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Mir kommt es echt so vor, als würde ich alles was ich mache, scheiße sein. Außerdem haben bis jetzt auch nur die Leute in NRW gemeint, dass ich doch nen ganz geilen Job hätte. Die anderen stempeln mich als Spinner ab oder - wie King Paddy - "(...)dann liegt das Arbeitsamt schon richtig mit der Aussage, dass du damit praktisch wertlos bist(...)". Es gäbe ja Jobs in Bayern, aber keine fairen Bedingungen, da irgendwie Fuß zu fassen.
reiß meine Zitate bitte nicht aus dem Zusammenhang, ja? Die Arbeitsämter haben eine Aufgabe nämlich dich in Arbeit zu vermitteln. Ökonomisch gesehen ist eine Arbeit dann sinnvoll, wenn man sie brauchen kann um damit Umsatz zu generieren. Es zählt hier die Nachfrage. Gibt es keine Nachfrage ist der Beruf egal wie toll du darin bist und wie groß die Nachfrage anderswo auch ist, wertlos. Ein Arbeitsamt kann dich nicht in Jobs vermitteln, die nicht nachgefragt werden, weil es dann eben keine Stelle gibt. Das Arbeitsamt hat im GEgensatz zur Politik nicht Möglichkeiten noch Auftrag Arbeitsplätze zu schaffen sondern dich in bestehende Angebote zu vermitteln, einerseits in dem sie Angebot und Nachfrage zusammenbringen und in dem sie dein Arbeitskraftangebot optimieren, zum Beispiel in dem sie dich qualifizieren oder eben umschulen zu etwas, dass nachgefragt wird. Wenn also keine Nachfrage nach Toningenieuren besteht, dann kannst du erstens damit nicht vermittelt werden, zweitens nützt eine Qualifizierung dann auch nichts, drittens ist eine Umschulung sinnvoll und 4. wenn du das nicht möchtest, dann kannst du geneigt sein nach anstellungsmöglichkeiten zu suchen, die das Amt eben nicht in ihrem System hat oder kannst 5. darauf beharren trotz offenkundigem Desinteresse der Wirtschaft deiner Region, dass du diese Arbeit machen willst und solange arbeitslos sein, bis weider Stellen frei werden.

Das so etwas gebraucht wird steht außer Frage. Es werden auch Bäcker gebraucht aber nur soviele bis die Stellen besetzt bin. Wenn dazu dann auch noch etliche Freiberufler kommen, wie du mehrfach im Forum erwähnt hast, die man ebenso gut für diese Tätigkeiten mieten kann, dann hat man ebenso wenig Bedarf an festangestellten Kräften. Entsprechend gibt es das halt nicht. Entsprechend ist die Skepsis gegenüber "brotlosen Künstlern" (und das ist ein Bild das 19. und 20. Jahrhunderts also keine spezifisch neueztilich-bayerische Erfindung) groß, die dann eben statt sich einen Job zu suchen, mit dem sie sich eben unterhalten können, im Zweifel auf Kosten der Leute, die einer Arbeit nachgehen, einem Traum hinterherjagen. Das Ansehen eines Berufsstandes hängt von den finanziellen Möglichkeiten und dem Aufstieg ab und Kreativberufe gelten als eher prekär und mit geringem Verdienst, entsprechend werden feste Anstellungen mit sicherem und ordentlichem Gehalt bevorzugt. Und das gilt wie gesagt nicht nur in Bayern. In urbanen Zonen und da auch nur in nicht-bügerlichen Gegenden sieht das mit der Wertschätzung wiederum anders aus, weil es da als chick gilt. Das ist aber eben eine völlig andere Mentalität als die einer protestantischen Arbeitsethik. Allerdings können auch Kreative sich den Respekt verdienen, in dem sie wirtschaftlichen Erfolg haben, denn das ist eine anerkennenswerte Leistung. Die anderen werden nicht vor allem geschätzt, weil sie als gesellschaftlich relevanter gelten, sondern weil sie mit ihren Berufen tendenziell wirtschaftlich größeren Profit und beruflichen Status erlangen. Das ist das faszinierende an bankern, managern usw. Das gleiche können Kreativlinge auch erreichen aber da ist unberechenbar.

Ansonsten das Hinterfotzige auf Arbeit. Auch das ist keine spezifisch-bayerische Lebensart. Wo Konkurrenz (um Arbeitsplätze, Beförderungen, wichtige Leitungspositionen) besteht, ist jeder bestrebt sich möglichst durchzusetzen. Da kann es schon reichen, dass nicht einmal gegen dich schmutz geworfen wird, sondern da kann es schon reichen, dass dein kollege heimlich Mehrarbeit macht und damit dem Chef imponiert und dich dann so bei der nächsten Beförderungsrunde aussticht. Und das Ganze ist ein Verhalten das tagtäglich überall in Unternehmen vonstatten geht, bewusst oder unterbewusst. Das ist die freie Wirtschaft mit ihrem Wettbewerbsgedanken und tatsächlich sind das Eigenschaften, die unter anderem auch für Führungspositionen qualifizieren, weil sie im Geschätsleben (nicht im Übermaß) auch nützlich sind.

Die bayerische Chancenngleichheit bezieht sich auch nicht auf Seilschaften oder asoziales Betriebsklima sondern es geht dabei immer um das Bildungssystem. Das bayerische Bildungssystem betreibt Elitenauslese nach alter Schule und ist dabei enorm darwinistisch. Es geht nicht so sehr um die Kritik am Leistungsprinzip. Der Großteil der Eltern wünscht Leistung und Leistungsvergleichsbarkeit als Grundlage für Noten. Wofür Bayern in der Kritik ist, ist die Tatsache, dass die Kinder gar nicht so recht in die Lage kommen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, da das Schulsystem von seinen Anforderungen her an die Bedürfnisse vermögender Eltern angepasst ist, die ihr Kind durch die hohen Hürden prügeln in dem sie Nachhilfelehrer etc. beschäftigen. Wenn es wie die Kinder armer Eltern keine zusätzliche Förderung erhalten würde, dann würde offengelegt werden, dass das bayerische Schulsystem die Kinder nicht ausreichend von sich selbst aus fördert sondern nur fordert ohne die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, diese Forderungen erfüllen zu können. Deshalb werden soziale Ungleichheiten zementiert. Tatsächlich aber kann man das korrigieren und am Leistungsprinzip festhalten. Dann werden die sozailbenachteiligten Schüler ebenso gut vorbereitet, dass sie gedanklich mit ihren wohlhabenden Pendants mithalten können, was aber im Endeffekt keinen Unterschied macht, da dann trotzdem noch nach Leistungsfähigkeit ausgesiebt wird und man kann durchaus der Meinung sein, dass die Uni eben einer entsprechenden Gruppe offen stehen soll, die auch die geistigen Fähigkeiten dafür mitbringen. Das Ziel ist dann nicht möglichst hoher Studentenanteil sondern der Anspruch die an die Uni zu schicken, die da auch was zu suchen haben. In Anbetracht der Studentenschwemme und der Entwertung von Schulabschlüssen kann man durchaus fragen, ob das Konzept nicht im Grundsatz richtig ist. Aber Unterstützer von leistungsorientierten Schulsystemen hast du in vielen Bundesländern so auch in BaWü oder Sachsen. Auch hier keine bayerische Spezialiät.

Darüber hinaus trifft das eben auch auf dich nicht zu. Du bist eine qualifizierte Fachkraft und gehörst damit auch zu den Gewinnlern dieses Systems. Das man für dich damit nur keine Verwendung hat, ist jetzt Pech.

Ansonsten bekommt man aber, wenn man das von dir liest, das Gefühl das es nicht unbedingt das Problem der Jobangebote ist sondern eventuell auch deiner sonstigen Ansprüche. Deine Verkäuferepisode zeigt das deutlich. Du musst dir klar werden, dass du ein Angestellter bist, damit hast du dich in gewisse Kontexte ein- und damit unterzuordnen unter anderem unter die Tatsache, dass der Kunde König ist und sich so arschig benehmen darf, wie er will. Du solltest dir im Klaren darüber sein, dass die unternehmen nicht auf dich warten, sondern das du in Leistung treten musst. Man muss sicher nicht mit jeder belastenden Arbeitssituation umgehen können (es gibt ja ziemlich krasse Fälle, wo man besser das Unternehmen verlässt) aber generell gehört es auch dazu Kröten zu schlucken, wenn es eben nicht an den Bereich des Unterträglichen geht. Du solltest mal deine Erwartungen herunter schrauben und einsehen, dass du nicht das Maß der Dinge bist. So wie du hier über die vermeintliche Mentalität der Leute in Bayern herziehst, sollte man sich eben fragen, wer hier die gestörte Mentalität besitzt: du oder die paar Millionen Bayern, denen du vorwirfst unfreundliche arschige Menschen zu sein, weil du in ihrer Mitte nicht funktionierst. Und ich kann dir versprechen, dass die andere Seite des Zauns zwar immer grüner aussieht, aber da die angesprochenen Probleme keine bayerischen Exklusivitäten sind, kannst du in NRW genauso Pech damit haben einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, der deinen Ansprüchen genügt.

Es gibt diesen schönen Ausspruch: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Die Arbeit soll dich erhalten und im besten Fall sollte es sein, was du machen willst, aber im Endeffekt bleibt es ein Broterwerb für den man auch mal zurückstecken muss. Du kannst es natürlich auch wie der Ponader von den Piraten machen (ist der noch bei denen?) und einfach mit Ignoranz sagen, dass halt die Arbeitswelt wie sie jetzt ist das Problem ist und du nicht dazu beitragen willst. Dann bleibst du vielleict mit dir selbst im Reinen brauchst dich dann aber nicht zu beschweren, dass du arbeitslos bist und vom Arbeitsamt entsprechend schikaniert wirst.

Das klingt vielleicht hart, aber anstatt dich ständig selbst mental in die Opferrolle zu flüchten und alle anderen für dein Unglück verantwortlich zu machen, solltest du mal schauen, ob es wirklich die anderen oder deine ansprüche sind, die dich behindern.