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Engel
Andreas war wohl in Gedanken eingenickt, denn als ihn jemand ansprach, hatte er gar nicht mitbekommen, dass sich im jemand genähert hatte.
"He, du da, aufstehen!"
Irritiert schaute er auf. Doch als er bemerkte, dass sich ein Schwert direkt vor seiner Nasenspitze befand, war er sofort hellwach. Vorsichtig blicke er sich um. Soweit er sehen konnte, befanden sich überall Männer um ihn herum. Und ihrem Aussehen nach handelte es sich nicht gerade um Bauern. Anscheinend steckte er gerade in mächtigen Schwierigkeiten...
"Ich sagte aufstehen!"
Der Mann, der mit ihm sprach schien der Anführer der Truppe zu sein. Zumindest sah seine Ausrüstung noch am wenigsten rostzerfressen aus.
Andreas bemühte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Währenddessen arbeitete sein Verstand fieberhaft. Was wollten diese Männer von ihm? Schließlich stand er auf seinen Stock gestützt da.
"Also Bürschchen, wo ist euer Hauptmann?"
Das war schlecht! Erstens wusste er nicht, wo Isabella steckte, und zweitens würde es vermutlich kein gutes Ende nehmen, wenn dieses Männer (vermutlich handelte es sich um Söldner) auf die Hexenjäger treffen würden. Vermutlich würden die Hexenjäger einen Kampf beginnen, an dessen Ende das gesamte Dorf tot sein würde. Dazu durfte es nicht kommen! Daher antworte er lieber mit einer kleinen Lüge:
"Ich bin euer Ansprechpartner! Ich bin dazu berechtigt, im Namen des Dorfes zu sprechen."
Die Söldner blickten ihn einen Moment lang an und...
brachen schließlich in schallendes Gelächter aus.
Der Anführer schien jedoch ernst zu bleiben:
"Bürschchen, du bringst mich jetzt sofort zu eurem Hauptmann, sonst lass ich dich von meinen Männern in Stücke hacken. Du siehst nicht so aus, als ob du auch nur in der Lage wärst, eine Motte zum Licht zu führen!"
In Andreas Augen blitzte es auf. Anscheind musste er die großen Geschütze auffahren. Er lies seine Stock fallen und richtete sich kerzengerade auf.
"Ihr wisst wohl nicht mit wem ihr es zu tun habt?"
"Mit dem Dorftrottel?"
erwiderte einer der Söldner, doch der Anführer gebot ihm mit einer Geste zu schweigen.
"Du scheinst dich ja schrecklich wichtig zu nehmen. Und, mit wem haben wir die Ehre?"
"Ich bin Andreas von Hohenstein. Sohn und alleiniger Erbe von Gabriel von Hohenstein. Ich schätze dieser Name sagt euch etwas. Er ist zudem ein guter Freund des Mannes, unter dessen Herrschaft dieses Dorf steht. Ich wünsche also zu wissen, warum ihr hier bis an die Zähne bewaffnet in dieses Dorf eindringt und die armen Bürger hier bedroht."
"Oh, da scheint jemand einen interessanten Namen aufgeschnappt zu haben. Ich nehme nicht an, dass du deine Behauptung auch beweisen kannst?"
fragte der Anführer sarksatisch.
"Rein zufällig kann ich das wirklich. Seht ihr dieses Haus dort drüben? Es ist meines. Wenn ihr mir bitte dorthin folgen würdet, könnte ich euch von der Wahrhaftigkeit meiner Aussagen überzeugen."
"Nein, ich denke, wir beide bleiben mal schön hier. Stattdessen wirst du uns sagen, was wir in dem Haus finden können, und einer meiner Männer wird nachsehen, ob du die Wahrheit sagst."
Andreas sah ein, dass das wohl das Äußerste war, was er dem Mann abringen konnte.
"In dem Tischchen neben dem Bett gibt es eine Schublade. In dieser befinden sich ein Siegel meiner Familie sowie ein Schreiben meines Vaters, das meine Identität bestätigt."
Der Anführer wies auf einen seiner Männer:
"Du da, geh und sieh nach, ob das, was er sagt, wahr ist."
Der Mann lief sofort los und kam wenig später mit zwei gegenständen in den Händen zurück, die er dem Anführer reichte. Inzwischen hatten sich einige der Dorfbewohner eingefunden, die die Söldner aus einiger Entfernung ängstlich betrachteten. Zum Glück war von den kampfwütigen hexenjägern weit und breit nichts zu sehen. Nachdem der Anführer die beiden Gegenstände skeptisch gemustert hatte, gab er seinen Männern die Anweisung, die Waffen zu senken und reichte Andreas, der sich inzwischen wieder auf seinen Stock stützte, weil ihn die Kraft verlassen hatte, das Siegel und den Brief, bevor er sagte:
"Ich entschuldige mich, Bürsch... äh, Herr von Hohenstein. Aber wisst ihr, es ist leicht, etwas zu bahaupten, wenn man in schwierigkeiten steckt. Dürfte ich mir trotzdem die Frage erlauben, was ihr in diesem Dorf außerhab des direkten Einflussbereichs eures Vaters treibt?"
"Nein!"
Wenn die Kerle wüssten, weshalb er hier war, wäre ihr neugefundener Respekt vor ihm gleich wieder beim Teufel."
"Wie wäre es, wenn ihr stattdessen mir erzählt, was ihr hier zu suchen habt?"
"Der Graf von Düsterwald schickt uns. Wir wurden damit beauftragt, das Verschwinden einigen Silbers aus seiner Mine zu untersuchen, sowie das Verschwinden einiger unserer Männer. Sämtliche Spuren deuten darauf hin, dass dies auf Aktionen der hiesigen Dorfbewohner zurückzuführen ist."
Das sagte Andreas überhaupt nichts, andererseits hatte er an den letzten Tagen nicht viel mitbekommen. Sein Gehirn mahlte. Wie konnten sie aus dieser Sache heil rauskommen. Doch ausgerechnet als ihm erneut kurz schwindelig wurde, kam ihm die rettende Idee.
"Ihr könntet in der Tat Recht haben. Die Bewohner dieses Dorfes handeln momentan völlig irrational und ohne jeden Verstand. Dies ist auf eine hochansteckende Seuche zurückzuführen, die hier vor etwa einer Woche von einer Bande abtrünniger Hexenjäger eingeschleppt wurde."
Die ihn am nächsten stehenden Söldner wichen ein Stück zurück und Gemurmel setzte ein. Der Anführer, der bei Andreas Worten ebenfalls leicht bleich geworden war, fragte:
"Eine Seuche... Wie äußert sie sich?"
"Seht mich an. Und ich befinde mich bereits auf dem Weg der Besserung."
Andreas hoffte, dass die Söldner die anderen Dorfbewohner nicht allzu genau anblicken würden, so dass sie feststellen konnten, dass die meisten davon eigentlich ziemlich gesund wirkten.
"Viele Menschen sind bereits tot. Seht nur, wie wenige Personen sich hier eingefunden haben. Und die körperlichen Symptome sind nicht einmal das Schlimmste daran. Viel schlimmer ist der Wahnsinn, der mit der Krankehit einhergeht."
"Wahn... sinn?"
Der Anführer schien noch bleicher zu werden.
"Oh ja. Seit Tagen bringen sich die Dorfbewohner gegenseitig um. Sie sprechen von Monstern, übernatürlichen Wesen, die des nachts umgehen. Seht ihr dieses abgebrannte Gerüst da? Es war ein Galgen um diejeingen, welche sie für 'schuldig' halten, hinzurichten! Oder diese Liste da. Auf ihr stehen die Namen derer, die sie als nächstes hinzurichten gedenken! Nicht nur das, dieser Buchstabe da ganz oben. Sie interpretieren ihn als als Zeichen eines Geistes, der ihenn helfen will, die Monster zu erlegen! Haltet ihr es da für unmöglich, dass einige paranoide Dorfbewohner eine Silbermine gestürmt und nebenbei einige eurer kameraden ermordet haben?"
Während seiner Worte hatte die Unruhe unter den Söldnern immer weiter zugenommen, und sie blickten fast hilfesuchend zu ihrem Anführer, der sich allerdings auch nicht sonderlich wohl in seiner Haut zu fühlen schien.
"Das sind äußerst... beunruhigende Neuigkeiten. Ich fürchte, ich werde mich mit dem Graf in Verbindung setzen müssen, um weitere Anweisungen zu erbitten."
Sehr gut, das würde sie einige Tage kosten, selbst wenn sie einen berittenen Boten losschickten.
"Allerdings werde ich in der Zwischenzeit nicht erlauben, dass irgendjemand das Dorf verlässt, um ein weiteres Ausbreiten der Seuche zu verhindern."
"Dürfte ich vorschlagen, dass ihr solange außerhalb des Dorfes Stellung bezieht? Und behaltet eure Männer besser im Auge, wei gesagt, die Seuche ist äußerst anteckend."
Der Anführer schlcukte heftig.
"Das wird in der Tat das Beste sein. Männer, wir ziehen ab."
Die letzten Worte hatte er gebrüllt. Seine Männer konnten seinem Befehl gar nicht schnell genug nachkommen. Dann wandte er sich noch ein letztes Mal an Andreas:
"Ich hoffe sehr, dass ihr es schaffen werdet, diese Seuche unter Kontrolle zu bringen. Aber glaubt nicht, dass deswegen diese Geschichte aus der Welt ist. Sobald wir neue Anweisungen haben, werden wir entsprechend verfahren!"
Nach diesem Worten beeilte er sich, seinen Männern zu folgen.
Kaum war er außer Sichtweite, sank Andreas auf die Knie und erbrach die Suppe, die er heute von Callan als Frühstück serviert bekommen hatte. Auch wenn er ihnen eine Gnadenfrist erkauft hatte, war die Geschichte damit noch lange nicht ausgestanden, und beim nächsten Mal würden sie mehr aufbieten müssen als die Geschichte mit der angeblichen Seuche...
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