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5. Kapitel
Drels Theran stand an einem Fenster im obersten Stockwerk des Schloßes von Bravil, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. In der vorherigen Nacht hatte es stark geregnet, wie üblich im verfluchten Gebiet namens Nibenay. Hinter dem Schloß ging die Sonne auf und tauchte Bravil in ein warmes, oranges Licht. Die unzähligen pfützen und die nassen Hauswände reflektierten die Sonnenstrahlen. Manche Leute hätten diesen Anblick als schön empfunden, doch für Drels war es, als ob er eine feuchte Pestbeule ansehe. Er hasste Bravil. Und all seine Einwohner. Es gab in Bravil bestimmt keine einzige Person, die nicht in irgendwelche Verbrechen verwickelt war. Von den unzähligen Bettlern, über die Wachen bis zum Grafen selbst. Als Erzinquisitor war es seine Pflicht, jeden einzelnen von ihnen hinter kaiserliche Gitter zu bringen. Bravil sammt Einwohner war wie ein dreckiger Krebs-Tummor, und dass auch noch mitten im Zentrum des Kaiserreiches. Doch diese Plicht musste warten. Er war aus anderen, wichtigeren Gründen hier: Es war ein, bis vor kurzem, nicht allzu bekannter Auswuchs von Bravil und Umgebung. Eine Truppe von Kajiiten, die sich selbst "Renrjira Kriin" nannte.
Drels hasste Kajiiten, beinahe genauso sehr wie er Bravil, Cheydinhal und den Hafenbezirk der Kaiserstadt hasste. Die Renrjira Kriin sollten so etwas wie Rebellen darstellen. Angeblich verteidigten sie ihre Heimat Elsweyr vor der "Gier" des Kaiserreiches. Sie wollten verhindern, dass Elsweyr, genau wie Schwartzmarsch, einen Teil seines Gebietes an einen cyrodiilischen Grafen abtrehten muss. Angeblich. In Wirklichkeit, da war sich Drels Theran sicher, wollten sie sich nur selbst bereichern. Sie betrieben großangelegten Skooma-Schmuggel, gaben aber vor, dies nur zur finnanzierung ihrer Aktionen zu tun.
Natürlich logen sie. Obwohl die Sorge, ein Teil von Elsweyr würde annektiert werden, damit ein Graf mehr Land hatte, begründed war. Der fette, korrupte Graf Bravils, Regulus Terentius, wollte schon immer mehr Herrschaftsgebiet haben. Natürlich brauchte er es nicht. Für ihn währe es nur ein Statussymbol, Bravil selbst und seine Ländereien interresierten ihn nicht. Vielleicht war er einst ein ehrenhaffter Mann gewesen, doch jetzt kümmerte er sich nur um sein eigenes Wohl, und um das seines Skooma-süchtigen Sohnes. Deswegen hatte es so lange gedauert, bis Drels die Erlaubnis von ihm bekommen hatte, hier zu arbeiten.
Lordkanzler Okato hatte Terentius lange unter Druck setzten müssen. Drohungen und Versprechen hatten dann das Übrige getan. Gähnend drehte sich Drelen Theran vom Fenster weg, als jemand an die Tür seines Privatgemaches klopfte. Mit festen Schritten bewegte sich Drelen auf den einzigen Ein- und Ausgang des geräumigen Zimmers zu. Als er die Tür einen Spallt weit aufmachte, sah er auf einen kahlen Kaiserlichen herrab, der unter dem strengen Blick des hochgewachsenen Dunkelelfen zu zittern begann. Ohne auf Drels Anweisung zu warten, reichte der Kaiserliche eine Schriftrolle durch den Türspallt, die sofort von Drels entgegengenommen wurde. Schnell zog der Kaiserliche die Hand zurück, gerade schnell genug um zu verhindern, dass ihm die Hand gebrochen wurde, weil Drels die Tür zuschlug. "Gut", dachte Drels sich. "Er hat dazugelernt."
Drels drehte die Schriftrolle auf und seine Mundwinkel deuteten ein unterdrücktes Lächeln an. Gut. "Er hat den Ork gefunden". Es verlief also alles, wie Drels es geplant hatte. Zufrieden drehte Drels die Schriftrolle wieder zusammen und legte sie auf seinen Schreibtisch. Der Tag fing gut an. Sehr gut sogar.
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