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Legende
Der letzte Abend hatte eine glückliche, aber knappe Wendung für Laurenz genommen. Dennoch, der Tag war mit der Hinrichtung Serahs noch nicht vorbei. Laurenz hatte sich – wenn auch mit Widerwillen – für die erste Wachgruppe einteilen lassen. Während seiner Wache passierte… reichlich wenig. Hier und da ein Geräusch, aber keine feststellbare Aktivität von Werwölfen oder dergleichen.
Für die Nacht verlegte Laurenz abermals sein Nachtlager, dieses Mal etwas näher am Dorf. Er spürte, dass er die Nacht nicht alleine verbringen musste, doch er war sich nicht sicher, ob er davon erfreut sein sollte.
Für diesen Tag hatte sich ein Großteil der Dorfbewohner dafür entschieden, die nahe gelegene Silbermine zu untersuchen. Laurenz hielt nicht viel von der Idee. Sei es, weil er als Städter eigentlich den Luxus weitreichender Plätze gewohnt war – und als Architekt den Dienst für betuchte Kunden mit ebenso luxuriösen und weitreichenden Bauten. Oder, dass seine Lunge die längste Zeit seines Lebens an die heißtrockene Luft seiner Heimat gewöhnt war, und die feuchte Luft ihm eine unliebsame Abwechslung war. Nein, das waren nicht seine größten Einwände, denn mit dieser Vergangenheit war es ohnehin zu Ende. Es war der Pfarrer Raphael, dieses wandernde Mirakel, dem er nicht vertraute. Mit seinen Worten hatte er Laurenz' Kopf schon fast in die Schlinge gelegt, nur um dann eine Kehrtwende zu machen.
Im Dorf angekommen, hörte er vom Tod einer der bei Lester quartierenden Händlerinnen, Nadja. (Er scheint dem Weibe das Pech ja geradewegs anzuziehen.) Ihre Schwester, Nadeschka, sei im Dorf zurück geblieben, um für sie zu trauern. Doch Laurenz sah wenig Anlass, sie in ihrer Andacht zu stören. Zu wenig hatte er Nadja gekannt, als dass er ernsthaft um sie hätte trauern können.
Laurenz nahm sich vor, die Minen-Expedition im Stillen zu beobachten, zunächst ohne direkt in Erscheinung zu treten. Am helllichten Tag war es schwer, sich unbemerkt fortzubewegen, weshalb Laurenz einige Distanz halten musste. Die Gruppe schien von ihrer geplanten Route abzuweichen, denn der Weg war deutlich länger als die 1000 Schrittlängen, die ihnen versprochen wurden.
Erst als die Gruppe sich endlich dem Mineneingang näherte, war es Laurenz möglich, die Entfernung zu ihnen wieder auszugleichen, ohne sich in Sichtweite zu begeben. Aber in den gewundenen Gängen – offenbar war dieser Teil der Höhlen natürlichen Ursprungs – musste er sich ganz auf sein Gehör verlassen, um den richtigen Weg zu finden. Es war ein riskantes Unterfinden. Eine Fackel hätte er nicht mitnehmen können, ebenso wenig größeres Gepäck, ohne Gefahr zu laufen, selbst entdeckt zu werden. Und was würden sie denken, wenn sie ihn so entdecken würden, schleichend in ihrem Rücken.
Immer mehr Wege spreizten sich ab von dem Pfad, den Laurenz zu folgen glaubte. Aus manchen hörte er Geräusche, vielleicht Stimmen. Nach zehn Minuten in den Höhlen breitete sich das Unbehagen in ihm aus, nicht nur aufgrund der unangenehmen Umgebung, sondern auch aufgrund der Vermutung, die Dörfler verloren zu haben. Die Stimmen schienen ihm zunehmend unbekannter, und tatsächlich: Der Lichtschein, den er in einer größeren Höhle ausmachte, kam von einer anderen Quelle. Ein Trupp von Wachen, die wohl auf ihre Ablöse warteten. Selbige traf auch wenig später ein. Man konnte die Menge fast gar nicht überhören. Ein knappes Dutzend waren sie, und die näherten sich lauten Schrittes.
"…bald zehn Stunden. Endlich Ausruhen! Diese elendige Arbeit bringt mich noch um."
"Ich hätte zur Armee gehen sollen…"
"Das war's endgültig. Wenn dieser Mistkerl morgen nicht meinen Sold erhöht, war das mein letzter Tag hier!"
"Wenn wenigstens etwas passieren würde… Das letzte, was wir machen durften, war Gernot wieder aus einem Loch zu ziehen. Pass das nächste mal besser auf deine Füße auf, du Trampel!"
"Pass du lieber auf deine Zunge auf, wenn du sie noch länger behalten willst!"
"Schnauze, verdammt! So lange ich hier bin, wird niemandem irgendwas abgeschnitten! Ist das jetzt endlich klar? Oder muss ich es euch erst rein prügeln"
Die Söldner wollten offenbar einen Weg nach draußen nehmen. (Hehe, welch glücklicher Zufall…) Laurenz folgte ihnen, das war er mittlerweile gewohnt, auf mittlerer Entfernung. Bei den Geräuschen fiel ihm das weit leichter, als mit den Dörflern. Zumal diese Leute genau wussten, wohin sie wollten. Laurenz hörte, wie einer von ihnen, der sich wohl zum Anführer berufen fühlte, die Wachen am Ausgang begrüßte. Zwei oder drei müssten es gewesen sein. Dann hörte Laurenz noch etwas…
"Hee, seht ihr die Leute dort? Der Nachschub sollte doch erst in zwei Tagen kommen…? Jungs, ich glaube, wir können uns doch von jemandem… ein Scheibchen abschneiden!"
Ein Kampf bahnte sich an. Die Söldner stürmten auf das Plateau, welches sich vor dem Höhlenausgang erstreckte. Einige Armbrustschützen bezogen Deckungen hinter Bäumen und Felsen. Laurenz wagte sich an Ausgang heran. In der Ebene erkannte er… (Die Hexenjäger?) Es dauerte nicht lang, bis ein Kampf entbrannte. (Verdammte Narren…!)
Laurenz zögerte, ob er in den Kampf eingreifen sollte. Am Ende sähe es noch so aus, er wäre mit den Söldnern unter einer decke. Außerdem schienen die Dörfler in einem Blutrausch, in dem sie Freund von Feind schwerlich hätten unterscheiden können… Oder einen Armbrustschützen von einem leblosen Stein. So feuerte er doch einige Bolzen auf die Schützen, die sich selbst vor dem Dorf in Deckung wähnten. Einen konnte Laurenz mit einem Treffer am Schulterblatt unschädlich machen, und mit einem weiteren Schuss durch den Rücken fällen. Mindestens einem von ihnen gelang es jedoch, die Flucht zu ergreifen.
So plötzlich, wie es zur Schlacht gekommen war, war diese auch wieder vorüber. Die Dörfler traten, offensichtlich erschöpft ihren Rückzug an. Laurenz nahm sich die Zeit, um die Beute der Schlacht zu begutachten. Außer einer Fackel für den Rückweg und ein paar Bolzen für seinen Köcher fand er jedoch nichts von Wert. Der Mann, der sich als Hauptmann aufgespielt hatte, trug einen Zettel bei sich:
"Nächste Lieferung am Samstagmittag. Nachschub im Anmarsch. Denkt nicht, dass ihr für die Schicht einen Zuschlag bekommt!"
Laurenz machte sich wieder zurück auf den Weg ins Dorf. Dieses Mal ging alles wirklich viel schneller. (An welcher Stelle haben diese Deppen so viel Zeit verloren?)
Geändert von Don Cuan (05.09.2010 um 18:00 Uhr)
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