Leute, die damit ein Problem haben, haben ein Problem mit Sexualität—das ist psychologisch einfach so. Wenn man irgendwas nicht akzeptieren kann oder möchte, dann hat das immer etwas mit Selbstverständnis und inneren Toleranzbegriffen zu tun.
Ein ganz anderes Beispiel, daß es aber sehr gut deutlich macht, ist zum Beispiel jemand, der ein Problem mit Schwulen hat. Die Frage, die ich stelle, lautet: warum stört sich jemand daran, daß jemand anders schwul ist, und das auch zeigen möchte? Die Antwort muß man in sich selbst suchen. Aber wenn ich kein Problem damit habe, dann störe ich mich nicht daran, dann ist es mir im besten Falle vollkommen egal.
Brich's runter auf Deine These: warum stört sich jemand daran, daß es halbnackte Frauen auf Werbeplakaten gibt? Wenn die Werbung ihn nicht anspricht, dann soll er sie halt ignorieren. Wer sich darüber aufregt, der hat irgendwo im Kopf ein Problem damit, dieses Bild zu verarbeiten, und das ist, vereinfacht ausgedrückt, ein Problem mit Sexualität.
Daß viele Leute diese Probleme in Ansätzen haben, ist sehr deutlich sichtbar. Ich denke, niemand wird mir widersprechen wenn ich sage, daß Sexualität etwas natürliches ist, aber trotzdem wird diesem Thema oft mit vorgehaltener Hand begegnet. Warum?
Wieso habe ich die Befugnis, über jemanden zu urteilen, der meint, er möchte nackt durch die Stadt laufen? Ob es es schön zum Anschauen finde oder nicht, spielt dabei keine Rolle (ich sehe auch genug angezogene Menschen, die ich mir nicht ansehen möchte), aber im Extremfall argumentieren Leute da mit juristischen Klauseln wie “Erregung öffentlichen Ärgernisses”, und ich verstehe nicht, wieso ein nackter Körper, der so in etwa das normalste der Welt ist, irgendwie Ärgernisse erregen sollte, außer, wenn man selbst irgendwo ein Problem damit hat.
Und damit schließt sich der Kreis.
Da stimme ich Dir zu, allerdings muß man darauf achten, welche Konsequenz man zieht. Zu sagen, daß z.B. bestimmte Fetische schädlich sind, weil sie in Einzelfällen Leute dazu animieren, wem anders was in den Arsch zu stecken, ist eine induktive Schlußfolgerung. Es gibt immer Leute, die dumm genug sind, Realität und Fiktion, sei es im Film oder im Buch oder im Videospiel, zu verwechseln und dadurch einen riesigen Mist anzurichten.
In der Antike wurde ja auch schon behauptet, modernes Theater würde die Jugend versauen, und als John Lennon erschossen wurde hieß es, Mark David Chapman habe seine Inspiration aus “The Catcher in the Rye” genommen, und das Buch stand öffentlich in der Kritik. Beispiele aus der letzten Zeit, von Columbine bis Winnenden, brauch ich ja vermutlich nicht mal anführen. Man kann im Umkehrschluß immer alles auf alles zurückführen, das ist ja das tolle Modell, auf das polemische Kritiker sich immer stützen …
Kennst Du das Beispiel mit dem Wasser? 100% aller Serienmörder konsumieren in den letzten 24 Stunden vor ihrer Tat größere Mengen Wasser. Die induktive Schlußfolgerung ist also, daß Wasser Serienmörder macht.
Jeder sieht, daß das völlig blödsinnig ist, aber bei kleineren Schnittmengen, z.B. Filmen, nehmen es auf einmal alle für bahre Münze, obwohl es nichts anderes ist. Nur, weil eine kleine Gruppe von Leuten mit irgendwas nicht umgehen kann, kann man es nicht gleich verteufeln. Das wird aber immer wieder gemacht, weil man die Ursachen lieber in der großen Menge sucht (die böse Jugend, das böse Fernsehen, die schlimme Gesellschaft, etc.) anstatt in der kleinen (eine Familie hat Mist gebaut, eine Erziehung ist schiefgegangen).
Immerhin kann man ohne sich enorm weit aus dem Fenster zu lehnen sagen, daß bestimmt über 99% aller 16-jährigen schonmal einen Porno gesehen haben, und die große Menge trotzdem einen gesunden Umgang mit Sexualität pflegt.