Am Hexenjägerlager angekommen machte sich Isabella daran Godfreys und Konrads Zelt abzubauen. Sie und Nicolo würden die Habseligkeiten untereinander aufteilen und am nächsten morgen, so hoffte sie, mit dem ersten Sonnenstrahl das Dorf verlassen können welches ihnen soviel Gram gebracht hatte.

Als sie jedoch in Godfreys Zelt stand und ihr Blick über die zerwühlte Lagerstatt schweifte, riss ihre eisige Maske ein weiteres, letztes Mal und sie sank auf die Knie und betete lautlos unter Tränen um Gnade und Frieden für Godfreys Seele, bis sie erschöpft eingeschlafen war.

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Der nächste Morgen brach lautlos an. Nur die schwachen Sonnenstrahlen weckten Isabella aus ihrem unruhigen Schlaf. Eine der kurzen Haarsträhnen kitzelte sie in der Nase, sie hatte Mühe die Haare unter den Hut einzuklemmen bis sie nicht mehr störten. Was war passiert?

Sie beschloss das Denken sein zu lassen bis sie wirklich wach war und stolperte aus Godfreys Zelt hinaus – und fiel beinahe über Nicolos leblosen Körper.

Entsetzt stolperte sie rückwarts in Nicolos Zelt hinein, die straff gespannte Plane hielt ihrem Gewicht aber stand und fing sie auf. Sie musste so müde gewesen sein das sie... sie hatte nichts gehört. Wie bei Konrad... das konnte doch nicht. Nicht auch noch der Gelehrte... nein... es hatte doch enden sollen. Mit dem schmerzlichsten Tod hatte all das enden sollen.

Sie erinnerte sich an die Worte des Gelehrten, das die meisten törichten Gestalten die eine Leiche fanden meistens zu dumm waren und viele Spuren verwischten. Spuren... sie suchte nach Spuren und es war offensichtlich das wieder ein Wolf sein Unwesen getrieben hatte. Die zerfetzten Wundränder, die Pfotenabdrücke – all das hatte sie schon zu oft gesehen.

Der Franzose hielt offensichtlich etwas umklammert... sie kniete sich vorsichtig neben ihn. Die geladene Waffe hatte er in seiner Rechten, seinen Degen hatte er nicht einmal gezogen. Wieso hatte er nicht geschossen? Sie wäre wach geworden... und hatte vielleicht all das verhindern können.

Unter seiner zusammengekrallten Linken hielt er das Notizbuch. Sie lächelte leicht, als sie den verwischten Titel sah: „Geteilte Loyalitäten“ … sie konnte inzwischen schon besser lesen, sie hatte wann immer sie Zeit hatte versucht ihre Lesekünste zu verbessern.

Sie schloss die Augen ihres letzten Gefährten und wickelte ihn in die Zeltplane, die sie von Konrads Zelt bereits beiseite gelegt hatte. Es wurde Zeit im Dorf erneut auf Jagd zu gehen – nachdem sie für ein anständiges Begräbnis gesorgt hatte.

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In der Bäckerei war bereits so kurz nach Sonnenaufgang viel los. Sie musste nicht reden um zu erfahren das in der letzten Nacht mehr als nur drei Jäger gestorben waren. „Callan ist heute morgen in seinem Bett gefunden worden. Lydia wollte nach ihm sehen, aber er lag einfach nur da. Friedlich, als hätte eine höhere Macht ihn von seinem Fluch und den Schmerzen befreit.

Callan war also auch tot. Sie hatten 5 Wölfe unter die Erde gebracht und es waren nur noch vier von den ursprünglichen Bewohnern übrig. Avery, Laurenz, Roland und sie. Einer von den Männern hatte Nicolo auf dem Gewissen. Sie hoffte auf Konrad, der sie hoffentlich von der Bürde einer weiteren falschen Wahl erretten würde.

Dann schrieb sie auf einen kleinen Zettel die Worte „Callan + Nicolo – begraben“ und gab ihn Lydia die als einzige noch resolut genug aussah um Entscheidungen zu fällen. „Mädchen, Mädchen was denkt ihr denn? Wir haben uns natürlich sofort um Callan gekümmert, immerhin verdanken hier viele ihm ihr Leben. Aber Nicolo... was ist denn geschehn?

Isabella zeichnete die Grimasse eines Wolfes auf das Papier, dann erhob sie sich und schlich ins Lager zurück um die übrigen Zelte abzubauen und nachzudenken.