verantwortlich, dass mein Schüler lernt und vorwärts kommt, damit er bald von einem Meister gelehrt werden kann... Daran, dass ihr offensichtlich nichts mehr mit dem Land eurer Geburt zu tun habt, ist nichts komisch, zumindest nicht für die Gathering... aber es gibt einige Meister, die sehr patriotisch geprägt sind und es zum Teil verwerflich finden, was ihr auf diese Frage geantwortet habt, daher die unterschwellige Empörung...' Er blickte sie einen Moment fragend an. 'Und? Was meintet ihr noch mit und überhaupt?'

Erynn wandte sich wieder dem Kaninchen zu und begann damit, den Balg abzuziehen. "Wo fange ich am besten an?" Und ab welchem Punkt sollte ich besser aufhören? "Zunächst einmal: Was ist bei diesem Haufen... bei der Gathering eigentlich los? Drei Meister sind samt ihren Untergebenen desertiert - nicht schön, zugegeben. Aber warum verwandelt sich daraufhin die komplette Versammlung in einen Stall voller kopfloser Hühner? Ich meine, es gibt noch weitere Meister und Großmeister, die ebenfalls jeweils einen eigenen Stab an Leuten haben dürften. Warum gehen sie nicht hin und schaffen das Problem aus der Welt, anstatt Euch auf diese Himmelfahrtsmission zu schicken? Was wollen die mit den Siegelsteinen?" Mit einem letzten Ruck zog sie das Fell ab und sah Arranges wieder an.
"Ich weiß, daß Ihr Euch ebenfalls darüber geärgert habt - war nicht zu überhören. Wollten Euch die Großmeister damit nur eins reinwürgen, weil Ihr sie brüskiert habt?"

'Das Problem kann nicht einfach mit einem Schwerthieb gelöst werden. Natürlich könnte man einige der verbliebenen Meister abkommandieren um die Schüler, Mentoren und das ganze Gefolge zu töten. Aber die Meister können nicht getötet werden. Sie verfügen in ihrer Funktion eben als Lehrmeister bereits über zu viel Wissen und Macht, dass sie einem Schwertstoß in ihre Richtung selbst dann nur ein müdes Lächeln schenken könnten, wenn die Klinge sie tödlich treffen würde... Sie sind den Großmeistern nur wenig unterlegen, aber trotzdem mächtig genug um der Gathering einfach zu trotzen. Es gibt unter all den Mitgliedern vergleichsweise nur wenige, die es wie ich verstehen, Daedra zu rufen... Der Schluss daraus wird dann ersichtlich, wenn man als Beschwörer weiss, dass Untote sich gegen Daedra nur schwer behaupten können und oft den Kürzeren ziehen. Das gilt natürlich im gleichen Zug auch für die Magie, die sich dahinter versteckt. Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob man jetzt einen untoten Diener ruft oder ein Monster Oblivions beschwört... Ich denke die Großmeister hoffen, dass sie die Meister mit der andersartigen Magie eines Siegelsteins irgendwie vernichten können, fragt mich aber nicht, was genau dahintersteckt.' Er setzte sich wieder ans Feuer. 'Warum gerade ich dazu erwählt wurde, die Siegelsteine zu beschaffen, kann ich mir ebenfalls nur so erklären, dass mein Wissen über die vielfältigen Seelen der Daedra wohl ausreicht um mich gegen diese Dämonen, die in den Oblivionebenen lauern, behaupten zu können... Achja und als Nebeneffekt dieser Aufgabe begrüßt es die Gathering natürlich, dass ich nicht gleich die Gelegenheit haben werde, mir den neuen Mentor, der zweifelsohne in den nächsten Tagen seinen neuen Rangplatz einnehmen wird, anzusehen und sehr wahrscheinlich wieder seines Amtes entledigen werde...'

Die Elfin seufzte. Und damit wären wir wieder an dem Punkt angekommen, der ich beim besten Willen nicht verstehen kann. Sie nahm die Kaninchen aus dem Baum und warf dem Kaiserlichen eins davon zu. "Abendessen. Braten müßt Ihr es selber." Daraufhin hockte sie sich an das Feuer.
"Ihr seid ein sturer Bock, Arranges. Meint Ihr nicht, daß sich ein neuer Mentor nach der Sache mit Torrah sehr genau überlegen würde, Euch in die Quere zu kommen? Warum fällt es Euch eigentlich so schwer, jemanden neben Euch zu dulden?" Sie legte den Kopf schief. "Ich wüßte es wirklich gerne. Sobald Euch jemand zu nahe kommt, beißt Ihr zu. Das ist einfach keine gesunde Einstellung."

'Danke...' Meinte Arranges und begann damit sein Schwert umständlich aber brauchbar zum Bratenspieß umzufunktionieren. Auf ihre Frage antwortete er nicht gleich, sondern starrte einige Augenblicke nur schweigend in die Flammen. 'Ihr denkt also, dass es besser wäre, das Risiko einzugehen, sich belügen und hintergehen zu lassen?'

Sie dachte über die Frage nach. "Ich würde sagen, ja. Tatsächlich hat mich aber auch noch niemand wirklich bösartig hintergangen. Ich rede auch nicht davon, jedem Dahergelaufenen gleich die Freundschaft anzubieten, das wäre in der Tat närrisch. Ich weiß aber gerne, daß es im Notfall ein paar Leute gibt, auf die ich mich verlassen kann. Nur, um solche Leute zu finden, ist ein gewisser Vertrauensvorschuß von Nöten. Ein Risiko also, um Eure Worte zu benutzen. Andererseits: Ihr geht andauernd Risiken ein, oder nicht? Zum Beispiel, um dieses Buch zu finden. Und dann wieder, um es zu lesen, bevor wir verstanden hatten, wie man dieses Böse... wasauchimmer daraus entfernen konnte. Da hätte jede Menge schiefgehen können, und Ihr habt Euch trotzdem daran gewagt. Wo ist der Unterschied?"

'Ihr habt in mancher Hinsicht sicherlich recht, aber das, was ich meine, mit dem Risiko des Buches zu vergleichen, ist dumm. Das Risiko, das ich eingegangen bin, als ich mich daran machte, den Folianten wieder zuerlangen und ihn anschließend zu lesen, bevor wir den Schatte davon entfernt hatten, war absolut kontrollierbar, ich wusste, worauf ich mich im Endeffekt einlasse und konnte so überlegen, wie ich mich den Problemen stellen und sie beseitigen könnte... Etwas anderes ist es, nicht zu wissen, wie jemand reagiert und denkt, eben weil ich mein Gegenüber nicht kenne... Ich vertraue höchstens meinem Rotfuchs, aber das haben wir ja auch schon zu genüge diskutiert... Und, ihr habt Torrah doch selbst erlebt. Mit ähnlichen Methoden hat sie mich teilweise aufs Übelste für ihre Zwecke missbraucht, aber das habe ich euch ebenfalls schon einmal erzählt... Also, warum verlangt ihr von mir so etwas wie Vertrauen? Und wenn ihr es nicht verlangt, warum zwingt ihr mich mit solchen Fragen dazu, mir Gedanken darüber zu machen?'

"Weil ich denke, daß es höchste Zeit ist, daß Ihr darüber nachdenkt. Wer sagt, daß nur Ihr mich etwas lehren könnt und nicht auch umgekehrt? Aber für heute soll es genug sein. Ihr könnt Euch schlafen legen, wenn Ihr gegessen habt. Diesesmal werde ich die Nachtwache übernehmen."

'Ich will aber nicht darüber nachdenken... und ich bin auch nicht wirklich geneigt, von euch irgendetwas zu lernen...' Der Nekromant beließ es dabei. Es dauerte nicht lange, da hatte er das gesamte Kaninchen fast schon barbarisch in sich hineingeschlungen. Es war ganz offensichtlich, dass auch er sich ordentlich der Abwechslung zu der eher faden Wegzehrung erfreute. Dann lehnte er sich an einen Baum, der nur einige Meter weiter stand und blickte zu Erynn. 'Hatten wir das nicht auch schonmal?' Resignierend verschränkte er die Arme vor der Brust und starrte wieder ins Feuer. Aber schon nach kurzer Zeit konnte er sich nicht mehr gegen den Schlaf wehren, wusste er doch im Unterbewusstsein, dass es nicht nötig war, weiter wach zubleiben. Er nickte ein, kippte zur Seite und blieb schlafend liegen.

"Ja, das hatten wir schonmal", antwortete Erynn unbeeindruckt und nagte die letzten Knochen ab. Dann sammelte sie die Innereien auf und warf sie ins Feuer. Sie mochte das Zeug ohnehin nicht. Sie schaute gedankenverloren in die Glut, als ihr ein beunruhigender Einfall kam.