Es war schon gegen frühen Nachmittag, als sich vier Gestalten aus dem Schatten der Bäume schälten und bis auf Konrad, den wettergegerbten Naturburschen, sahen sie alle abgekämpft und müde aus.
Der teutonische Spurenleser hatte Fährten der Wölfe im gesamten Umkreis gefunden und sie augenscheinlich ohne Erbarmen durch Büsche, Flüsse und das undurchdringliche Dickicht und Unterholz des Waldes im Hunsrück gescheucht - mit einem ernüchternden Ergebnis.

Knurrend fuhr sich der schottische Hexenjäger mit seinem schweren Lederhandschuh über das Gesicht und die vom Schweiß schon gerötete und empfindliche Haut brannte unter der rauen Oberfläche seines Handschuhs gewaltig und ließ seine Laune noch mehr sinken.
Alle hatten sie gute Arbeit geleistet, Konrad als Fährtensucher, Nicolo hatte sie über alles Wissenswerte zu diesen Biestern in Kenntniss gesetzt und auch Lester wusste viel über die Gegend zu berichten - genaugenommen war es auch Lester, der sie auf die richtige Fährte gebracht hatte.

Der Schankwirt hatte mehr aus einer Laune heraus eine lokale Mär zum Besten gegeben, die sich um eine männerverschlingende Hexe drehte, die vor 400 Jahren ihr Unwesen trieb und eine Höhle bewohnt haben soll, die es heute noch immer gibt.
Mehr aus Instinkt heraus hatte Godfrey darauf bestanden, auch diese Höhle noch aufzusuchen, obschon seine alten Knochen schon protestierten. Doch hatten sie sich unter der Führung von Lester zu der komplett efeuüberwucherten Felsnische begeben und dort etwas vorgefunden, was ihnen den Atem stocken ließ...

Als Konrad mit seinem Haumesser die dichten Efeuranken abtrennen wollte, um ihnen den Zugang zu der schaudererhaft dunklen Höhle zu verschaffen, fiel ihnen auf, das der Efeu nur noch lose saß, die Höhle vor Kurzem besucht worden sein musste.
Und dann vernahmen sie auch schon das Sirren von Kleingetier und das leise Schaben von allerlei Aasfressern, gepaart mit dem Gestank nach Verwesung.
Schnell und routiniert, mit allen Sinnen zum Zerreissen gespannt, waren die vier Männer in die Höhle dann eingedrungen und sie hatten einen Leichnam gefunden.
Einen riesenhaften Leichnam eines Ungetüms, welcher zur Hälfte maurische Züge trug und dessen Gesicht im wahnsinnigen Todeskampf vollkommen zur Fratze gefroren war.
Die andere Hälfte des Leibes - sofern die großflächigen Verstümmelungen die Erkenntniss zuließen - war der eines Wolfes. Fellfetzen sprossen dem riesenhaften Mann aus der Haut, Muskelstränge wie Schiffstaue zeichneten sich unter der Haut ab und Nicolo brachte es mit seiner unbekümmerten Art auf den Punkt, als er mit der Untersuchung fertig war und die Bestie als Alphawolf identifizierte.
Eine Erkenntniss, die Geodfrey teilen konnte, da er der Bestie bereits einmal begegnet war.
Sie hatten einander angesehen und sich dann auf den beschwerlichen Rückweg gemacht, bis sie schließlich schweißbedeckt wieder im Dorf angekommen waren - vier Männer, der jüngste von ihnen 37...

Godfrey hustete ein kurzes Lachen, als er die Verteidigungsanlagen sah, die vielleiht eine Rettung darstellten, doch wusste er, dass der Feind schon lange in ihrer Mitte war.
"Es wird gut für das Dorf sein, seinen Hauptmann wieder bei sich zu wissen.", wandte er sich an Lester, dann fuhr er fort. "Ihr müsst es den Euren sagen, Herr."

Ihm selbst saß ein schmerzhaftes Geschwür im Magen, welches nur so hämmerte und stachelige Kugeln seinen Hals emprojagte, die in seinem Kopf zu explodieren schienen.

"Der Alphawolf ist nicht mehr... - 'Und durch den Geifer seiner Zähne, das Gift seines Maules und die Verderbnis seiner Zunge soll sein rotwütender Fluch übertragen werden auf das Fleisch.' Was weiß der Mensch?, gebundene Ausgabe von Bruder Nicolo, neuzeitlich. - wie es ein einem Werk unseres Gelehrten selbst hier heißt.
Der Werwolf ist tot, zerfleischt und zerbissen von seinem eigenen Rudel."


Er lachte bitter.

"Damit sind nur noch die Feinde in unserer Mitte übrig."

Er wandte sich ab und blickte in nachdenklich in die Wälder.
Das Gefühl, zu spät gekommen zu sein, erinnerte ihn an seinen immer wiederkehrenden Traum und verursachte ihm sichtlich Bauchschmerzen.
Aber das Wissen, das die Bestie ihm und den Seinen entkommen war, raubte ihm fast den Verstand...