Das sind aber mMn. zwei ganz unterschiedliche Dinge. Ich bezog mich ja explizit auf die Behauptung, dass es heute "keine Werte" mehr gibt bzw. auf den oft beschworenen "Werteverlust".
Das was du hier schilderst hat mMn. eher mit fehlender Orientierung, fehlenden Vorbildern und allgemein problematischen gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun, die sich in ebensolchen Taten zeigen.
Ich glaube auch, dass der Punkt Loyalität/Respekt gegenüber den Eltern oder sonst wem nur bedingt zielführend ist. Denn wie Broken Chords mMn. richtig angemerkt hat, muss heute die Legitimität von Autorität etc. viel mehr als noch vor 50 oder 100 Jahren tatsächlich legitimiert werden. Wie ich in meinem anderen Post schon geschrieben habe, haben sich in den letzten 60 Jahren die Sozialisations- und Erziehungsziele und -techniken sehr stark verändert und das zeigt sich natürlich besonders gut im Verhalten von Jugendlichen (Pubertät). Denn diese sind in einer Testphase, loten Grenzen aus, stellen Autoritäten in Frage usw.. Das war früher wahrscheinlich nicht anders, nur müssen heute eben viel mehr Diskussionen und Verhandlungen geführt werden, wo man sie früher einfach gezwungen oder geprügelt hat, um seine Autorität durchzusetzen.
Ich kann jedenfalls sowohl aus meiner persönlichen Erfahrung, als auch aus Erfahrung aus bspw. der Jugendarbeit sagen, dass es eben nicht nur "die" assigen Jugendlichen gibt, sondern mindestens genauso viele, die eben tatsächlich im Bus aufstehen, oder sich nicht ständig besaufen oder sich prügeln. Genauso sagt mir eine Vielzahl aktueller Studien, dass sich z.B. hinsichtlich des familialen Interesses (also eine Familie zu gründen) wenig geändert hat. Aber viele Vorschriften etc. müssen logisch, nachvollziehbar begründet werden und daran scheitern nicht nur Eltern, sondern auch Lehrer, die z.T. selbst nicht begründen können, warum sie etwas tun oder fordern (was dann logischerweise zu Fragezeichen bei den Jugendlichen führt und zum Infragestellen des geforderten Verhaltens).
Was im Vergleich zu früher jedoch zugenommen hat ist die prekäre Situation in der sich ein nicht unbeträchtlicher Teil junger Menschen befindet. Das fängt im Bildungssystem (und den vielfältigen Ungleichheiten aufgrund von Schichtzugehörigkeit) an und zieht sich im Grunde damit durch die gesamte Biographie dieser Individuen, weil das Bildungssystem (vor allem in Deutschland) unglaublich wichtig ist, was die Zukunftsperspektive einer Person betrifft. Schon alleine deswegen, weil Bildung- und Ausbildung (praktisch wie akademisch) stark in die ersten drei Lebensjahrzehnte fällt und danach weitestgehend abgeschlossen ist, d.h. kaum nachgeholt werden kann. Du kannst zwar versuchen mit +30 oder 40 noch nen Abschluss nachzuholen, die Chance eine entsprechende Anstellung zu finden, ist jedoch sehr gering.
Daraus erwachsen vielfältige Probleme, welche die betroffenen Elternhäuser (gezwungenermaßen) selbst mitproduzieren, aber auch nicht beseitigen oder nur kaum abfangen können, weil die entsprechenden Ressourcen nicht vorhanden sind. Denn wären diese da, würden Kinder aus der "Unterschicht" nicht so häufig eine solche Karriere machen. D.h. das System reproduziert sich insofern selbst - Kinder aus unteren sozialen Schichten bleiben idR. dort und umgekehrt.
Wenn nun aber Bildung immer wichtiger wird, selbst um "einfache" Tätigkeiten zu erledigen (aus verschiedensten Gründen), dann haben diese Leute umso mehr das Nachsehen. Insbesondere dann, wenn z.B. noch ein Migrationshintergrund vorhanden ist und zu all den ohnehin schon vorhandenen Problemen bspw. noch Sprachprobleme (sehr problematisch im Bildungssystem) hinzu kommen.
Dieser kleine grob skizzierte Ausschnitt soll nur zeigen, dass "Probleme" oder "Fehlverhalten" bestimmter Jugendlicher im Grunde hausgemacht sind und letztlich keine individuelle Schuld, sondern strukturelle Probleme sind, die den Individuen kaum Spielraum lassen, um ihr Leben anders zu gestalten. Ich sage bewusst "kaum", weil es natürlich immer Ausnahmen gibt und auch Leute aus unteren sozialen Schichten es ein ganzes Stück weit "nach oben schaffen" können. Der Großteil der Betroffenen schafft dies jedoch nicht.