Währenddessen in der Taverne...

Nun würde es also beginnen.
Nicolo und Godfrey hatten sich zu der jungen Russin gekniet und zu beten begonnen, zusammen mit ihr wisperten sie leise Gebete, zusammen mit ihr sangen sie einen leisen Choral, nichts konnte aber das Johlen der Meute verstummen lassen, die vor der Taverne ihren Hauptmann aufknüpften.

Schließlich erstarben die Geräusche, alles war zu hören war, war ein langgezogener Klagelaut der Frau in ihrer Mitte, als Tumult losbrach. Godfrey und Nicolo hielten die Stellung in der Taverne, was auch immer draußen vorging, wichtiger als jedes Gefühl der Rache oder Genugtuung war, die junge Frau vor dem schrecklichen Anblick zu beschützen, wie ihr Geliebter zu Tode kam - auf welche Weise auch immer dies geschehen sollte...

"Reims. Keine Kompromisse, mein Bruder?" knurrte Godfrey düster und Nicolo nickte sachte und er flüsterte "Keine Kompromisse, mon Ami."
Grob packte Godfrey die kleine Russin im Nacken und zerrte sie hoch, dann band er ihr die Hände auf den Rücken und Nicolo öffnete die Tür.

Die beiden Hexenjäger kamen mit der in Tränen aufgelösten Frau draußen an, die Abendsonne schien ihnen in das Gesicht, die Dorfbewohner, von denen die meisten rote Tuniken trugen, waren bleich, schienen aber erleichtert, Godfrey jedoch konnte in die allgemeine Erleichterung nicht einstimmen, zu schlimm schien die Aufgabe, die ihn nun erwarten würde.

Während Nicolo die Lippen schürzte und eine Schaufel an sich nahm, die an der Tavernenwand lehnte, die einst das Heim ihres nun toten Geliebten war, trat Godfrey an Isabella heran. "Wir bringen dies nun zu Ende, Isabella.", sprach er. "Sorg dafür, dass die Menge ruhig bleibt, entehre nicht ihren Tod, nur weil wir die Frucht ihres Leibes tot sehen wollen." Isabella blickte ihn ruhig an. "Dies ist ein Befehl und eine Bitte, Himmel, wenn ich jemals eine an dich gerichtet habe." knurrte Godfrey und tippte sich dann an seine Hutkrempe.

"Bewohner von Düsterwald. Dies ist das Ende der jungen Russin und ihres ungeborenen Kindes. Wir haben den verfluchten Gemahl den reinigenden Flammen übergeben, nun soll die Brut sterben, denn Nattern können nur Natterngezücht hervorbringen." brüllte er donnernd und er hieb mit der flachen Hand Nadeschka ins Gesicht, dass ihre Lippe aufplatzte.
"Dies war für deine Unzucht, Buhle.", knurrte er und Nicolo schnaubte böse.

"Trotzdem ist sie ein Mensch, auch wenn die Frucht Satans in ihrem Leib heranwächst, sie hat sich bisher keines Vergehens schuldig gemacht, auch wenn das Böse durch ihre Adern fließt."
Godfrey spannte die massiven Schultern.
"Für solche Kreaturen ist kein Platz im Königreich Gottes und nicht auf der Erde, aus diesem Grunde wird auch dieses Weib sterben."

Er zog seine Pistole aus seinem Mantel und legte ihn der Frau in den Nacken, diese musste das kalte Eisen spüren, Godfrey konnte ihre Angst und Verzweiflung riechen.

"Dieses Dorf hat genug Blut gesehen und es wird das Blut eines törrichten dummen Mädchens sein, welches in Liebe entbrannte, das an unseren Händen kleben wird. Gleichwohl, ihr Leib soll nicht Futter für die Hunde werden.

Hiermit verurteile ich Nadejschka Kraft meines Amtes als Hexenjäger zum Tode durch die Hinrichtung, in Anbetracht ihres ungeborenen Kindes verzichten wir auf hochnotpeinliche Befragung und überantworten sie schnell und schmerzlos dem Tode.

Richtet uns eine Schüssel mit heißem Wasser, wenn wir wiederkehren, sie wird im Wald bei den Bestien sterben, mit denen sie sich eingelassen hat und ihre verfemte Frucht soll im Wald verscharrt sein, vergessen und verwesend."


Damit versetzte er der Frau einen Stoß und führte das schluchzende kleine Häufchen Elend aus dem Dorf und in den Wald hinein. Sie gingen tief, tiefer, bis sie außer Sichtweite des Dorfes waren und sich sicher sein konnten, das ihnen niemand gefolgt war.
Dann drückte er die Frau sanft auf die Knie nieder, ließ sich neben ihr ebenfalls sinken und begann mit ihr zu beten.

Nadeschka konnte hören, wie Nicolo unermüdlich ein Loch aushob, dabei leise keuchte und der Schweiß in Strömen ihm vom Gesicht rann, während die heiligen Worte an ihr vorbeirauschten, eine tiefe Tonlosigkeit ihr Herz erfüllte, Gefühllosigkeit sich in ihr breitmachte, während der abendliche Waldboden grimmig seine Kälte in ihre Füße und dann in ihren Leib wandern ließ.

Schließlich war Bruder Nicolo fertig und er warf die Schaufel beiseite und sagte "Es ist Zeit...".

Godfrey nickte stumm, er trat hinter die schluchzende Frau und griff in seinen Mantel, deutlich hörte die junge Russin, wie die Pistole durchgeladen wurde, ihr Mund wurde trocken, ein gleißender Lichtblitz aus warmer, mütterlicher Liebe jagte durch ihren Leib, umfing das ungeborene Kind und ein leises "...ich will doch leben... mit der Kleinen...", waren ihre letzten Gedanken, ehe ein peitschender, lauter Knall durch den Wald jagte, von den Bäumen zurückgeworfen wurde und leise noch im Dorf zu hören war....

Godfrey und Nicolo sahen einander an und ein unsichtbares Band entflocht sich zwischen den Beiden. Nun waren sie so weit gekommen, sie waren tatsächlich im Begriff, das Unaussprechliche zu tun, hatten es bereits getan, ein junges Leben war genommen worden...


Das Gesicht der jungen Russin war voller Blut, es klebte in ihren Strähnen, an ihrer Wange, ein Rinnsal floss an ihrem Hals entlang und tränkte ihre Gewänder.


Doch der Schmerz kam nicht. Sie blinzelte das Blut von ihren Wimpern, der Schießpulvergestank stach in ihrer Nase. "Hatten sie danebengeschossen? Wer blutete dann...?" jagten Fetzen von unbeantworteten Fragen durch das Chaos ihrer Seele.

Warum sah Nicolo so entspannt, so glücklich aus, warum nestelte er an seinem Rucksack herum.
Sie blickte vorsichtig und furchtsam nach oben.
Godfreys Gesicht war voller Blutspritzer, seine Miene war eisern und ausdruckslos, Blut klebte an seiner Lederrüstung und an seinem Mantel und in der einen Hand hielt er seine schmauchende Pistole....

...während die andere Hand ein blutbespritztes Bündel aus weißem Fell hielt. Die Kugel war tief in das Kaninchen eingedrungen, hatte dessen Eingeweide zerfetzt, das Blut verspritzt.

Godfrey blickte sie an.

"Deine Tage in Düsterwald sind gezä'lt. Mademoiselle."
"Du lebst und existierst nicht mehr. Für Niemanden. Dein Leben hat nur noch eine einzige Aufgabe. Mach aus dem kleinen Wurm einen rechtschaffenen Streiter, erziehe ihn zu einem Menschen Gottes, einer Kreatur, die das Leben liebt, Gesetze achtet und den Engeln ein Wohlgefallen ist."

Er lächelte sie voller Zärtlichkeit an und in Nicolos Augen schimmerte es feucht, er schluckte und half ihr dann galant auf die Beine. "Vergiss niemals, was 'eute gesche'en ist." sagte er leise und feierlich und reichte ihr einen Rucksack.
"Dort drinnen findest du die Dinge, die du brauchst, um ein Leben zu beginnen, welches du deinem Kinde widmen kannst. Dein Gold ist dort drin, wir haben versprochen, es für einen hehren Zweck zu verwenden." Nicolo nickte sachte, dann fuhr er fort: "Kleidung, warm, sie werden disch bis an den Waldrand bringen und das Wischtigste - die 'eilige Schrift unseres 'errn. Sie soll sich daran erinnern, das es kein größeres Geschenk Gottes gibt als das Kind."

Nadeschka stammelte unter Tränen unverständliche Sätze, ihre Hand wanderte in den Rucksack und dort fand sie auch den Dolch Godfreys vor, ein letztes Geschenk, ein letztes Mahnmal, sie lächelte, bis die Hexenäger sich umsahen und sie zur Eile gemahnten.

Mit fliegender, blutbesudelter Mähne verschwand sie im Wald, rannte fort vom Dorf...

"Ihr Schicksal ist nun in Gottes Hand, mein Freund und Waffenbruder."
"Wie in Reims." Godfrey nickte stumm und wisperte.
"Wie in Reims."
Nicolo und er sahen sich an, das Erblühen einer tiefen Männerfreundschaft zweier Kerle, die sich zu schätzen wussten und sich vertrauen.
"Wir werden alt.", murmelte Godfrey.
"Und weich.", ergänzte Nicolo.
"Sie ist stärker und entschlossener als wir Beide zusammen.", flüsterte Godfrey und Nicolo nickte, Isabella würde eine bessere Jägerin abgeben, als sie beide jemals zusammen.

Aber für heute Abend, hatte Gott sie nur zu einem Zweck entsandt und Godfrey spürte den gleißenden Funken Liebe wieder in seiner Seele, die Liebe seines Gottes, stilles Gottvertrauen, ein Gedanke, der es wert war, dafür zu sterben und zu büßen, wie er befand.