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Thema: [Märchen] Die Prinzessin mit den Bernsteinaugen

Baum-Darstellung

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  1. #17

    Examinierter Senfautomat
    stars_mod
    @noRKia

    Bleib bitte bei der Bezeichnung "Märchen", da diese wirklich passend ist. Eine Kurzgeschichte wäre wieder ein anderes Metier, mit anderen Themen- und Motivkomplexen. Und wie gesagt, dass Märchen ist nicht schlecht, sondern in sich bis auf einige Kleinigkeiten stimmig.

    Zitat Zitat von Mordechaj Beitrag anzeigen
    Wirklich? Die Möglichkeit, mit den eindeutigen Zeichen des Todes zu arbeiten, beschreibt ein unausweichliches Schicksal? Wenn man die Königsfamilie im Bett umdreht, um ihr Schicksal abzuwenden, ist das unausweichlich?
    Der Tod ist das unausweichlichste Schicksal überhaupt, dem jeder Mensch einmal anheimfällt.

    Zitat Zitat
    Abgesehen davon spitzt sich das Geschehen nicht auf den Tod des Protagonisten zu.
    Der Tod im Märchen kündigt ihm sein Schicksal merhmals im Vorhinein an, von daher gibt es sehr deutliche Anzeichen für den Tod des Protagonisten.

    Zitat Zitat
    Natürlich, das Liebeswagnis führt zurück in die Feindschaft mit dem Gevatter, aber das ist doch nicht Teil einer Fatalität. Kannst das Märchen sehr gut mit Faust vergleichen, man hat eine Art Pakt, man hat die reifen Fähigkeiten als Arzt, man hat das Liebeswagnis und in der Schlussfolge eben den Tod. Du wirst aber feststellen, dass es hier zwischen den Versionen Unterschiede gibt, die vor
    einem kulturellen Hintergrund stehen.
    Der Vergleich hinkt gewaltig. Auf der einen Seite hast du den Sturm und Drang eines Goethe, dem du die spätromantischen Ausführungen der Gebrüder Grimm gegenüberstellst. Beide haben allerdings völlig andere kulturelle Voraussetzungen, auch was die Zeichenkodierung angeht. Dazu gehört beispielsweise auch, dass vor allem dei Spätromantik sich durch eine enorme christlich geprägte Symbolik und die Natur aufweist, während beim Sturm und Drang das Ich selbst im Mittelpunkt steht.

    Zitat Zitat
    Die "areligiöse" Fassung gibt sich mehr oder minder tatsächlich einem fatalen Ende preis, das liegt daran, dass die gesteigerte Angst vor dem Tod mit der Christianisierung einhergeht. Je weiter aber in eine christliche Vorstellung eingedrungen wird, umso schwächer wird die Entgültigkeit des Ausgangs. Schließlich in einem Fragment der Grimmschen Sammlung wendet der Arzt sein Schicksal durch eine List sogar völlig ab.
    Eine areligiöse Fassung liegt eher nicht zugrunde, wenn man eben davon ausgeht, dass die Sätromantik vor allem auch auf christlichen Symboliken aufbaut. Sicherlich wird dabei das Ende dadurch abgeschwächt, dass das Christentum eben auf der Auferstehung aufbaut. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Märchen durch seine Vorausdeutungen auch auf eben jenes fatale Ende hinarbeitet.

    Zitat Zitat
    Ich sagte ja, dass die pauschale Definition dessen, wovon ich spreche, als Volksmärchen zu bezeichnen, vermutlich vergriffen ist. Du hast aber eben nicht, wie du selbst sagst, diese eine Gattung Volksmärchen, du hast zig Textsorten, die darunterzählen. Hätten die Grimms nur eine davon betrachtet, würden wir heute entweder auf noch mehr Disney-Kram sitzen, oder uns mit moralisierenden Schwanks kasteien.
    Und genau deshalb verstehe ich auch nicht, warum du ein fatales Ende bei Norkia kritisiert hast, obwohl es im europäischen Kulturraum eben auch solche Versionen gibt. Nur, weil es nicht unbedingt die üblichste Variante ist, musst du sie ja nicht von vorneherein ausschließen.

    Zitat Zitat
    Der Fluch ist ja gerade das Gegenteil von Fatalität. Wenn du dir mal anschaust, wie ein Fluch im Allgemeinen in Märchen formuliert ist, wirst du erkennen, dass sie so wenig fatal sind wie die Wolken am Himmel. Ein Fluch formuliert immer eine Bedingung für seine Aufrechterhaltung bzw. ein Schlupfloch für den Verfluchten. Das ist so ziemlich das Gegenteil von Fatalität.
    Das kommt natürlich auf die Definition des Fluches an. Geht man vom klassischen Fluch aus, so ist dieser eben dadurch gekenzeichnet, dass sein Schicksal unausweichlich ist. Ödipus stürzt nicht ohne Grund in sein Verderben und auch bei einem Shakespeare, der großen Einfluss auf die Autoren der betrachteten Zeit hatte, finden sich diese Motive immer wieder. Nicht alle Märchen müssen daher zwangsweise auch in eben diesem Schlupfloch enden, welches du hier beschreibst.

    Zitat Zitat
    Wenn du nun andere Textsorten zusammengreifst, die einen völlig anderen Zeichenkosmos besitzen, zu dessen Charakter das Fatalitätsprinzip sogar dazugehören könnte, ist es klar, dass wir keinen Nenner finden. Komm bitte von dieser einen Definition weg, die ich da fehlgeleitet von mir gegeben habe, es geht hier um eine bestimmt Textsorte, welche norkia hervorrufen wollte und die eigentlich ziemlich offensichtlich ist. Der Fluch als Auslöser für einen zweiten Konflikt ist dabei vor allem ein Stichwort.
    Siehe oben. Da die Volksmärchen eben keine einheitliche Textsorte sind, sondern verschiedene unter sich subsumieren, kannst du eben nicht auch nur eine Definition als Arbeitsgrundlage benutzen.

    Zitat Zitat
    An der Stelle wüsste ich aber tatsächlich nicht, was du daran anders aufgreifen würdest. =(
    Fatalität passiert in einem Ich-Bezug. Das sieht man doch vor allem schön bei Gut-Böse-Darstellungen. Das Böse ist krank und gering, muss zwangsläufig ausgelöscht werden. Wenn das Gute der Ausweglosigkeit anheimfällt, wäre das ein Bruch für das ganze Gut-Böse-System, was schlecht ist würde gewinnen und damit als überlegen herausgestellt werden.
    Nein. Vor allem auch in den Kunstmärchen wird gerade dieses Motiv der Volksmärchen wieder aufgegriffen. Als Beispiele nenne ich hier nur "Das kalte Herz" (mit Einschränkungen), "Der Runenberg" oder auch "Die Bergwerke von Falun", wo eben das Gute den Mächten erliegen.

    Zitat Zitat
    Ähnlich ist das eben im Hausmärchen. Du hast nie einen großen Personenkreis, meist sogar nur eine oder zwei wirkliche Bezugspersonen (an deren Schicksal dann wiederum andere Personen hängen mögen); eine Bezugsperson in Fatalität zu stürzen, ist nichts, was ein Märchen oft macht, wenn dann passiert das auf Schwankebene (eine Ebene, die norkia sicherlich nicht angestrebt hat) oder um zu moralisieren.
    Meine ursprüngliche Kritik richtete sich auch nicht darauf, dass ein Märchen dies ständig tut, sondern dass es auch vorkommen kann. Und das ist eben nicht nur im Schwank so. Im Übrigen moralisieren Märchen ständig, dazu muss man nur "Schneewitchen" oder "Dornröschen" ebenfalls ein wenig detaillierter betrachten. Es ist gerade ein Zeichen der kleinen Erzählformen, zu denen neben dem Märchen eben auch die Fabel oder Kalendergeschichten aber auch der Witz gehören, dass sie stark mit dem Thema Moral arbeiten.

    Zitat Zitat
    Da wir aber nicht über einen Gattungsbegriff, sondern über Textsorten streiten, welche sich sehr gut mit dem Volksmärchen zusammengefasst wissen, ist mir das als angehendem Germanisten auch relativ egal.
    Mir als ausgelerntem Germanisten, Historiker und Pädagogen aber eben nicht. Je weiter du im Studium fortschreitest, desto mehr wirst du wissen, warum.

    Zitat Zitat
    Auch der Kontext der Sammlung spielt doch auch überhaupt keine Rolle, wir sind Menschen im 21ten Jahrhundert, leben nun schon im Zweiten Jahrhundert nach der "Erfindung" der Germanistik, uns sind Textversionen und Abweichungen durchaus bekannt. An der Einordnung des Zeichenkosmos ändert sich im Grunde auch nichts, der lässt sich bereits werksimmanent erschließen, ohne auch nur ansatzweise irgendwelche sozialgeschichtlichen Anhaltspunkte zurate zu ziehen.
    Stopp. Da muss man immer darauf achten, aus welcher Schule man entstammt. Als ehemaliger Bielefelder Student entstamme ich eben der Sozialgeschichte, sowohl im Bereich der Geschichtswissenschaften ("Bielefelder Schule") als auch im Bereich der Literaturwissenschaften. Der Zeichenkosmos verschiebt sich nämlich durchaus. Wir lesen die Märchen heute unter völlig anderen Voraussetzungen als damals. Lässt du diese Faktoren außen vor, wirst du zu völlig anderen Ergebnissen kommen, als wenn du mit ihnen arbeitest. In naher Zukunft wird aus diesem Grund auch ein neuer Promotionsstudiengang an der Uni Bielefeld eingerichtet, der sich genau mit dieser Thematik befasst. Das ist aber auch wie gesagt eine Frage der Schule, welcher man angehört.

    Zitat Zitat
    Abgesehen davon ist das für norkia an sich auch völlig irrelevant. Er stützt sich auf die Märchenform, in der keine Fatalität existiert, Punkt um.
    Das kann man eben so nicht sagen. Wie gesagt gibt es diese Formen auch halt in dieser Märchenform, sie ist nur nicht die üblichste.

    Zitat Zitat
    Find auch nich, dass man alles gleich wissenschaftlichen Definitionen unterwerfen muss, nur weil man in dem Metier zugange ist.
    Zustimmung. Allerdings wollte ich eigentlich nur klarstellen, dass deine ursprüngliche Kritik an norkia in dieser Form eben nicht gerechtfertigt war. Wenn ich dazu auf die Ebene des wissenschaftlichen Diskurser übergehen muss, um dich zu überzeugen, ist mir dieses Mitttel aber Recht.

    Zitat Zitat
    Wir können norkias Märchen gern noch differentiell betrachten und nach Binäroppositionen aufschlüsseln, während sich einer dranmacht und den inhärenten Wertekodex bestimmt, um eine fiktive Epocheneinordnung anzustellen. Dass das irgendeinen Nutzen für norkia hat, der diesen Thread ja einst vor langer Zeit eröffnete, wage ich allerdings vehement abzustreiten.
    Dann such den Nutzen für deine Seite.

    Zitat Zitat
    Um das übrigens noch anzufügen: "Es war einmal vor langer Zeit ... und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende." ist ja wohl der godmotherfucking Urschleim, wenn es um Märchen geht.
    Wo du das jetzt allerdings findest, ist mir schleierhaft. Ich kann es jedenfalls weder bei norkia noch bei mir finden.

    Zitat Zitat
    [...] Wannabe-Literaturgeschichtlern [...]
    Also ich bin kein Wannabe mehr, da ich mein Studium erfolgreich mit dem Master und dem Ersten Staatsexamen abgeschlossen habe. Theoretisch wäre ich sogar bei dir prüfberechtigt.

    Geändert von BIT (23.01.2011 um 23:32 Uhr)

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