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Legende
Müde schlurfte Arranges durch die Gassen der Stadt, bis er vor der Taverne Zur Westebne stand. Er wollte gerade die Tür aufschieben, als ihm wieder einfiel, dass er jetzt zwar ein halbes Vermögen in Form des Schamanenstabs mit sich führte, dies aber die Wirtin herzlich wenig interessieren würde, solange sein Vermögen nicht gülden, klein und rund war. Verfluchter Dreck... Arranges wollte schon aus einem Reflex heraus gegen die Tür treten, konnte sich aber dann doch zurückhalten. Gut, was mache ich jetzt? Er überlegte einen Moment, bis er zu der Gewissheit kam, dass Falanu wohl die einzige Möglichkeit auf ein Bett und den damit verbundenen erholsamen Schlaf sein würde. Manchmal glaube ich, es wäre doch besser gewesen, wäre ich Priester geworden... vielleicht hätten mir die Götter dann nicht so übermäßig viele Steine in den Weg geworfen... Der Kaiserliche wandte sich von der Tür ab und ging in die Richtung, in der Falanus Alchemiegeschäft war.
Es dauerte nicht lange, da stand er auch schon vor der breiten Bogentür. Er lehnte sich erst nochmal zur Seite und spähte durch das Fenster neben der Eingangstür, ob drinnen vielleicht noch Licht brannte, aber es war dunkel. Demnach war auch die Tür verriegelt. Arranges fuhr sich einmal genervt über die Stirn und klopfte dann. Augenblicke, die ihm wie die Ewigkeit vorkamen, passierte nichts. Er klopfte nochmals. Dann, als er sich gerade schon zum Gehen wenden wollte, wurde im ersten Stock über ihm ein Fenster geöffnet. Der Nekromant sah auf und erkannte nicht mehr als die dunklen Umrisse eines Kopfes mit langem Haar, welches im fahlen Mondlicht rötlich schimmerte. 'Wer ist da?' Hörte er von oben. 'Wie?! Du erkennst mich nicht?' Sie erkannte Arranges an seiner Stimme und sofort wurde das Fenster zugezogen und nur wenig später entriegelte Falanu die Tür vor ihm. Dass sie ihn am liebsten gleich in die Arme geschlossen hätte, war ihm keinesfalls entgangen, aber die Dunkelelfe hielt inne, als sie das Blut auf seinem Mithrilpanzer glitzern sah. 'Seid ihr verletzt?'
'Nein, ich bin nicht verletzt und nein, es ist niemand hinter mir her... ich bin jetzt lediglich müde und...' Er sah in ihre Augen und beendete den Satz nur in Gedanken: ... Und brauche nur eine Unterkunft, weil ich kein Geld für die Herberge habe... Aus irgendeinem Grund konnte Arranges nicht so abweisend sein, wie er jetzt gern gewesen wäre. Naja, denk an die langjährige Freundschaft mit ihr... sie ist nicht irgendwer, mit dem du mal für ein paar Tage unterwegs warst... Versuchte er sich die ganze Situation plausibel zu erklären. 'Was hast du denn gemacht, dass du jetzt, lange nach Mitternacht, noch bei mir Quartier beziehen willst?'
'Das ist eine längere Geschichte und außerdem gar nicht so spannend, wie es der Anblick meiner Rüstung zu vermitteln sucht...' Er musste sich nicht bemühen, erschöpft zu klingen, um weiteren Fragen zu entgehen, tatsächlich hielt er sich nur noch mühsam auf den Beinen. Falanu, die sich aus Arranges Sicht perfide darauf spezialisiert hat, auf jede noch so kleine Geste oder Veränderung des Kaiserlichen zu achten und diese zu deuten, sah ein, dass sie auf weitere Fragen keine Antworten bekommen würde... und im Grunde war es ihr auch egal.
Arranges wachte am nächsten Morgen aus einem ungewöhnlich erholsamen Schlaf auf. Aber als er sich die Augen reiben wollte, wunderte er sich über seine so leicht wirkenden Arme. Er blinzelte die letzte Müdigkeit aus den Augen und schaute dann auf seine nackten Unterarme, die er sich nun vors Gesicht hielt. Was zum Henker... ich war doch wohl nicht betrunken gestern Abend?! Ich weiss sicher, dass ich mich mit Arm- und Beinschienen schlafen gelegt habe... Verwirrd richtete er sich im Bett auf. Er hatte nur seine Kniehose und ein naturgraues Leinenhemd an. Falanu hatte ihm in der Nacht, als er im Halbschlaf war, die Rüstung ausgezogen und die zahlreichen Schrammen versorgt. Obwohl nicht schlimm oder arg schmerzhaft, war die Dunkelelfe trotzdem eifrig dabei, ihn so gut sie konnte, zu versorgen. Auch den Mithrilpanzer hatte sie gesäubert.
Voll angezogen - seine Ausrüstung lag neben dem Bett - kam Arranges die Treppe in den Verkaufsraum herunter, wo Falanu gerade einen Kunden verabschiedete. Als der Fremde die Tür hinter sich zuzog, sah die Dunkelelfe zu ihm herüber. 'Hast du gut geschlafen?' Mit einem Lächeln, das der aufgehenden Sonne in nichts nachstand, kam sie auf ihn zu. 'Ja... ich hoffe, ich kann mich dafür irgendwann einmal auch revangieren...' Und noch im selben Moment, als er diese Worte sprach, rügte er sich in Gedanken dafür. Die Augen der Dunmerin begannen zu leuchten. Ein Priester, wie gesagt... am besten noch mit Schweigegelübte...
Um die Situation nicht ins Peinliche abrutschen zu lassen, verabschiedete sich der Kaiserliche relativ schnell und schlug den Weg zur Magiergilde ein. Dort verkaufte er den Schamanenstab und bekam eine nette Summe dafür, zwar nicht das, was er sich dafür erhofft hatte, aber es war trotzdem ein ordentlicher Betrag, mit dem er fürs Erste ganz gut leben konnte. Nach einer Mahlzeit in der Taverne Zur Westebne, verließ er Skingrad. Es war kurz nach Mittag und die Sonne wandte sich schon wieder gen Westhorizont, als Arranges auf dem Rücken seines Rotfuches nach Norden auf das Colovianische Hochland zusteuerte.
Fast zwei Tage brauchte der Nekromant, bis er endlich zwischen den teils dichten Nadelwäldern dieser Gegend endlich einen mehr oder weniger klobigen Holzbau erspähen konnte um den eine mannshohe Palisade verlief. Na endlich, ich dachte schon, ich finde es nicht mehr... Der Kaiserliche hielt auf die Festung im Kleinformat zu und brachte sein Pferd vor dem Tor zum Stehen. Einen Moment schaute er etwas unbehaglich auf das grob gezimmerte Flügeltor, dann aber stieg er ab und hämmerte zweimal kräftig dagegen. Eine kleine Luke öffnete sich plötzlich auf Arranges Brusthöhe. Der Magier musste sich etwas herunterbäugen um hindurchsehen zu können, nur um dann in die schwarzen Knopfaugen einer Goblinfratze blicken zu müssen. Einen Augenblick lang starrte die Kreatur ihn an und schloss dann die Luke wieder. Was im Namen Sheogoraths...? Plötzlich war Grunzen und Schnattern hinter der Palisade zu vernehmen, eine anscheinend sehr massive Holztür wurde geöffnet, nur um sogleich wieder ins Schloss zu krachen. Einen Augenblick später wurde die Tür wieder geöffnet und nochmals einen Moment später schwangen die Flügel des Tors ächzend nach innen auf. Dahinter kam eine an Umfang mächtige, aber nicht fett wirkende Gestalt in Mönchskutte zum Vorschein. Neben ihr ein Goblin in Lederrüstung und einer goblingerechten, jetzt mit dem hinteren Ende auf dem Boden aufgestellten Lanze in einer Hand, in der andere ein kleiner lederbespannter Schild.
'Arranges, was für eine Überraschung euch zu sehen.' Rief ihm der Mönch sichtlich erfreut entgegen und trat einige Schritte auf ihn zu. Auch Arranges war froh, den guten Freund wieder zu sehen. Sogleich wurde der Kaiserliche hereingebeten. Drinnen herrschte eine gemütliche Atmosphäre, wie man sie sonst aus Bibliotheken kennt.
'Es ist wirklich schön, dass du mich besuchst... überhaupt, dass du hergefunden hast...' Sagte der Mönch und grinste.
'Das ist doch selbstverständlich!' Gab Arranges lachend zurück. 'Aber um meinem Besuch einen Grund zu verleihen, will ich keine Zeit verlieren und dir sagen, weshalb ich gekommen bin.'
'Ah, du brauchst wiedereinmal meine ganz spezielle Hilfe...'
'Genau... Und zwar erinnerst du dich sicher noch an das Buch... das ich... habe stehlen lassen... diese Sache dürftest du unzweifelhaft mitbekommen haben...'
'So ist es... die Mönche im Kloster... mittlerweile kann man die Anlage auch getrost Ruine nennen, sind zwar führerlos und sie massakrieren sich auch öfter mal gegenseitig und tun die abscheulichsten Dinge, aber wehe dem, der ihren Archiven zu nahe kommt... Aber dein Dieb hat es dennoch geschafft... dafür mein Lob, ich hätte es nichtmal gewagt, mich in Sichtweite dieser Festung zu begeben...'
'Ja, das ist das Problem, dieser Narr hat es geschafft und wollte mir das Buch vorenthalten... ich habe es mir dann eben... gegen seinen Willen geholt... Dumm nur, dass ich dabei auf fremde Hilfe vertraut habe und mir so der Foliant, kaum, dass ich ihn in Händen gehalten habe, wieder abgenommen wurde...'
'Und jetzt weisst du nicht, wie du ihn wiederholen kannst und du hast auch keine Ahnung, wo der andere mit dem Buch hinverschwunden ist?'
'So ist es.' Arranges war es fast ein wenig peinlich, aber daran konnte er jetzt nichts ändern.
'Nun, es gibt eine Möglichkeit... so hat auch das Kloster damals den Folianten inmitten eines zerstörten Magazins in Schwarzmarsch im Niergendwo gefunden... weiss der Geier, wo seine Obrigkeit dieses... Artefakt... damals her hatte. Es ist eine Art Wegweiser... aber nicht einer von jenen dumpfen Holzschildchen, die dir sagen, welchen Weg du zur Kaiserstadt nehmen musst, sondern ein Wegweiser, der dir sagt, wie du den Weg zur Kaiserstadt nehmen musst...'
'Du sprichst in Rätseln.'
'Tu ich das nicht immer?'
'Ja doch, eigentlich schon...' Meinte Arranges und beide mussten sie grinsen.
'Schau her, es ist ein kleines Religt aus uralten Zeiten, allein seine Obrigkeit wusste, wie alt es möglicherweise gewesen sein konnte. Ein kleines unscheinbares Amulett, welches von der richtigen Person getragen, jeden, der es darauf anlegt, zu diesem Buch führt. Der Haken an der Sache ist, dass dieses Religt seine eigene Vernunft zu besitzen scheint und niemanden, der mit Themen, die das Buch behandelt, vertraut ist, zu diesem Folianten führt.'
'Das heißt, ich brauche bestenfalls einen ganz normalen Bürger?'
'So ist es.'
'Und wo ist dieses Amulett jetzt?'
'Sofern es neimand entwendet hat, ist es immer noch im Kloster, in den Gemächern der Obrigkeit. Allerdings und das ist das zweite Problem an diesem Schmuckstück, sieht es aus, wie ein ganz gewöhnliches Amulett... Es kann von Magiebegabten nicht als das gesehen werden, was es tatsächlich ist. Und das bedeutet, dass du es nichteinmal finden könntest, hinge es direkt vor deiner Nase.'
'Aber wie hat es dann die Bruderschaft angestellt, an dieses Artefakt zu kommen?'
'Wie gesagt, das weiss eigentlich niemand so genau... Aber ich könnte mir vorstellen, dass die Obrigkeit einen freien Geist, die Sele eines normalen Bürgers, so manipuliert hat, dass sie wie von einem Jagdhund geführt, an ihr Ziel gekommen ist... der Rest, das Amulett an sich zu nehmen, war ja dann nicht mehr zu schwer...'
'Das heißt also, dass ich ersteinmal jemanden brauche, der von Magie keine Ahnung hat, nur um dieses Amulett überhaupt zu finden? Und wie werde ich einen normalen Bewohner Nirns dann dazu bringen, dass er mich zu diesem Ding führt?'
'Das kann ich euch nicht sagen, weil ich weder etwas genaues weiss, noch irgendeine Vermutung habe.'
Noch am selben Tag brach Arranges wieder nach Skingrad auf, die ganze Zeit mit dem Gedanken beschäftigt, wie er jemanden, den er nicht über seine Künste und Fähigkeiten so gut kannte, dass er ihn oder sie als vertrauenwürdig bezeichnet hätte, dazu bringen könnte, für ihn den Spurensucher zu spielen.
Für die Rückreise brauchte der Kaiserliche nicht so lange, sein Rotfuchs war entsprechend ausgelaugt, aber nicht komplett erschöpft. Wieder in der Nacht passierte er die Tore Skingrads und nahm sich dieses Mal wieder in der Taverne Zur Westebne ein Zimmer.
Geändert von weuze (19.01.2011 um 12:45 Uhr)
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