Isabella hatte Laurenz die gleichen Worte ins Ohr geflüstert, die er an sie gerichtet hatte. Sie musste sich furchtbar klug vorkommen, aber für Laurenz war es nur eine Bauernschläue.
"Ihr irrt Euch gewaltig, Isabella, und doch steckt in Euren Worten ein Körnchen Wahrheit. Wenn ich falle, steht es zwei gegen eins. Aber nach dieser Nacht wird es nicht mehr einer gegen einen gehen, sondern zwei gegen null. Es wird kein morgen mehr geben, an dem sich ein heute gemachter Fehler richten ließe. Ich kann Euch Euer Vertrauen in Avery wohl nicht absprechen, aber habt keine allzu großen Hoffnungen in ihn."
Nun wandte er sich an Roland, der ihm beim Verlassen des Wirtshauses noch einige Worte nachgeworfen hatte. Laurenz versuchte, so ruhig wie möglich zu ihm zu sprechen.
Roland, missversteht mich nicht. Ich sehe keinen Verräter in Euch. Wenn Ihr ein falsches Spiel gespielt hättet, hättet Ihr eine Narrheit begangen. Ich weiß es, denn ich habe diesen Fehler bereits begangen. Aber nein, ich glaube schon, dass Ihr nach bestem Wissen auf die Weise gehandelt habt, die für Euch richtig erscheint. Vielleicht wird Euch dieses Verhalten heute einen Sieg bescheren.
Wenn Ihr aber der eine sein solltet, auf dessen Seite ich heute stehen sollte, tut es mir leid, denn Ihr würdet diese Nacht ebenfalls sterben. Doch Ihr wisst genau, dass nur diese zwei Möglichkeiten gibt, auf die wir hoffen konnten, wenn wir überleben wollen. Ihr oder ich, einer von uns beiden müsste der letzte Werwolf sein."
Sein Blick richtete sich wieder auf Isabella.
"Wenn Ihr es nicht wart, die Winfried vergiftete, waren meine Hoffnungen vergebens. Aber wenn doch, glaubt nicht, dass Ihr etwas aus Eurer Verschwiegenheit gewinnen werdet. Ihr könnt es frei aussprechen, wer Ihr seid, ohne noch etwas befürchten zu müssen. Selbst, wenn Ihr der Günstling der Wölfe wäret. Und nicht Avery, von dem ich ausgehen musste, wenn noch eine kleine Chance verbleiben sollte."
Laurenz seufzte tief.
"Ich war mir immer bewusst, dass ich auf einer meiner Missionen sterben könnte. Und bis vor kurzem glaubte ich auch, nichts zu haben, was mich davon abhalten würde, bis zum Äußersten zu gehen. Etwas, auf das man zurückblicken könnte. Aber ich irrte. Ich bin nicht so stark, wie ich hoffte. So stark, wie ich es sein sollte. Auch ich fürchte den Tod, obwohl ich auch mit ihm handle. Doch ich weiß, dass mir ohnehin nicht mehr viel Zeit bleibt. Wenn dies hier mein Schicksal sein soll, werde ich es akzeptieren müssen."