Arranges hatte sich eigentlich Hoffnungen gemacht, ihren Fragen entgehen zu können, wenn er einmal ein wenig mehr verrät. Er hatte vergeblich gehofft. Warum zum Teufel frägst du mich solche Dinge? Was hab ich dir getan?! Er wollte sie direkt mit ein paar wenigen Worten zum Schweigen bringen, aber ehe er irgendetwas sagen konnte, versuchte sie sich zu erklären... Seid doch nicht so dumm! Was sollte ich vermissen... außer der Ruhe, die ich bekommen würde, würdet ihr endlich den Mund halten... Etwas in seinen Erinnerungen knackte. Arranges, reiss dich zusammen, sie will dich nur loswerden... wenngleich diese Taktik von ihr neu ist, aber lass dich nicht darauf ein! Aber Arranges konnte nicht das sagen, was er ihr am liebsten gegen den Kopf geworfen hätte, damit sie endlich schwieg. 'Nun, zunächst ist es nicht nur ein Pferd, sonder mein Pferd... und was sollte ich sonst vermissen? Der Rotfuchs ist nicht fähig, mich zu hintergehen, sich irgendwelche Gedanken darüber zu machen, was ich tue oder was nicht... Dazu beherrsche ich Dinge, die mich wirklich nichts anderes vermissen lassen... Oder was meintet ihr?' Er klang nicht etwa gereizt, sondern eher ein wenig verständnislos. Bei ihrer Frage kam ihm nicht in den Sinn, dass sie vielleicht tatsächlich von Familie oder engen Freunden sprach. 'Und warum... ich meine, weshalb... macht euch meine Erzählung traurig? ... Ihr habt doch sicher ganz andere Probleme, die es nicht wert sind, hinter dem Nachdenken über meine Worte, anzustehen...'

Erynn stieg über eine Wurzel hinweg. "Nein, eigentlich habe ich keine größeren Probleme. Das heißt, ich hatte keine, bevor Ihr meinen Weg kreuztet. Aber darum soll es jetzt nicht gehen. Es macht mich traurig, daß Ihr scheinbar keinen Menschen in Eurem Leben habt, mit dem Ihr Freude und Trauer teilen könntet. Ein Tier kann Euch nicht verraten, das ist wahr. Es kann aber auch sonst nicht viel. Das Pferd gehorcht Euch, weil es Euch als Meister akzeptiert, und folgt Euch nicht aus Freundschaft oder ähnlicher Verbundenheit. Habt Ihr solche Angst, verletzt zu werden, daß Ihr niemanden an Euch heranlassen wollt?"
Plötzlich fragte die Elfin sich, mit welchem Recht sie Arranges eigentlich mit diesen Fragen löcherte. Sie fühlte sich an die Missionare des Kaiserkults erinnert, die durch Cheydinhal schwirrten wie die Schmeißfliegen, um der eingewanderten Dunmerbevölkerung die 'Wahrheit' zu bringen, ohne zu begreifen, daß sie für die Dunkelelfen nicht viel mehr waren als ein amüsantes Gesprächsthema. Andererseits... sie wollte ja gar nichts von dem Beschwörer. Nicht seinen Glauben an ihre Ansichten, ja, nicht einmal seine Zustimmung. Es tat ihr einfach nur leid, daß er sich so in sich selbst verkroch, ohne jemanden das Gewicht, das auf seiner Seele lasten mußte, mildern zu lassen. Daß es so war, dessen war sie sich mittlerweile sicher. Sein ganzes Verhalten ist ein Widerspruch in sich. Irgend etwas zerreißt dich innerlich, Mensch. Ich muß kein Seelsorgepriester sein, um das zu erkennen.
"Allein der Widerstand, Eure Wunde von mir versorgen zu lassen, war bezeichnend", erinnerte sie ihn an die Szene im Hochland. "Ihr habt Euch nicht nur vor einer Nadel gefürchtet. Ihr hattet Angst, mir die Kontrolle überlassen zu müssen."
Jetzt war es also heraus. Ganz schlicht, ohne jeden Triumph in der Stimme sagte sie diese Worte.

Verfluchte Dunkelelfin! Was fällt dir ein?! Arranges blieb stehen und riss Erynn zurück. Mit Gewalt drehte er sie an den Schultern packend, zu sich herum und schien sie mit dem Brennen in seinen Augen versengen zu wollen. Mit der Kraft seines Jähzorns zwang er sie rückwärts zu stolpern, aber schon nach ein zwei Schritten drückte er Erynn hart mit dem Rücken gegen einen mächtigen Baumstamm. Seine Augen waren hasserfüllt. Ja, der Hass war so herrlich kühlend für seine brodelnden Gedanken und drängte die Erinnerungen wieder zurück in ihr steinernes Gefägnis, welches von Erynns Worten aufgeknackt wurde und aus dem jetzt Bilder in seinen Kopf fluteten, die er lange lange vergessen glaubte. Eine Hand legte er nun an die Gurgel der Dunmer und drückte leicht zu, mit der anderen Hand zückte er sein dolchartiges Gebrauchsmesser und legte es ihr oberhalb seiner Hand an die Kehle. 'Wie könnt ihr es wagen? Dieser Rotfuchs ist kein Tier, er ist das was ihr alle nicht habt, er mag mich wie ich bin, nicht wie ihr alle da draußen, ihr Ignoranten! Er ist mein Freund und Begleiter.' Arranges drückte ihre Kehle zu, bis seine Fingerknochen schneeweiß hervortraten ehe sie etwas dazu sagen konnte. Er sah sein Spiegelbild in ihren leidvollen Augen. Die von Hass verzerrte Fratze, seine gefletschten Zähne, die bösartig funkelnden, fast schwarzen Augen. Erynn japste gierig nach Luft, von der sie ja doch nur so wenig in ihre Lungen saugen konnte. Arranges war begeistert von seinem Spiegelbild. Trotz ihrer für ihn extremen Worte blieb er stark. Nach einem weiteren Augenblick ließ er sie endlich los. Er steckte sein Messer weg und ging ein paar Schritte zurück. Doch was tat er nun gegen die unerwünschten Erinnerungen... Seine Miene war nicht länger von Zorn geprägt, er kümmerte sich im Moment nicht um die Leiden der Dunmer, er starrte mit versteinertem Gesicht vor sich auf den Boden und versuchte die Bilder in seinem Kopf, die er dort nicht haben wollte, wieder zurück zu drängen.

Erynn versuchte nicht einmal, sich gegen den Griff zu wehren, mit dem er sie bei der Gurgel packte. Sie hatte es übertrieben, mal wieder. Ihr wurde schwarz vor Augen, während Arranges ihr seinen ganzen Haß entgegenschrie. Als er sie endlich losließ und das Messer von ihrer Kehle nahm, sackte sie an dem Baumstamm zusammen.
Langsam hob sie den Blick und schaute zu dem Nekromanten auf, der jetzt einige Schritte vor ihr stand und offenbar völlig aus dem Gleichgewicht war. Nein, normalerweise hätte sie wahrhaftig nicht das Recht sich einzumischen, aber es war seine Besessenheit gewesen, die sie auf diesen gemeinsamen Weg geführt hatte, also mußte er eben damit klarkommen. Erynn hatte die Grenze längst überschritten, konnte nicht mehr zurück, selbst wenn sie es gewollt hätte. Dieser verrückte Kerl... bedeutete ihr etwas. Die Erkenntnis traf sie selbst überraschend.
"Wie ich schon sagte", krächzte sie kraftlos. "Ihr ertragt es nicht, die Kontrolle zu verlieren. Ihr könnt mich erschlagen, und jeden anderen, der das Pech hat, dahinterzukommen. Trotzdem wird es immer Eure größte Schwäche bleiben. Und eines Tages wird es Euch den Hals brechen. Spätestens dann, wenn Ihr auf jemanden trefft, der genau das auszunutzen weiß. Diese Frau... Torrah. Wenn sie so schrecklich ist, wie Ihr sagt, wird sie längst wissen, was ich eben erst herausgefunden habe. Glaubt Ihr denn, daß sie sich mit Eurem kostbaren Buch in irgendeinem Loch versteckt hat und zitternd darauf hofft, daß Ihr sie nicht finden werdet?"
Erynn schüttelte den Kopf. "Sie weiß genau, daß Ihr kommt. Sie hat Euch schon einmal überlistet, wie Ihr sagtet. Sie wird es wieder versuchen, und dabei genau auf diese Schwäche zielen. Das hier ist ihr Spiel, und sie kontrolliert es. Wie wollt Ihr es gewinnen, wenn Torrah Eure wichtigste Waffe längst in Händen hält?"
Die Dunmerin schloß die Augen. "Ihr werdet mir endlich vertrauen müssen, Arranges, oder keiner von uns beiden kommt hier lebend raus."

Arranges hatte alles, was er in seinen Gedanken nicht haben wollte gerade wieder in den viel zu kleinen Schrank in seinem Hinterkopf gestopft und nahm die Hände von den Türen, welche sich knarzend in seine Richtung wölbten, als Erynn wieder Gebrauch von ihren ihn so arg treffenden Worten machte. 'Genug!' Sagte er laut und bestimmt. Er musste sich setzen, ließ sich einfach auf den Boden plumbsen. Mit aufgestellten Beinen, die Arme auf den Knien aufgelegt, richtete er den Blick auf Erynn. 'Genug...' Keuchte er noch einmal. Es klang verzweifelt. Ihre Worte waren die Wahrheit, die er nicht leugnen konnte. 'Torrah hat mich, als sie mir das Buch abnahm nicht das erste Mal überlistet. Ständig, bei jedem Aufeinandertreffen, finde ich mich schon nach kurzem wieder unter ihrem Einfluss stehend, dem ich mich nicht entziehen kann... Ich vermeide Begegnungen mit ihr, wo ich kann, jedes Mal, wenn ich weiss, ich werde sie wieder treffen, quäle ich mich selbst, auf das ich mich nicht wieder von ihr kontrollieren lasse... Aber sobald ich sie sehe... diese vollkommene Schönheit, ihre Augen, so klar und makellos, wie eine wolkenfreie Sternennacht, ihre Stimme wie ein Lied, das nicht den Umweg über die Ohren zu nehmen scheint, sondern direkt das Herz trifft, ihre Berührungen... unbeschreiblich... Und es widert mich an, wenn ich daran denke... sie hat mich schon für die übelsten Dinge benutzt, da sie selbst kaum die Kraft und das Wissen dafür gehabt hätte... Aber das Schlimmste ist, ich verliere die Kontrolle, ich kann nichts dagegen tun, gegen diese Demütigung... ich habe keinen EInfluss darauf, wie damals, als meine Eltern...' Er verschluckte seine letzten Worte, erschrocken darüber, dass er sie fast ausgesprochen hätte... Hastig kehrte er den Blick nach innen, verschloss seine eben noch durchlässigen Augen, die jeden bis auf den Grund seiner Seele hätten blicken lassen. Erst, als er die hässlichen Erinnerungen und Gedanken wieder sicher - und dieses Mal achtete er darauf, dass das Gefängnis sicher kein Leck hatte - weggeschlossen hatte, widmete er seine Aufmerksamkeit wieder Erynn. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben dass er nicht froh darüber war, von ihr so ausgenommen zu werden. Früher oder später hätte ich ihr sowieso erzählen müssen, gegen wen wir kämpfen müssen, um das Buch wieder zu bekommen... aber das Wie der Worte, hätte ich dann bestimmt... Arranges versuchte sich einzureden, dass es nicht zu schlimm war, ihr das gesagt zu haben und darüber erstarkte wieder sein Stolz und seine Mentalität, die er anderen gegnüber normalerweise zeigte. Nur seine Augen verrieten, dass Erynn einen Weg beschritten hatte, den nie zuvor einer seiner Begleiter genommen hatte, um mit ihm gut kooperieren zu können, was zum Henker trieb diese Elfin an?