'Nun, was heißt Antworten? ... Ich kann das Buch nichteinmal lesen... Ihm haftet irgendeine böse Macht an, die wie ein Vorhängeschloss den Zugang zu seinem Wissen versperrt... und ich...' Arranges rang einen Moment mit sich selbst und antwortete mit sichtlichem Ärger über seine schwache mentale Kraft: 'Ich bin unfähig sie im Zaum zu halten, während ich die Zeilen lese...'

Erynn schloß kurz die Augen. Dann laß es doch einfach bleiben... war ihr erster Gedanke, der in der derzeitigen Gesellschaft allerdings kaum salonfähig sein dürfte. Außerdem hatten sie so viel auf sich genommen, um den Wälzer zu bekommen. Irgendwie empfand sie es als persönliche Beleidigung, daß das blöde Ding sich jetzt querstellte. Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie antwortete: "Eine Art... Vorhängeschloß, sagt Ihr? Wenn es tatsächlich so etwas ist, muß es auch einen Schlüssel geben. Habt Ihr schon versucht, das Buch und das Amulett zusammenzubringen? Vielleicht ist das die Lösung." Großartig, Erynn. Wahrscheinlich hast du gerade wieder irgendwas Dummes gesagt...

Bei ihren Worten stutzte Arranges nur und musste stehen bleiben, um ersteinmal richtig zu begreifen. Nach einem Moment, in dem er Erynn nur dämlich anschaute, schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Ja natürlich, Gott bist du dumm Arranges! An soetwas hatte der Kaiserliche wahrlich nicht gedacht und wäre auch nie darauf gekommen. Schließlich hatte der Mönch immer davon gesprochen, dass es wohl dazugehörte, mit dieser Macht zu ringen, während man das Buch las. Er holte das Buch und das Amulett hervor. Nachdenklich betrachtete er beides, Erynn hatte er derweil schon wieder ausgeblendet. Dann legte er das Amulett einfach oben auf den Buchdeckel. Aber da dürfte nichts passieren, schließlich waren beide Sachen schon zusammen in meinem Umhang eingewickelt gewesen... Es geschah auch nichts, Arranges spürte nichts und auch sonst war irgendwie gar nichts anders als im Moment zuvor. Arranges nahm das Amulett wieder in die Hände und sah es nachdenklich an. 'Na los! Mach was du dämliches Ding!' Es musste doch irgendwie funktionieren. Zornig packte Arranges den Anhänger starrte ihn einen Augenblick hasserfüllt an und schmetterte ihn dann auf einen Stein, der ein wenig aus dem Boden hervorstand. Klirrend zersprang das Amulett. Eine dünne, bläuliche Rauchfahne schraubte sich langsam in den Himmel. 'Hat es... funktioniert?' Ungläubig schaute der Kaiserliche auf die Bruchstücke, doch dann übermannte ihn wieder sein Drang nach Macht. Schnell schlug er das Buch auf... und tatsächlich, der Schatten war weg, stattdessen schlug dem Magier nur noch das schier grenzenlose Wissen aus dem Buch entgegen... Ein irres Kichern entrang sich seiner Kehle. Das muss ich alles studieren... jetzt... sofort! Ohne Erynn weitere Aufmerksamkeit zu schenken, setzte er sich wo er stand nieder und begann mit einem weltfremden, verrückten Blick zu lesen.

Nachdem sie mit ihrem magieunverseuchten gesunden Merverstand offenbar einen Glückstreffer gelandet hatte, ließ sich der Kaiserliche einfach auf den Boden plumpsen und vergrub sich begeistert in dem Buch. Die ganze Szene sah so komisch aus, daß Erynn laut lachen mußte. Er bekam es gar nicht mit.
"Ich gehe davon aus, daß wir heute Nacht hier rasten?" Keine Antwort. Seufzend begann sie, ein paar Steine und Holz für ein Feuer zu sammeln. Bis sie es in Gang hatte, war sie einige Zeit beschäftigt. Dann legte sie sich auf den Rücken und beobachtete den Sonnenuntergang. Mehr Zeit verging; außer dem Rascheln von Pergament und zirpenden Grillen war nichts zu hören.
"Wollt Ihr etwas essen?"
"Mhm."
"Wie geht es Eurer Schulter?"
"Mhm."
"Hinter dir steht ein Orkbandit und strippt."
"Habt Ihr was gesagt?"
"Äh. Nein."
Erynn requirierte die Wolldecke für sich und entschied, es am nächsten Morgen nochmal zu versuchen.

Arranges schaute erst auf, als ein absolut unpassendes Schnarchen von Erynn zu ihm herüberdrang. 'Wie ein Barbar...!' Nuschelte er verärgert vor sich hin. 'Ich sagte ja... Prügelknabe der Kämpfergilde... kein bisschen zivilisiert...' Über Nacht nickte Arranges mehrere Male über dem Buch ein, aber als der nächste Morgen heraufzog, hatte er seinen Schlaf übergangen und saß immer noch gefesselt über dem Buch, als Erynn langsam erwachte.

Sie wurde von der Morgensonne geweckt, die warm auf ihr Gesicht schien. Erynn streckte sich, bis die Gelenke knackten und öffnete ein Auge. Arranges hockte unverändert über dem Buch - sie vermutete, daß er wieder einmal nicht geschlafen hatte. Wie hältst du das bloß aus, fragte sie sich und warf dem strahlend blauen Himmel einen mißmutigen Blick zu. Meinetwegen hätte es heute ruhig regnen können. Dann wäre der Bücherwurm hier wenigstens gezwungen gewesen, den Folianten für ein paar Augenblicke wegzupacken.
"Guten Morgen." Sie schüttelte die Decke aus und löschte die Reste des Feuers. "Wir sollten langsam losgehen und die Pferde abholen." Sieht so aus, als hätte ich heute mal wieder Zeit fürs Frühstück.
"Wer ist eigentlich Marie?" - "Was?" - "MARIE. Die Frau, die uns diese Mörderin auf den Hals gehetzt hat."

Als Erynn die Pferde erwähnte, klinkte sich bei Arranges zumindest ein Teil seiner Aufmerksamkeit aus und schweifte zu der Dunmer. Als sie Marie erwähnte, war er gezwungen, doch noch ganz aufzuschauen und sich mit ihr zu... beschäftigen. 'Marie...' Wiederholte Arranges langsam den Namen. Verdammt, ich kann ihr schlecht sagen, wer Meisterin Marie ist... wie erkläre ich ihr das am besten? Mit einem Auge schielte er schon wieder in den Folianten, als er ihr lustlos antwortete: 'Sie hat... sie ist auch eine Magierin, sie hat Torrah zum Teil gelehrt...' Mit einer abwinkenden Geste, als wolle er irgendeinen Lakaien auffordern, sich zu entfernen, bedeutete er Erynn, dass sie ihn weiterlesen lassen soll und nicht mehr nerven, dann blickte er wieder auf die Seiten und las weiter, ohne sie nochmals eines Blickes zu würdigen.

Die Elfin gab es auf. Männer. Nein, viel schlimmer... Magier! Sie ließ ich wieder auf den Rücken ins Moos fallen und vertrieb sich die Zeit damit, Mücken mit einer Hand zu fangen. Wenn ich wenigstens noch meinen Bogen hätte, dann könnte ich ein bißchen jagen gehen... ach, was solls. Wäre ohnehin Wilderei. Erynn folgte der Überlegung und stellte fest, daß ihr ein solcher Gesetzesbruch mittlerweile herzlich egal wäre. Sie langweilte sich fürchterlich.
Die Sonne war schon über den Zenit hinweggewandert, als sie es nicht mehr aushielt.
"Arranges?" Sie stand auf und ging zu dem Berschwörer herüber. Kurz überlegte sie, welches Bein in der Klosterruine nochmal verletzt worden war. Sie wählte das andere und trat ihm kräftig gegen den Oberschenkel. "Hey! Ich rede mit dir! Wenn diese Marie eine Lehrerin von Torrah war, wie wird sie wohl darauf reagieren, daß ihr Schützling tot ist? Vor allem, weil sie uns schon vorher nicht gerade wohlgesonnen war - warum auch immer?" Sie machte eine kurze Pause und kratzte das Wenige zusammen, was sie an Bildung mitbekommen hatte. "Los, Mann, sprecht mit mir. Solltet Ihr das Gelesene nicht ohnehin mal langsam sacken lassen? Damit es sich verfestigt oder so? Ganz abgesehen davon, daß wir ganz andere Probleme haben werden, wenn sie uns einen weiteren Assassinen schickt."

'Au!' Arranges schreckte hoch und rieb sich unwillkürlich die Stelle, wo Erynn ihn getreten hatte. Verstädnislos schaute er ihr in die Augen, bevor er antwortete: 'Diese Frau mochte mich vorher schon nicht, da spielt es jetzt keine Rolle, ob sie mich noch weniger mag...' Er schlug das Buch zu, behielt aber zwei Finger der einen Hand auf der aktuellen Seite, zwischen den Blättern. 'Ihr versteht den Zusammenhang sowieso nicht...' Meisterin Marie darf sich nicht einmischen, die Regeln der Gathering verbieten es ihr... 'Ihr habt keine Ahnung, von wem ihr da sprecht, wenn ihr den Namen Marie in den Mund nehmt und noch weniger Ahnung habt ihr von den Hintergründen... und vielleicht ist es euch nicht aufgefallen, aber ich bin hier gerade sehr beschäftigt, also... warum geht ihr nicht und verprügelt einen Baum oder so, dann hättet ihr wenigstens jemand mit dem selben Niveau vor euch...' Ohne eine Miene zu verziehen schlug Arranges das Buch wieder auf und las einfach weiter.

Erynn ging vor dem Beschwörer in die Hocke und starrte ihn an. "Ich verprügel Euch gleich. Schön, daß Ihr so selbstsicher seid, aber diese Dunkelelfe war nicht nur hinter Euch her."
Arranges schien fest entschlossen, sie zu ignorieren. Verdammt, ist das wirklich nötig? Ist ja nicht so, daß ich von solchen Dingen Ahnung hätte... Sie beugte sich vor und drückte dem Kaiserlichen einen Kuß auf die Stirn. "Habe ich jetzt Eure Aufmerksamkeit? Starrt nicht so dämlich, das war Notwehr!"

Arranges sah nur, wie der Schatten von Erynns Torso über die aufgeschlagene Seite wanderte und im nächsten Moment spürte er ihre Lippen auf seiner Stirn. Er musste ausgesehen haben, als verstünde er die Welt nicht mehr. Völlig sprachlos schaute er der Dunmer in die Augen. Dann nahm er eine Hand vom Buch und rieb sich damit ungläubig über die Stirn, nahm sie wieder runter und schaute auf die Hanfläche, als würde er irgendwie Blut oder sonstetwas erwarten. Wieder blickte er Erynn in die Augen. 'Sagt mal... habt ihr euch irgendwo den Kopf gestoßen oder was?' Der Kaiserliche bemühte sich um einen abfälligen Ton, aber der gelang ihm nicht im Geringsten. Er rieb die Hand einmal neben sich im Gras ab, schlug das Buch zu und sprach dann mit versucht genervt klingender Stimme weiter: 'Was wollt ihr denn?'

Was denn? So schlimm? "Ich will wissen", wiederholte sie und betonte dabei jedes einzelne Wort, als spräche sie mit einem Schwachsinnigen "wer dieses Weib ist und warum sie hinter uns her ist. Ihr scheint sie zu kennen - aber ich habe keine Ahnung, womit ich sie verärgert hätte, und das gefällt mir nunmal nicht."

'Ich kenne sie und habe euch bereits genug gesagt, damit ihr wisst, wer sie ist... den Rest kann ich euch nicht sagen... Ihr habt sie nichts verärgert, wenn dann nur ich...'

Erynn hob in einer nachgebenden Geste die Hände. "Na schön... na schön. Behaltet Eure Geheimnisse. Dann werde ich es eben auf anderem Wege herausfinden." Sie erhob sich und begann aufs neue damit, Feuerholz zusammenzuklauben. "Es ist ohnehin schon Nachmittag. Meinetwegen bleiben wir noch eine Nacht hier. Es scheint ohnehin keine Macht auf Nirn zu geben, die Euch von diesem Buch wegreißen kann. Ich werde Euch nicht mehr stören. Jedenfalls nicht bis morgen früh."

Na endlich, das Glück scheint mich wohl doch nicht komplett verlassen zu haben... Arranges erwiederte nichts mehr, stattdessen schlug er wieder das Buch auf und las weiter. Der Abend zog herauf und mit ihm dichte Quellwolken aus Norden. Bedächtig starrte Arranges von Zeit zu Zeit in den Himmel. Es wurde dunkel und ein leichter Wind kam auf. Erynn legte sich gerade schlafen, als die ersten, vereinzelten Regentropfen vom Himmel fielen. Verdammte Scheiße! Arranges konnte unmöglich bei Regen lesen. Schnell wickelte er den Folianten in seinen Umhang. Er legte das Bündel an einen Baum und setzte sich davor... Nur wenig später verschwamm die Landschaft hinter einem Vorhang aus vielen, dicken Regentropfen, die auf die Erde prasselten. Der Kaiserliche schirmte das Bündel mit seinem Körper gegen den Regen, wobei er selbst komplett durchnässt wurde. An Schlaf war in dieser Situation kaum zu denken, zum Glück hatten sie das Feuer so groß geschichtet, dass es zwar zischend qualmte, aber nicht wirklich vom Regen beeinträchtigt wurde. Der Regen ließ nicht nach und irgendwann döste Arranges doch mit dem Kinn auf der Brust ein.