Wenn wir über den Zeichenkosmos reden, werden wir allerdings nicht umhin kommen, mehrere Versionen zurate zu ziehen.
Das sei dir auch fein zugestanden. Daraus aber einen allgemeingültigen Standpunkt ableiten zu wollen, finde ich nicht richtig, da du dich auf ein Einzelbeispiel stützt, das du eben so interpretierst, wie du es denkst.Zitat
Also etwa ab dem letzten Drittel des Textes. Fatalität ist das gar nicht.Zitat
Es ist aber eben keine Fatalität, es ist ein anderes Ende. Man hat genau ein Element in der Erzählung ausgetauscht, das Ende. Nicht die Vorausdeutungen, nicht den Handlungsablauf, nicht den Motivzyklus. Fatalität bestimmt sich aber in allen drei Ebenen, nicht nur im Ende. Wir haben aber keinen fatalen Ablauf, nur ein unrosiges Ende, welches der Verschiebung ins Areligiöse zugrunde liegt.Zitat
Das ändert aber nichts an der Vergleichbarkeit der Texte und ihrer Motive, das ändert auch nichts an den großen Überlappungen der Zeichenkosmen. Du kannst bei Goethe beinahe mit Präzision sagen, welche Elemente er schlüssig verfremdet hat, welche er aufpoliert und wo er umwertet. Die prinzipielle Grundstruktur bleibt erhalten, genauso wie eine große Schnittmenge an Zeichenkosmos.Zitat
In Zitiertem sprichst du aber über Faust im Epochenbezug, was, wie ich mit Verlaub anmerkte, nicht ganz kosher ist.Zitat
Es fallen alle Epochen raus. Faust I hat definitiv keine epochenspezifischen Merkmale mehr. Das können andere Literaturwissenschaftler sehen, wie sie wollen, das sind vermutlich die gleichen, die Goethes Lebenswerk qualitativ über das von Heine oder Büchner stellen. Und mit dem einen oder dem anderen oder beidem mögen sie recht haben, ich muss es trotzdem nicht akzeptieren.Zitat
Also abgesehen davon, dass der Epochenbezug eben nicht gegeben ist.
Die ich ja für irrelevant halte, vor allem auch, weil ich Goethe für beinahe irrelevant halte. Klingt radikal, aber zum Glück bin ich nicht das Relevanz-o-meter.Zitat
Editoren sind nicht für den Zeichenkomplex verantwortlich und gute Editoren, was die Brüder Grimm waren, lassen sich auch nicht zum "Schaffen" heran, sie edieren. Wenn du nun einen expliziten Autor, sei es nun Goethe oder Shakespeare, den Editoren Grimm gegenüberstellst, dann sehe ich da ein grundlegendes Problem.Zitat
Und dem möchte ich widersprechen. Fatalität heißt nicht "Es ist ein auswegloses Ende zu erwarten", es heißt, dass sich die Handlungsabläufe immer weiter zuspitzen, der Ausweg in Stufen oder im fließenden Übergang genommen wird. Die Fatalität entsteht auf Grundlage von sich verschlimmernden bzw. verkomplizierenden Konflikten. ich würde allerhöchstens so weit mitgehen, dass das Liebeswagnis eine Fatalität beinhaltet, als Geschichtenmoment ist das aber eine ziemliche Randerscheinung, die in die Textsorte hineingelegt wurde, ihr nicht inhärent ist.Zitat
Wenn man die Hufgeräusche Zebras zuordnen möchte, sicher.Zitat
Aber was beweist das denn? In einer Kritik kann ich nur meine eigene Meinung widergeben, gegen die hast du angeredet. Wie andere Leute eine Textform sehen, ist mit im außerwissenschaftlichen Kontext eigentlich nicht sonderlich wichtig und es ist auch nicht meine Aufgabe, mich darum zu kümmern, alles abzudecken. Für mich existiert diese Fatalität in dieser Sorte Märchen nicht, für dich schon. Was haben wir damit bewiesen? Genau, nichts.Zitat
Erinnerst du dich, was norkia über seine Inspiration gesagt hat? Offensichtlich nicht, denn dann wüsstest du, dass deine Aussage nicht schlüssig sein kann.Zitat
Es ging um das hypothetische Märchen mit dem Hack'n'Slay-Kram, dessen Existenz ich verneine. Dass norkias Märchen einen Zeichenkosmos mit genannten teilt, beweist eigentlich nur meine Argumentation, weil diese Märchen eben per se keine Fatalität kennen können.Zitat
Bitte? "kleinere" Motive? Joa. Sind ja nur Hauptelemente, ohne welche weder der eine noch der andere Text irgendwie funktionieren würde.Zitat
Und ohne Pakt, Entgrenzung bzw. Landgewinnung, Liebeswagnis mit Gretchen, Fausts Abwendung vom Frommen und das gesamte eschatologische Prinzip wäre das auch immernoch alles möglich? Hm. Ich glaube, ich habe Faust falsch gelesen; hätte wohl doch ein paar Seiten rausreißen sollen - nicht nur wegen den schlechten Reimen.Zitat
Das finde ich eben überhaupt nicht. Das Fluchmotiv in den Hausmärchen ist eigentlich sehr klar eingrenzbar, weil es sich auf vorher existente Zeichenkosmen bezieht, welche aus einer Zeit stammen, in der noch extrem feste Form-Inhalts-Beziehungen vorherrschten.Zitat
Aber doch kein gesamter Motivinhalt. Das wäre Stümpertum höchster Güte.Zitat
Da die Mediävisten aber schlaue Leute waren und mit mehreren Textversionen differentialisch gearbeitet haben, ist es eine ziemlich gewagte Annahme, dass ein ganzes Zeichenfeld in einen anderen Sinnkontext transponiert wurde. Und du wirst diese Annahme auch weder als Argument anwenden können, noch solltest du ihre Wahrscheinlichkeit annehmen.Zitat
Das können wir durchaus. =)Zitat
Das Problem, das ich leider gesehen habe, war eben, dass ich nicht bereit bin, für das Seelenheil anderer Grabenbewohner aufzukommen. Ich gestehe dir deine Meinung zum Thema gern zu und wir werden vermutlich auch keinen klaren Nenner finden, was ich für gar nicht mal schlecht halte.
Durch Unschlüssigkeit und einen unbefriedigenden Texteindruck? Das ist mir ehrlich gesagt zu gutmütig geurteilt.Zitat
Joa, natürlich gibt es Gemeinsamkeiten. Diese müssen aber nicht zwangsläufig in literarischen Texten auftreten und sehr oft tun sie das auch nicht, weil jede Textsorte ihren eigenen Anspruch stellt. Es kommt dabei vor allem darauf an, mit welcher Anschauung die christliche dabei verknüpft wird, denn sie taucht selten allein, und dann in der Regel nur im Schreibstubenproduktionen auf und versucht sich vehement von allem anderen abzugrenzen.Zitat
Diese Aussage entkräftet das Argument nicht. Sie relativiert sie höchstens in gewisser (für mein Gefühl unzureichender) Art und Weise.Zitat
Ich denke schon. Unbelegt ist sie solange, bis du sie belegst. Das hast du nicht getan, nur angenommen, es reicht, die Texte unter dem Begriffsfeld Fatalität zu nennen. Mehr ist nicht geschehen, es gibt weder eine Begründung dafür, noch führst du die These anders irgendwie aus.Zitat
Auch das müsstest du mir belegen, die bloße Behauptung reicht mir nicht.Zitat
Und selbst dann müsstest du noch herausstellen, dass dieser Nebeneffekt bewusst gesetzt und ein Teil der Hauptintention der Textsorte ist.
Da wir diese Diskussion aber nicht im wissenschaftlichen Rahmen halten und ich dir nicht gestatte, meine wissenschaftliche Arbeitsweise irgendwie einzusehen und dir damit auch ein Kommentar dazu versagt bleibt, find ich diese Beurteilung schon wieder höchst unhöflich und herablassend.Zitat
See, du steckst für meine Begriffe auch viel zu stark in diesem Wertebereich deines akademischen Daseins. Du liest "immanent" und kommst sofort auf die werkimmenente Betrachtung, als hätte ich das irgendwo gesagt. Texte lassen sich kontextfrei vergleichen, mehr habe ich nicht gesagt, ich habe nicht gefordert, dass das so geschieht, du hingegen legst sofort einen sozialgeschichtlichen Grundsatz hinein, als wäre das der Anspruch. Und dabei verschiebst du den Kontext nicht etwa auf den Urheberbegriff, nein, du verschiebst ihn zu den Editoren, machst sie zu Urhebern und betrachtest ihren Kontext. Und das, muss ich sagen, ergibt keinerlei Sinn.Zitat
Deine Aussage dabei ist also, die Abgrenzbarkeit eines Zeichenkosmos verpuffe gegenüber der Vielschichtigkeit des Märchenbegriffs (der nichts mehr ist als das: ein Begriff), denn du beharrst ja darauf, dass es nichts einheitlich Betrachtbares darunter gibt. Also schlage ich vor, wir sehen es abgrenzbarer, machen kleine Teile daraus, betrachten Textsorten innerhalb des Märchenbegriffs - was wir auch ohne Tiefgang in die Materie machen können, wir sind kluge Menschen und können zwischen der Baba Jaga und Ali Baba unterscheiden. Aber das willst du nicht, weil du meinst, es führt zu nichts. Damit verursachst du für meine Begriffe ein grundsätzliches Problem, nämlich das, dass du sagst, alles kann ein Märchen sein, wenn es irgendwelche halbwegs so herausstellbaren Elemente enthält, nichts davon muss sich schlüssig einordnen lassen.Zitat
In einem Reproduktionsprozess, so wie ich ihn bei norkia durchaus sehe und der ein wenig auf die gleiche Stelle tritt wie du, ist das aber fatal, weil man sich einfach klauben mag, was man grad zur Hand hat - eine inhärente Logik oder sonst irgendeine Form von Schlüssigkeit entsteht dabei allerdings nicht oder nur im Lotto-Zufallsprinzip.
Ich hatte auch nicht verlangt, dass du mehr Kritik äußerst, ich habe verlangt, dass du dich speziell zur Beziehung zwischen Ausgang des Textes zum Handlungsverlauf äußerst, weil deine Einschätzung dabei durchaus von hoher Wichtigkeit ist, wenn wir über das reden wollen, worüber wir reden. Du sagst, es ist okay, den Zeichenkosmos derart zu brechen, ich sage, das ist es nicht. Mit deiner Aussage ginge einher, dass du das Ende in Kohärenz zum Gesamttext siehst, was ich allerdings nicht glaube; und genau dann, wenn das nicht so ist, wenn du diese Kohärenz nicht feststellst, würde ich gern fragen, warum dem so ist, weil nämlich das uns einige Kreisbewegungen um den Breitopf sparen könnte.Zitat
Da sein Zeichenkosmos sich aber im Diskurs auf einen ganz bestimmten anderen stützt, der dieses Mittel verlangt, ist der seine eben nicht schlüssig. Und das ist meine ganze Aussage, es ist nicht schlüssig.Zitat
Dieses Niveau habe aber nicht ich hervorgerufen und es ist mir auch nicht sonderlich recht.Zitat
Weiß zwar nicht, welchen Nerv ich da grade getroffen habe, aber ich entschuldige mich für den Reiz, den ich hervorgerufen haben muss.Zitat
Ging eigentlich nur darum, dass du die Dinge viel, viel zu wörtlich nimmst.
Nein, das warst du.Zitat
Er ändert aber nicht den Zeichenkomplex. Wenn du das annehmen willst, dann ist das deine Sache. Meine Auffassung von wissenschaftlichem Arbeiten ist jedenfalls, dass du das dann schlüssig belegen können müsstest. Also mal ganz davon abgesehen, dass wir hier nicht wissenschaftlich arbeiten.Zitat
Wenn ich Probleme habe, mich mit der Materie selbstständig auseinanderzusetzen und mir selbst weiterführende Literatur zu verschaffen, dann melde ich mich schon, keine Angst.Zitat
Das Problem, dass ich damit vehement habe, ist die Tatsache, dass du nicht auf Grundlage von, sondern mit Sekundärliteratur konterst, und zwar in einer für meine Begriffe absolut unhöflichen Art und Weise, die unterstellt, ich wäre nicht selbst zu einer Beschäftigung in der Lage. Das ist entmündigend und ungefragt und, wie ich offen gestehen muss, in meinem Kulturkreis eine ziemlich arge Beleidigung. Es wäre mir deshalb lieb, wenn du das anders verpacken würdest, zum Beispiel in "ich beziehe mich dabei auf folgende Ausführungen von folgendem Autor" oder "das ergibt sich in folgender Betrachtung von folgendem Urheber". Du darfst dich gern in einen Quellendiskurs einordnen, gibt nichts Gesünderes und Wissenschaftlicheres als eine Querverortung des eigenen Kanons in anderen Quellen, aber dann tu das bitte im Bezug auf dich selbst und nicht im Sinne von "Lies mal, dann kapierst auch du das."Zitat
Und ja, mir ist mittlerweile klar, dass das nicht deine Aussageabsicht war, beleidigend ist es für mich aber trotzdem.
Joa, wir arbeiten aus Literatur heraus, nicht über sie hinweg durch Namedropping, um das eigene Profil zu vertiefen. Mag dran liegen, dass wir keine Schola haben, der wir uns unterwerfen (oder vielleicht haben wir eine und ich check das einfach nicht, weil ich daran absolut kein Interesse habe), sondern uns frei in allen Betrachtungsweisen bedienen, weshalb wir uns bzw. weshalb ich mich auch nur mit dem beschäftige, was ich grade brauche und nicht mit allem, was 3 Meilen drumherum liegt, nur weil irgendwer das mal für relevant hielt. Dieser Genieglaube geht mir sowieso etwas ab.Zitat
Das wollte ich keineswegs. Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass wir beide offensichtliche Schwächen und Stärken haben, unabhängig davon, wie weit fortgeschritten unsere akademische Laufbahn ist und wie viele Bereiche sie abdeckt.Zitat
Auch das ist für mein Verständnis immernoch recht unhöflich. Es handelt sich um eine Sache, die du nicht beurteilen kannst und zu der ich dich auch nicht um ein Urteil gebeten habe. Du wirst unter anderem auch verstehen, dass wir hier eben nicht im wissenschaftlichen Rahmen sprechen und dass zwischen dem schriftlichen, unwissenschaftlichen Diskurs und dem mündlichen Diskurs im wissenschaftlichen Kontext Dimensionen um Dimensionen liegen.Zitat
Ich habe sie niemals nicht akzeptiert. Dagegen anreden kann ich doch aber dennoch, oder?Zitat
Das habe ich für mein Gefühl bis etwa zu den Äußerungen, die mir sehr im Schuh kniffen, getan.Zitat
Ging eigentlich auch nur darum, dass dein akademischer Grad aus dir nicht automatisch einen besseren Menschen macht. Guido musste da als Beispiel herhalten.Zitat
Ich finde nicht, dass meine Posts den Eindruck der Unfehlbarkeit vermitteln. Ich rede oft genug Schrott und vergreife mich auch gern mal in Ton und Thematik.Zitat
Quid pro quo.Zitat
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