Verblüfft über die Bitte des Hauptmanns konnte Lilith sich nicht widersetzen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie es schaffen sollte, diese Aufgabe durchzuführen. “Ich weiß nicht-“ ,stammelte sie viel zu spät, als Lester schon weiter gezogen war. Sie wusste nicht, ob es in Ordnung war, alleine mit dem Jungen los zu ziehen. Bei dem Gedanken, keine Menge an tapferen Männern um sich zu haben, schnürte sich ihr die Kehle zu, doch der Hauptmann hatte gesprochen und hatte sich bestimmt nicht leichtfertig entschieden. Die Bäckerin schloss also kurz die Augen, holte tief Luft und ging dann mit Avery zu dem kleinen Körper, der immer noch zugedeckt auf dem Boden der Taverne lag. “Wenn dies das einzige ist, was wir für das Dorf tun können, müssen wir uns bemühen und es durchziehen.” ,sagte sie leise zu sich selbst, aber auch Avery hörte es und nickte bestimmt. Er hob das Mädchen samt der Decke auf, und gemeinsam schlugen sie den Weg zum Friedhof ein.

Avery hatte darauf bestanden, das Loch alleine auszuheben, und Lilith hatte eine Weile nur dagestanden und ihm dabei zugesehen. Schließlich konnte sie ihre Aufgabe jedoch nicht mehr länger ignorieren und deckte den Körper des jungen Mädchens ab. Blass und kalt war ihr Gesicht, und die Bäckerin begann, es von Blutspritzern und Schmutz, die sie sich bei ihrem Überlebenskampf zugezogen hatte, zu säubern, bis es beinahe aussah, als würde Nadja nur schlafen. Nachdenklich betrachtete Lilith das Kind, das voll von Unschuld vor ihr lag, und langsam bildeten sich Tränen in ihren traurigen, braunen Augen. Das Mädchen hatte nichts getan, war gerade erst ins Dorf gekommen... und nun lag es hier leblos, hinterließ eine Schwester, deren einziges Ziel im Leben von nun an die Rache sein würde.

Avery war inzwischen fertig und wartete geduldig, bis Lilith den kleinen, toten Körper wieder zugedeckt hatte.
Sie sprachen nichts, bis Nadja begraben war, und sie wussten beide keine würdigen Worte des Abschieds. Sie hatten dieses Mädchen nicht gekannt, und doch waren sie die einzigen, die ihm hier einen letzten Abschiedsgruß mit auf den Weg gaben. Im Inneren der Bäckerin tobte ein Sturm, doch der Himmel über dem Dörfchen wurde von keiner Wolke getrübt. Die Morgensonne schien auf das Grab herab, als wäre sie ein eigener, stiller Teilnehmer des Begräbnisses, der das kleine Mädchen strahlend ins Paradies geleitete.