Erstens haben wir gar keine vorliegende Textfassung, wir sprechen allgemein über einen Text mit mehreren Versionen. Das tun wir, seit du keine spezielle Fassung zugrunde gelegt hast und insbesondere, seit ich darauf verwiesen habe, dass der Zeichenkosmos des Textes shiftet.
Zweitens spreche ich im Allgemeinen und im Speziellen davon, dass der Arzt den Tod nicht von sich selbst, sondern von anderen abzuwenden weiß, indem er sie im Bett umdreht. Das ist Märchenlist. Dass er am Ende in den meisten Fassungen stirbt, ist wie schon behauptet Teil des Motivzyklus', in den sich die Erzählung einordnet, und die einzige Form von Schlüssigkeit. Kannst aber gern vergleichbare Texte mit Liebeswagnis nennen, in denen dieses gut ausgeht.
Halt. Ich habe nie etwas von Allgegenwärtigkeit gesagt. Die Warnungen verdeutlichen nur, dass der Arzt es mit dem Tod, dem leibhaftigen Tod, zu tun hat. Sein Auftreten tut doch überhaupt nichts zur Sache - wie sollte sich die Erzählung denn sonst motivieren, wenn der Tod nicht auftritt? Das wäre, als würde Harry Potter nur aus den Episoden bestehen, in denen über ihn geredet wird.Zitat
Wirklich? Du kannst das Liebeswagnis schon am Anfang rauslesen?Zitat
Du kannst nicht sagen, dass der Protagonist am Ende stirbt und das sei dann die Fatalität. Das Gegenteil beweist ja schon die Textversion mit der Paternoster-List.
Wieso? Ich sprach ja auch von Goethes Faust, welcher sich im Doktor Faustus inspiriert. Der Ursprung des Zeichensystems ist also dergleiche, was Goethe herandichtet gehört schlüssig dazu und lässt sich wunderbar philosophieanalog aufschlüsseln und segmentieren.Zitat
Es ist amüsant, dass du tatsächlich keinerlei Textsortenbegriff außerhalb der Epochenabgrenzung hast. Wir können von Faust I oder beiden Teilen der Tragödie reden, meine Aussage bleibt diegleiche: Das Werk sprengt den Epochenbegriff, es lässt sich nicht dermaßen simplistisch verorten. An Adaptionen und an weiterführender Literatur von und zu Faust habe ich kein Interesse und davon spreche ich auch nicht. Ich spreche von diesem einen Faust-Werk mit Goethe als Urheber.Zitat
Nein, ich sage, dass deine Ausführungen an der Stelle irrelevant sind, weil du die Vergleichbarkeit aufgrund einer falschen Einordnung des Textes negierst. Der Faust-Zeichenkosmos und der Gevatter-Zeichenkosmos entstammen nicht nur dem selben historischen Kontext, sie haben auch eine große Teilmenge, die du aber aufgrund deiner etwas seltsamen Einordnung (warum genau sind die Romantiker Grimm nun die empirischen Autoren?) nicht zu sehen scheinst.Zitat
Du tust ihm dennoch Unrecht. Oder sagen wir es anders: Du tust seinem Faust Unrecht, wenn du ihn pauschal in Sturm und Drang versumpfst.Zitat
Siehe meine obige Äußerung. Wir haben keinerlei Textfassung zugrunde gelegt. Weiß auch nicht, wie du darauf kommst, dass wir d'emblée die gleiche Textversion haben.Zitat
Das habe ich nie bestritten. Sie müssen das aber nicht sein. Und deshalb müsstest du deine These schon belegen. Hast du das getan? Nö.Zitat
Joa. Wenn man dem Zeichenkosmos ein Fatalitätsprinzip andichten will, sicherlich, dann kann man das so rauslesen. Da es aber eben nicht "die eine" Textversion gibt und wir über den Zeichenkosmos, nicht über die Textversion sprechen, widerlegt das meine Argumentation in keinster Weise.Zitat
Ah ja. Dann zeig mir bitte das Märchen, in dem Kampfzauber ähnlich des Hack'n'Slay-Verständnisses von Magie angewendet werden, um Hundertschaften von Menschen auszulöschen und wo dies ein textbestimmendes Motiv ist. Zeig mir das Märchen, welches mit apokalyptischer Botschaft endet.Zitat
Und wenn du das getan hast, sagst du mir, warum dieses Märchen einen Zeichenkosmos mit Dornröschen und dem Froschkönig teilt.
Ich unterstelle norkia, ohne das negativ zu meinen, dass das nicht seine Intention war.Zitat
Abgesehen davon ist das Aufbersten des Motivzyklus keine Strukturbereicherung. Motive "einführen" heißt sie stimmig in Einklang mit dem Textsystem zu bringen. Wenn das hier für dich der Fall ist, ist das wie gesagt dein gusto.
Also. Ich gehe davon aus, dass du den Gevatter wie auch den Faust gelesen hast.Zitat
Die Pakt-Situation ist also kein beiden innewohnendes Motiv.
Die listige Umgehung der weltlichen Determinanz bzw. die Entgrenzung von Determinanten ist also kein beiden innewohnendes Motiv.
Das Liebeswagnis ist also kein beiden innewohnendes Motiv.
Die Gottesabwendung ist also kein beiden innewohnendes Motiv.
Der eschatologische Charakter - kein beiden innewohnendes Motiv.
Am besten zeigst du mir tatsächlich mal, von welcher Gevatter-Version du sprichst, und vielleicht auch deine Faustausgabe. Da müssen ja echt grundlegende Unterschiede zu dem vorherrschen, was ich gelesen habe.
Öh, noes? Du verrutschst grad in der Diskussion um einige Zeilen; im Gevatter herrscht kein Fluch vor, also auch nix vonwegen Fluch mit Vorausdeutungen. Es gibt nicht einmal ein abstrahierbares Fluchmotiv. Was eigentlich auch von Anfang an meine Aussage war. Ich denke, du solltest den Diskussionsfluss nochmal nachverfolgen (kann die Verwirrung aber verstehen bei der Zitateschlacht).Zitat
Joa. Und weil die Gebrüder Grimm auch Dichter waren und eine Anthologie ein dichterisches Werk mit empirischen Autor ist ... oh halt. Nö.Zitat
Und nun beweist du mir noch, dass diese Verschiebung zu einem völligen Kontextbruch geführt hat und dass du das nachweisbar auf Shakespeare zurückführen kannst.Zitat
Ich weiß nicht, ehrlich gesagt. Warum führen wir diese Diskussion? Achso, weil ich eine einzige Aussage zu pauschal formuliert hatte.Zitat
Wie du in einem seiner Beiträge lesen kannst, trifft er überhaupt keine Gattungszuordnung, und diese Zuordnung ist auch völlig irrelevant, wenn man über den immanenten Zeichenkosmos spricht. Und "nicht ganz korrekt" ist eben nicht "falsch", weshalb ich immer noch nicht verstehe, warum man deshalb gleich die Geisteswissenschaftlerkeule ausgraben muss. In der Märchenform, die norkia bemüht (weiß nicht, ob ich das jetzt schon zwei- oder dreimal gesagt habe, vermutlich warst zweieinhalbmal), kann man kein Fatalitätsprinzip anwenden, ohne unschlüssig zu werden und einen faden Beigeschmack zu bekommen.Zitat
Das war schon drei Posts weiter oben geschehen. Worüber wir grade streiten, sind Detailfragen, die du aufgeworfen hast, nicht ich.Zitat
Danke. Würde gern noch ohne jegliche Häme, sondern eher für mich rechtfertigend anmerken, dass ich damit nicht angefangen habe.Zitat
Auch das ohne Häme, aber wenn wir grad bei nicht ganz korrekten Zuordnungen sind: Diese Aussage könnte ich dir sicherlich mit der Sterntaler-Adaption im Woyzeck widerlegen. Desweiteren gibt es nicht den christlichen Wertekanon, es gibt mehrere, welche sich daraus erschließen und der des Mittelalters und der der Romantik sind schonmal grundlegend verschiedene, wenn auch die deutsche Romantik nach vorsichtiger Annäherung strebt.Zitat
Ich gehe von dem Zeichenkosmos aus, dessen norkia sich bedient. Das ist per se nur einer.Zitat
Das ist das Problem, es wird eben nicht deutlich. Du hast an dieser Stelle keine Ausführung gestellt, sondern eine unbelegte These.Zitat
Dass jeder Text sich automatisch in ein Wertesystem einordnet, ist völlig natürlich, das bedeutet aber nicht, dass er damit moralisieren geht. Wäre dem so, dann dürften wir Juden keine Literatur verfassen.Zitat
Kannst mir aber gern argumentativ das Gegenteil beweisen.
Da ich Hausarbeiten im wissenschaftlichen Kontext schreibe, ist das eigentlich keinerlei Problem. Ich kann durchaus einen Strich zwischen mein wissenschaftliches und mein individuelles Dasein ziehen und lustig hin und herhüpfen, ohne in Wertekonflikte zu geraten. Lustig, was das 21te Jahrhundert mit den Menschen macht.Zitat
Du hast die immanente Deutung von deiner Schola abhängig gemacht, deshalb: Doch, irgendwie hast du das schon. Natürlich verschiebt sich die Wahrnehmung, natürlich verändert sich die Wertung, aber das ändert doch überhaupt nichts an der objektiven Feststellung, dass es mehrere Textversionen gibt, die sich kontextfrei miteinander vergleichen lassen.Zitat
Das ist keine Ausführung. Solange eine solche ausbleibt, beharre ich darauf, dass der Zeichenkosmos eben nicht derselbe ist.Zitat
Joa, und eine Äußerung zum Ende hast du dabei galant umschifft. Deshalb frage ich ja. Lesen kann ich noch. Auch mit Hornhautverkrümmung.Zitat
Das tue ich auch nicht. Ich sage aber, dass man mit Fug und Recht zuallererst von diesem Prinzip ausgehen darf, wenn es um Märchen geht. Und ich sage, dass dieses Prinzip vor allem in dem Zeichenkosmos, den norkia bemüht, Anwendung findet.Zitat
Ja. Man muss ja auch alles sofort wissenschaftlich analysieren.Zitat
Und es ist eine geläufige Bezeichnung, wenn man nicht "Mittelalter" sagen will. Elohim adirim. Du rückst echt so langsam ein bisschen auf eine extrem autistische Ebene.Zitat
Und da wir die ganze Zeit über Reiseromane reden, ist das auch relevant.Zitat
Exakt. Und da der Editor sich frech das Recht herausnimmt, Motivzyklen radikal zu verschieben und in sein eigenes Kulturverständnis zu brechen (sind ja auch seit dem Schreiberbegriff des 13ten Jahrhunderts keinen Schritt weitergekommen), ist das auch relevant.Zitat
Was ich nicht annehmen will, ist diese völlig überhebliche Art zu meinen, aus deinem akademischen Grad ergebe sich irgendein Obrigkeitsargument.Zitat
Mag dir komisch erscheinen, aber ich finde es ziemlich frech, wenn jemand ungefragt Buchempfehlungen verteilt und damit unterstellt, man würde sich mit seinen Thesen nicht auseinandersetzen (und nicht etwa sagt "Dort und dort wird diese These anders gelöst, mit dem und dem Argumentverkehr"), oder so tut, als ergäbe sich die Diskussionsgrundlage aus Belesenheit. Es mag dir komisch erscheinen, aber ich finde es nicht sonderlich sympathisch, wenn jemand ständig seine abschlussrelevanten Qualifikationen in die Argumentation streuen muss, als würde das was zur Sache tun. Das ist herabblickend und unnütz.
Es ist mir dabei auch schnurriger als schnurre, ob du mich prüfen dürftest, ich muss deine Ausführungen deshalb nicht als den Urschleim, aus dem wir gemacht sind, anbeten. Auch wenn das für dich nicht so sein mag, weil ich ja so tumb und welpenhaft bin, ich bin dennoch in gleichwertiger Gesprächspartner und so würde ich mich auch gern behandelt wissen.
Also: Ja, genau diese Schiene will ich fahren. Dein Master und dein Staatsexamen beweisen weder deine Unfehlbarkeit, noch machen sie irgendwas von dem, was du sagst, richtiger, noch werten sie deine Argumentationsweise qualitativ irgendwie auf. Sie sagen genau eins: Du hast einen gewissen akademischen Grad erreicht. Das hat Westerwelle übrigens auch, der ist promovierter Rechtswissenschaftler; - gerade den würde ich trotzdem nicht allzu ernst nehmen.
Und selbst wenn du der Scheich von Dubai bist: Wir können gern auch auf höherem Niveau diskutieren, aber das bitte ohne das hohe Ross dazu. Wir sind beide groß genug, um dem anderen nicht den Respekt abzuerkennen.
Et ouaip, ich weiß, dass auch meine Äußerung da nicht grad von Respekt strotzt, aber von wem ich mich nicht ernstgenommen fühle, tut mir leid, den muss ich auch nicht ernstnehmen.