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Ra´Kinji machte einen Schritt vor die Tür und musste zu seiner Überraschung feststellen, dass er sich an die Gerüche Bravils gewöhnt hatte. Kaum noch merkte er, wie sehr die Brühe im Kanal oder die Abfallhaufen am Straßenrand stanken. Die Luft hatte eine gewisse Frische, denn erst vor einer Stunde war er aufgewacht und selbst nach den Strapazen seines Kampfes in der Nacht war er trotz Kopfschmerzen früh aufgestanden und jetzt grüßte ihn die Morgenröte im Osten, wobei Schloss Bravil sich rechts von der aufgehenden Sonne befand und ihm seine noch im Schatten liegende Westseite zeigte. Durch den helleren Hintergrund erkannte Ra´Kinji jedes kleine Detail im Umriss des Schloßes: Zinnen, die abstände zwischen den groben Steinen, aus dem die Meisten der Mauern gemacht waren und auch jede Stelle, an denen die Steine abgenutzter waren als an anderen Stellen oder wo ein kleinerer Stein im feineren Mauerwerk herausgefallen war. "Wahrlich," dachte Ra´Kinji, "die Burg ist fast so heruntergekommen wie der Rest von Bravil." Es lag eine seltsame Schönheit darin und Ra´Kinji stand eine weile nur da, um das Schloß und die aufgehende Sonne zu betrachten.
Glücklicherweise konnte Ra´Kinji keine einzige Wolke am Himmel ausmachen und so beschloss er, einen Spaziergang zu unternehmen, wobei er die Muskelkater in Armen und Beinen ignorierte. Der Bandit, den Ra´Kinji mit zum Haus geschleppt hatte, lag auf einem Haufen Leinen in dem kleinen Raum des Hauses und war, als Ra´Kinji die Leiter hochgestiegen kam, immer noch Bewusstlos gewesen. Dro´Senjiu hatte, wie der Rest der Truppe, noch geschlafen, wobei starker Alkoholgeruch von ihnen ausging und nur Kurzschwanz war wach gewesen, um den Banditen zu bewachen. Dra´Sush hatte ganze Arbeit geleistet, überall lagen leere Glaßfläschchen, Schälchen mit Pulver und halb abgerollte Bandagenrollen. Er, Ra´Kinji, hatte also nichts zu tun. Er hatte danach seinen Geldbeutel geholt und jetzt stieg er vorsichtig die alte Holztreppe herunter und erinnerte sich daran, dass diese ihm letzte Nacht ewig lang vorgekommen war.
Ohne Hast schlenderte Ra´Kinji die Straße entlang und fühlte jedes mal, wenn er durch die Lichtstrahlen schritt, die zwischen den Schatten der vielen vermoderten Häusern hervorkamen, wie sich sein Fell angenehm wärmte. Er ging keinen bestimmten Weg, aber irgendwan kam er beim "Einsamen Freier" an. Ra´Kinji öffnete die grobe Tür und betrat das alte Holzgebäude. Sofort bemerkte er, wie leer es war. Offensichtlich liebten es selbst Kriminelle, einmal ausschlafen zu können oder sie kannten bessere Beschäftigungen. Das Fehlen der Menge, die sich sonst um die Theke und die schäbigen Tische drängte, ließ das Erdgeschoß ausergewöhnlich geräumig erscheinen. Nur ein grinsender Argonier in voller Stahlrüstung, die die Zeichen der Dunkelforstrotte trug, ein junger Waldelf mit billiger Lederrüstung und dicken Tränensäcken unter den Augen, Dro´Ba- ein Ra´Kinji wohlbekannter Renjirakrin- und der Wirt, ein Ork mit einer Brust wie ein Bierfass befanden sich hier.
Ra´Kinji gesellte sich zu Dro´Ba, der an der Theke stand und etwas aus einem zerkratzten zinnernen Becher trank, der klare Spuren der Benutzung aufwies. Als Dro´Ba Ra´Kinji bemerkte, nickte er nur zum Gruße und trank weiter, wobei sein Blick auf der Theke ruhte. Das modrige Holz war alt und man konnte sehen, wo irgendwanneinmal ein Getränk verschüttet wurde und an manchen stellen konnte Ra´Kinji sogar Reste von Blutflecken erkennen. Er stützte sich mit beiden Armen auf die Theke und als der Wirt ihn fragte, ob er etwas haben wollte, hob Ra´Kinji nur abwehrend die Hand, woraufhin dieser sich wieder daran machte, Becher mit einem dreckigen Lappen zu putzen und sie für die bald eintreffende Kundschaft bereitzustellen. "Na, Dro´Ba? Wie kommt es, dass du nicht bei den anderen bist, um bald mit üblem Kater aufzustehen?" Dro´Ba war ein mittelalter Kajiit, etwas größer als Ra´Kinji und schon etwas länger Teil der Renjirakrin als die meisten anderen in Dro´Senjius Gruppe. Er hörte auf, auf die Theke zu starren und wandt sich zu Ra´Kinji um. Erst jetzt bemerkte Ra´Kinji, dass jemand Dro´Ba ein blaues Auge geschlagen hatte.
Dro`Ba bemerkte Ra´Kinjis fragenden Blick und seufzte tief. "Hab mich mit nem Rothwardonen geschlagen. Danach gabs keinen Alkohol mehr für mich". Ra´Kinji hob eine Augenbraue. War es dem Wirt nicht eigentlich egal, wenn sich jemand hier schlug? Bei der Gesellschaft, die hier täglich verweilte, sollte sowas eigentlich an der Tagesordnung stehen... "Wie, keinen Alkohol?" Dro´Ba lächelte bitter. "Der Rothwardone hat mich aus der Schenke geworfen und ich bin... spazieren gegangen. Du weist schon, um Frusst abzubauen. In das "Silberheim auf dem Wasser" wollten sie mich nicht lassen. Haben gesagt, die wollen dort keine streitsüchtigen, angetrunkenen Kriminellen. Pfft... Als ob es nicht in der ganzen Stadt davon wimmeln würde... Verdammte Snobs... Also bin ich dann zum Haus zurückgegangen. Ich glaub, da hast du schon geschlafen. Dra´Sush hat mir von deinem Kämpfchen erzählt". Ra´Kinji verzog bedauernd das Gesicht. Also hatte es sich bereits under der Gruppe von Renjirakrin rumgesprochen. Dro´Ba lachte leise und sagte dann: "Du alter Haudegen! Verdammt, du hast diesen Banditen auch noch den ganzen Weg zum Haus geschleppt! Wär ich dort bei dir gewesen, ich hätt´ dir geholfen und wir hätten diesem Bravil-Pack gezeigt, dass man sich nicht mit der Renjirakrin anlegt, ich schwörs dir!" Ra´Kinji lächelte. "Ja, das glaub ich dir". Ra´Kinji befürchtete schon, Dro´Ba würde ihn fragen, warum er den Banditen mit zum Haus getragen hatte, aber Dro`Ba trank aus, ließ seinen Becher auf der Theke stehen, klopfte Ra´Kinji auf die Schulter, verabschiedete sich kurz und verschwand durch die Tür, wärend Ra´Kinji ihm hinterher sah.
Das mochte Ra´Kinji an der Renjirakrin. In den meisten Verbrecherorganisationen mißtrauten sich die Mitglieder gegenseitig und sie wurden nur solange tolleriert, wie sie der Organisation genug Geld einbrachten. Die Zusammenarbeit fand nur aus Notwendigkeit statt. Die Schwachen und Unerfahrenen wurden von den Anderen oft bestohlen, ausgenommen und zusammengeschlagen, wenn sie sich nicht behaupten konnten. In der Renjirakrin jedoch arbeiteten alle zusammen und verstanden sich mehr oder weniger gut. Sie alle arbeiteten für ein bestimmtes Ziel, welches nicht nur aus Gold bestand, sondern auch darin, ihr Heimatland zu beschützen. Jedenfalls galt das für den großteil der Mitglieder, denn am Skooma-Handel konnte man gut verdienen. Solange also die Anführer der einzelnen Grüppchen stark waren, was sie auch sein mussten, gab es keinen Verrat und kein Mißtrauen untereinander. Ra´Kinji drehte sich von der Tür weg und sah zurück auf die Theke. Nach kurzer Zeit blickte er wieder auf und sagte zum Wirt: "Das billigste Bier das ihr Leute hier habt. Und in einem sauberen Becher bitte!"
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