Dunkelheit umgab die Bäckerin, als sie spät in ihre Backstube zurück gekehrt war. Sie hatte keine Kerze entzündet, denn jede Quelle des Lichts erschien ihr unpassend an einem Abend wie diesem.
Sobald sie über die Türschwelle getreten war, hatte sie den Speer, der immer noch an der Tischplatte lehnte, energisch an sich gerissen, weil es etwas Greifbares war, etwas Reales. Ein Ding, das bloß das war, was es sein sollte - ohne dunkle Geheimnisse oder versteckte Hintergründe.

Voller Verzweiflung krallte Lilith sich so fest an die Waffe, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, und mit dem Holz in der Hand ließ sie sich auf ihr Bett sinken, da sie nicht sagen konnte, wie lange ihre Füße sie noch tragen konnten.
Lange lag sie so da, der Speer an ihrer Seite wie eine Puppe, die ein Kind zum Einschlafen benötigte. Die Dunkelheit, in die sie dabei starrte, erschien ihr nicht wie ein unergründliches Nichts, in dem sie nichts erkennen konnte. Vor ihr tanzten die Schatten, die sich nach und nach zu Gestalten formten, sich wieder auflösten und neue Bilder ergaben.

"Warum?" ,sprach die einsame Stimme der Bäckerin, als sie meinte, die Flammen zu sehen, in denen Lester verschwunden war.
"Die Entscheidung mag schwachsinnig erscheinen, aber ich vertraue euch."
Was bedeutete das überhaupt? Wie konnte jemand wie Lester von Vertrauen sprechen? Nicht nur, dass er das von ihnen allen missbraucht hatte... er hatte sich um niemanden gekümmert, außer seiner Liebsten wahrscheinlich, er hätte das ganze Dorf ausgelöscht... Also, in welcher Hinsicht mochte er ihr vertrauen? Was erwartete er? Oder waren es nur leere Worte eines verdammten Mannes gewesen, der sein Zerstörungswerk einfach fortführen wollte?
"Welcher Irre ernennt mich denn zum Hauptmann?" , stieß Lilith unter zusammengepressten Zähnen hervor, und eine Träne bahnte sich den Weg über ihre Wange und befeuchtete, da sie auf dem Rücken lag, ihr Ohr, was ein ziemlich ungutes Gefühl war.

Einige Dorfbewohner hatten sie beglückwünscht, andere hatten gar nichts gesagt... aber ihr Verhalten bedeutete nichts, denn im Herzen dachten sie alle dasselbe. Ihre Augen hatten sie allesamt verraten, und ihr Misstrauen, ihre Angst, hatten sie nicht verbergen können. "Warum du?" stand fast auf ihrer Stirn geschrieben, und Lilith konnte es ihnen nicht einmal verdenken.
Eine zweite Träne trat hervor und sammelte sich im Ohr, gefolgt von einer dritten... einer vierten... bis sie unzählbar geworden waren und Lilith so schluchzte, dass das ganze Haus von dem Geräusch erfüllt war.
"Ich... ich kann das nicht!" ,brach aus ihr hervor, obwohl es ja doch niemand hörte. "Wer... wer kann mir jetzt noch helfen?"
Sie weinte noch eine ganze Weile lang, zusammengekauert in der Dunkelheit, zurückgeworfen in ihren Käfig der Einsamkeit, aus dem sie so verzweifelt versucht hatte, auszubrechen.

Irgendwann schlief sie schließlich vor Erschöpfung ein, in der einen Hand den Speer, in der anderen das hölzerne Kreuz des Hexenjägers, doch beides vermochte nicht, ihren Schmerz zu lindern.