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Legende
Grade als Godfrey mit der Bäckerin, die ein Bündel Papiere und ihren Speer bei sich trug, den Platz verließ humpelte Isabella, eifrig wie ein junges Mädchen auf den Marktplatz. Ein paar Blätter wurden hin und hergeweht, sie waren mit Zeichnungen und Kritzeleien bedeckt, wie im Wahn musste jemand hier seine Tusche verschwendet haben. Callan, der das Gesicht nur kurz von dem Leib Andreas' abwandte, zog nur entsetzt die Augenbrauen hoch, wagte aber die Frau nicht zurechtzuweisen die ihr Krankenbett verlassen hatte um an dem Kampf, der tobte teilzunehmen.
Sie hatte den Zettel, den ihr Nicolo in die Bluse gesteckt hatte gefunden. Seine Handschrift war unverkennbar pedantisch und schrecklich ordentlich. Zudem schrieb er immer mit rosa Tinte. Sie knüllte ihre Hand darum und nahm sich vor mit ihm später, in einer ruhigeren Minute, über das was darauf stand zu reden – nachdem er es ihr vorgelesen hatte.
„Freund und Hexenjäger Nicolo wäret ihr so freundlich mir von dem Zeichen zu erzählen, wegen dem ihr die Bäckerin anklagen wollt? Und wenn ihr grade dabei seid, seid so gut und lest uns diesen Zettel vor den Roland bei dem toten Holzfäller gefunden hat.“, sie verneigte sich leicht und grinste den Gelehrten an.
Er erzählte ihr noch einmal von dem Zeichen, das Godfrey gesehen hatte und von den Goldlettern, die auf himmlische Weisung hin zu einem „B“ auf einem Bibeleinband verbrannt waren. Und er sprach von seiner Mutmaßung, das ein Wolf nur einen Wolf bestimmen würde um Hauptmann zu werden. Natürlich hatte sie die Nacht auch noch überlebt – und diese Zeichen machten sie in seinen Augen schuldig. Dann nahm er den Brief von Roland an und räusperte sich bevor er zu lesen begann. Als die Aufmerksamkeit auf den Franzosen gerichtet war, wischte sie sich schnell mit einem Tuch über die Stirn. Das laufen strengte sie mehr an als sie gedacht hatte.
Sie kniff die Brauen zusammen und überlegte kurz. Jedes Wort zuviel könnte jetzt ein Todesurteil bedeuten. Also blieb sie vorerst still und lautschte. Während sie langsam und bedächtig über den Marktplatz humpelte schallten die Worte aus Ewalds Nachlass über den Hof. „Nathanael von Mähren war mein Geburtsname, und ich war der Zweitgeborene des Königs Theobald II...“
Eines der Papiere wehte ihr vor die Füße. Sie hob es mühsam auf und sah etwas das ihr Blut kalt werden ließ und ihr Gesicht die Blässe eines Toten gab. Linien, die sich zart zu Schultern und Schlüsselbein vereinigten, die zarte Haut einer Frau – und Godfreys Amulett.
„doch durch ein Wunder konnte eine der Bediensten mich retten …“ Averys Worte, die er erst vor ein paar Augenblicken gesagt hatte drangen nun in ihre Gedanken „Ich war regelrecht blind vor Bewunderung von ihr.“ Und falls sie sich doch nicht wegen der Bäckerin getäuscht hatte war Godfrey jetzt allein mit einer dieser Bestien.
"aber letztenendes doch ein zufriedenes“ Nachdem der Gelehrte geendet hatte wandte sich Isabella mit lauter, klarer Stimme an Roland. „Was ihr vorhin sagtet – das euch der Inhalt dieses Abschiedsbriefes sorgen mach und das keinerlei Ängste in den Reihen der Wölfe geschührt worden wäre. Das steht alles nicht in diesem Brief. Ewald erklärt uns nur wer er war und was seine Geschichte ist. Und dann beschuldigt ihr auch noch den Priester … Roland, ihr beschuldigt wieder einmal wahllos Menschen im selben Satz in dem ihr sagt „Lasst uns nicht zu voreilig handeln.“ Was wollt ihr damit bezwecken?“
Sie wandt ihren Blick von den entsetzten Gesichtern der Leute ab, denn wieder einmal hatte sie es geschafft jemanden ohne mit der Wimper zu zucken zu verdächtigen. Aber was konnte sie sonst tun? Bewahren... beschützen... Wo war Avery? Der Junge musste sich zu Tode fürchten, wenn ihm zwei Hexenjäger bereits sein Todesurteil verkündet hatten. Sie suchte nach dem Blauschopf in der Menge, doch ihr Blick blieb bei Callan, dem Bader hängen. „B wie Bader?“, murmelte sie leise und näherte sich den beiden.
Andreas lag auf der Bank, der Gestank nach Erbrochenem haftete ihm an. Sie war keine Heilerin, aber er sah ihrer Meinung nach mehr tot denn lebendig aus. Sie stellte sich neben den Mann, der sein Gesicht so lange vor der Sonne verborgen hatte, und strich ihm vorsichtig über die Stirn. „Was ist passiert, Andreas? Ihr seht wahrhaftig furchtbar aus, wie eine Gestalt aus einer Schauergeschichte die man Kindern erzählt.“ Mit einem kurzen Blick auf den Bader, der zwischen seinen Zähnen hindurch nur murmelte „Schont euch. Ich kümmer mich um ihn. Er kommt durch, er muss einfach.“ Setzte sie sich wieder in Bewegung. Der Gestank hatte ihr wahrlich den Atem genommen.
Isabella musste einen scharfen Hustenreiz unterdrücken, der Geschmack von Blut fand sich in ihrem Gaumen wieder. Sie vertrieb ihn mit einem Schluck Schnaps und zerdrückte vorsichtig die kleine Kapsel Schlafmohn bis das Opium heraustrat. Ich hatte gehofft du gibst mir mehr Zeit, murmelte sie mit dem Blick gen Himmel und spülte das klebrige Sekret mit einem weiteren Schluck hinunter.
Sie schloss die Augen, atmete tief durch und blickte dann in Richtung Kapelle, wohin Godfrey mit der Bäckerin verschwunden war. Aber die Steigung des Hügels machte ihr allein vom hinsehen Angst. Sie ließ sich also auf einer kleinen Bank ein wenig abseits nieder und wartete. Wartete auf die Wirkung des Opiums, auf die Rückkehr Godfreys und auf das Gefühl von Sicherheit, das sie wohl nie wieder verspüren würde.
Geändert von Viviane (10.09.2010 um 11:09 Uhr)
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