Es war dunkel und spät in der Nacht. Alle schliefen im Dorf, alle außer Ewald. Er war noch wach. Er konnte nicht schlafen, er spürte, dass er es nicht länger geheim halten konnte. Die Gefahr zu sterben war zu hoch und wenn es der Fall sein sollte, wollte er das sie es erfahren. Die Wahrheit. Er wusste nicht einmal was es nach all diesen Jahren noch ändern würde, aber er wollte das Geheimnis nicht mit ins Grab nehmen.
So ging er in den Keller seiner Hütte. Dort, versteckt hinter einem großen Schrank, lag eine alte verstaubte Kiste mit einem großen Schloss. Es war schon sehr verrostet. Ewald trug den Schlüssel immer bei sich, als Kette an seinem Hals. Die Truhe öffnete sich nicht ganz ohne Widerstand, der Rost hatte sich tief ins Metall gefressen. In der Kiste fand Ewald Schreibzeug, Pergament und einen goldenen Siegelring. Ewald hatte nie gedacht, dass er sie jemals wieder zu Gesicht sehen würde. Er nahm alles auf und eilte an seinen Tisch, dort tat er etwas, was er seit vielen Jahren nicht mehr getan hatte, er schrieb. Er war aus der Übung und die Schrift sehr krakelig, aber es war lesbar.
Als er fertig war steckte er das Pergament in einen Umschlag und ersiegelte ihn mithilfe von Kerzenwachs mit dem Siegelring. Er steckte den Brief ein.
[FONT=Book Antiqua]„Dann hoffen wir du wirst gefunden sollte etwas passieren. Hmpf. Das Schreiben war doch etwas anstrengend, gehe ich doch mal etwas Luft schnappen“[/FONT], dachte sich Ewald und öffnete seine Tür.
Kaum hatte er einen Schritt nach draußen gemacht, hörte er ein langezogenes, und sehr lautes Heulen. Und nicht nur einmal. Instinktiv zog Ewald seine Axt heraus und wartete gespannt. Er wusste, dass es keinen Sinn hätte zurück in seine Hütte zu fliehen. Seine Hütte war abseits des Dorfes gelegen, das sie hier waren bedeutete, dass sie ihn ausgesucht hatten und wenn sie ihn wollten würde er sich nicht verstecken.
Ewald hörte deutlich wie sich mehrere Gestalten durch das Graß und die Büsche bewegen mussten, doch er sah nichts, hinter ihm stand noch immer die Tür sein Hütte offen, so das ein Lichtkegel den Platz vor ihm beleuchtete.
Dann plötzlich wurde es still, kein Laut war mehr zu hören, selbst die nächtlichen Geräusche des Waldes schienen verstummt zu sein, als ob die Natur selbst gespannt wartete.
Doch plötzlich schießte eine gigantische Bestie auf Ewald zu, im letzten Augenblick konnte Ewald nach rechts wegspringen und sich abrollen. Der Wolf krachte in die Hütte. Ewald drehte sich um und erwartete ihn. Der Wolf machte kehrt und griff den Holzfäller wieder an, diesmal erwartete Ewald ihn jedoch und konnte einen Treffer mit seiner Axt landen und gleichzeitig ausweichen, jedoch war er nicht schnell genug, der Wolf erwischte ihn mit seiner Klaue am Bein und hinterließ eine große Wunde.
[FONT=Book Antiqua]„AAH!“[/FONT], schrie Ewald und wich zurück.
Der Werwolf schien von Ewalds Hieb nicht beeindruckt und rannte wieder los, aber Ewald glaubte zu erkennen, das der Wolf sich etwas langsamer bewegte. Ewald griff weiter an und wich immer wieder aus, aber jedesmal konnte der Wolf wieder einen Treffer landen.
[FONT=Book Antiqua]„Verdammt...“[/FONT],gab er erschöpft von sich als der Wolf wieder herumrannte um ihn erneut frontal anzugreifen, er wusste, dass er einen weiteren Schlag nicht verkraften würde, doch diesmal fiel ihm auf, dass er sich direkt bei den Speeren vor seiner Hütte befand, einige Reststücke waren immer noch hier gelagert. Und viele von ihnen waren so hergelegt, dass sie in einem schiefen Winkel nach oben zeigten. Da kam Ewald eine Idee. Wieder rannte der Wolf auf ihn zu, langsamer als beim ersten Mal, die vielen kleinen Angriffe Ewalds forderten ihren Tribut, doch Ewald wartete, bis zum letzten Augenblick. Dann sprang er ohne auf irgendwas zu achten nach links.
Ein ohrenbetäubendes Wumms! Gefolgt von einem jämmerlichen Gewinsel. Ewald erkannte, dass einer der Speere dem Wolf eine schwere Wunde zugefügt hatte. Er lag nun auf dem Boden, eine klaffende Wunde auf seiner Schulter.
Zuerst wartete Ewald einfach im Glauben, die Bestie sei gestorben, sah jedoch wie sich seine Wunde plötzlich schloss und verheilte. Sofort packte er seine Axt und wollte dem am Boden liegenden Wolf den letzten Stoß geben, als ein Heulen ihn zum Stocken brachte. Ein zweiter Wolf, sprang von der Decke seiner Hütte ab und griff Ewald unerwartet an.
Er spürte wie sich Klauen tief in sein Fleisch bohrten und er weggeworfen wurde. Der Schmerz war unerträglich und er spürte wie seine Kräfte ihn verließen.
Er griff noch nach dem Brief in seiner Tasche, doch kaum fühlte er das Pergament in seiner Hand, wurde es schwarz um ihn herum und seine Hand, mit dem Siegelring am Finger, fiel leblos um. Das war das Ende des Holzfällers Ewald Braungard.