Am frühen Morgen knetete Lilith energisch an einem Teig, da sie keinen Tag, der ihr geschenkt wurde, mehr verschwenden wollte. Sie wollte nützlich sein, irgend etwas tun... Deshalb hatte sie früh zu backen angefangen, und wollte nicht aufhören, bis sie alle tapferen Bürger versorgen konnte. Sie versuchte außerdem, den letzten Abend bei der Arbeit zu verdrängen, doch es gelang ihr einfach nicht.
Für einen kurzen Augenblick hatte sich Lilith ihr eigenes Gesicht dort oben am Galgen vorgestellt. Noch vor kurzem war sie Serah ganz ähnlich gewesen... selbstständig, ruhig und zurückgezogen... “Das hätte auch ich sein können.” ,dachte die Bäckerin unaufhörlich, und irgendwann antwortete ihr eine verborgene, und sehr leise, aber hoffnungsvolle Stimme in ihrem Inneren: “Aber du warst es nicht. Du hast erkannt, dass kein Mensch alleine sein sollte.” Ein trauriges Lächeln huschte über Liliths Gesicht. Ja... plötzlich sehnte sie sich nach Gesellschaft und Nähe, aber kam diese Erkenntnis vielleicht zu spät?

Etwas später war die Backstube erfüllt von dem warmen Duft gebackenen Brotes und Lilith wollte sich auf den Weg ins Dorfzentrum machen, um jemanden zu bitten, ihr später beim Tragen der Bäckereien zu helfen. Alleine konnte sie diese Mengen unmöglich so weit schleppen.
Als sie gerade zur Tür schritt, und zufällig ihr Spiegelbild in einem Fenster sah, fiel ihr auf, dass ihr Haar vollkommen zerzaust war und ihr Kleid einige Mehlflecken aufwies. “So kann ich mich nicht zu den anderen wagen.” ,dachte sie und war selbst darüber überrascht, da sie sonst kaum Gedanken an so etwas verschwendete. Sie beschloss also, sich umzuziehen, und als sie schließlich nach ihrem Kamm griff, der die meiste Zeit unbeachtet in einem Schränkchen lag, fiel ihr Blick auf ein hellblaues Stoffband, das ursprünglich einmal zu einer Puppe gehört hatte. Sorgfältig flocht sie das Band nach dem Kämmen in eine Strähne ihres Haares ein, wofür sie einige Zeit brauchte, bis es halbwegs ordentlich auszusehen schien. Nach einem prüfenden Blick auf ihre Spiegelung im Fenster machte sie sich dann endlich auf den Weg ins Dorfzentrum, unwissend, was sie dort erwarten würde, und von wo schon leise Glockenschläge ertönten.