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Kapitel 1
Die Sonne näherte sich bereits dem Horizont und der Himmel färbte sich orange, als Jo'kash die Tore Bravils erreicht. Seine müden Beine tun ihm weh und lassen ihn bei jeder Wurzel stolpern, die auf dem Weg zu finden ist. Die pelzigen Hände stützen sich auf einen, mit allerlei unbekannten Runen versehenen, etwa 1,80m großen Eichenstab. Trotz dieser offensichtlichen Strapazen ist der Khajiit guter Laune. Er hat endlich wieder eine große Stadt erreicht, seit er vor zwei Tagen in Leyawiin aufgebrochen ist. Rajhin sei Dank! Ich dachte schon, ich müsste wieder im Wald schlafen. In Cyrodiil gibt es für meinen Geschmack viel zu viele wilde Tiere! Während Jo'kash sich an die vergangene, von vielen Zwischenfällen gekennzeichnete Nacht erinnert, erweckt er die Aufmerksamkeit von einer vor einer Holzbrücke postierten Stadtwache. Auf seiner Brust prangt ein gold-gelbes Wappen: der Braviler Hirsch. „He du, Khajiit! Willst du etwa in die Stadt?“ Jo'kash sieht den Kaiserlichen an. Er ist jung, etwa um die 26 Sonnenumläufe alt, aber er zeigt bereits einige Narben auf: kein Zeugnis von überstandenen Kämpfen, sondern von durchzechten Nächten mit den Kumpanen von der Wache. „Seid gegrüßt! Ich suche eine Herberge für die Nacht. Ist das verboten?“ Die Wache blickt Jo'kash abwertend an. „Für Gesindel wie dich ist kein Platz hier in Bravil. Also verpiss dich!“ Ich gehöre zum Gesindel? Bei S'rendarr! Dieses Land ist verrückt. Der Khajiit ringt sich ein Lächeln ab und antwortet: „Wie kommt Ihr darauf, dass ich zum Gesindel zähle? Nur weil ich nicht zu Eurer Rasse gehöre?“ Der Jüngling überlegt einen kurzen Moment und fährt sich mit der rechten Hand über den schief sitzenden Helm. „Jetzt werd mal nicht frech! Aber ich wüsste einen Weg, wie du mich überzeugen kannst, dich nach Bravil zu lassen. Ich denke, zehn Septime ändern meine Meinung zu dir.“ Grinsend streckt er die Rechte aus, mit dem Handteller nach oben. Nicht schon wieder. In Leyawiin haben sie 15 Münzen verlangt. Aber was solls, ich brauche eine Dach über dem Kopf! Wehmütig greift Jo'kash an seinen Gürtel und entnimmt ihm einige seiner wenigen darin liegenden Septime, die er daraufhin der Wache in seine Hand fallen lässt. Jener steckt sie sich sorgfältig in seinen eigenen Beutel und deutet auf das hohe Tor. „Willkommen in Bravil! Ich wünsche Euch viel Vergnügen in dieser überaus schönen Stadt! Lasst Euch von den Bewohnern nicht einschüchtern. Die meisten sind fast ungefährlich!“ Schweigend geht der Elsweyrer an ihm vorbei und über die Brücke, vom Lachen des Jünglings begleitet. Am Holztor angelangt, das den offiziellen Ein- und Ausgang Bravils bildet, klopft er an eine in den linken Flügel eingelassene Tür, woraufhin sich diese öffnet und ein weiterer Wachmann hinausspäht. Fragend blickt er an Jo'kash vorbei zum Kaiserlichen an der Brücke, welcher beschwichtigend nickt und ruft: „Lass nur, Jeef! Er hat bezahlt!“ Der Torwächter tritt zur Seite und macht dem Khajiit Platz. Dieser schreitet durch die Nebentür und betritt damit Bravil.
Bravil ist nicht groß, aber für Jo'kash, der früher nur die kleinen Dörfer in seiner Heimat Elsweyr kannte, dennoch beeindruckend. Die Straßen sind nicht gepflastert, und an jeder Ecke gibt es Pfützen, die aus Fäkalien und Unrat bestehen. Hölzerne Häuser bilden vor Jo'kash eine Reihe. Sie sind unebenmäßig, überall gibt es kleine Vorsprünge und Treppen. Es scheint, als ob die Gebäude nach ihrem Bau immer wieder verändert wurden, als ob immer wieder angebaut wurde, bis sie ihre jetzige Form angenommen haben. Dieser ehe triste Anblick wird von einem Bettler unterstützt, der geradewegs auf Jo'kash zutrottet. „Habt Ihr eine Münze? Ich habe nichts mehr zu essen und weiß nicht, wovon ich leben soll.“ Der Khajiit sieht den Armen an. „Rahjin wird dich schützen und dir helfen, mein Bruder.“ Jo'kash legt seine Hand auf die Stirn des Nords, was ihm wegen des Größenunterschieds nicht gerade leichtfällt, und murmelt einige Worte. Dann deutet er auf die Häuser im Rücken des nordischen Bettlers. „Diese Behausungen sind Orte des Lebens und Erlebens. Sie sind nicht deine Feinde. Habe keine Angst vor ihnen oder ihren Bewohnern.“ Der Khajiit hält einen Moment lang Stille, um die Reaktion seines Gegenübers abzuwarten, der ihn aber nur verblüfft anstarrt. „Geh jetzt und hole dir dein Essen. Möge Alkosh dich segnen, Freund!“ Mit diesen Worten verlässt Jo'kash den Nord. Zu seinerr Linken sieht er ein Haus mit einem Schild, auf dem 'Silberheim auf dem Wasser' steht. Das scheint eine Herberge zu sein. Hoffentlich haben sie noch ein Zimmer übrig. Knarrend schwingt die Tür auf, als Jo'kash sie drückt.
„Klar habe ich ein Zimmer frei. Für Euch nur 10 Septime pro Nacht. Wollt Ihr es nehmen?“ Der Altmer, der sich als Gilgondorin vorgestellt hatte, blickt Jo'kash erwartungsvoll an, während er mit seinen Händen einen leeren, braunen Tonkrug putzt. Der Angesprochene will nach seinem Geldbeutel greifen. Aber als die Hände ins Leere fassen, erschreckt sich Jo'kash. Schnell sieht er nach ob der Beutel nicht vielleicht auf der anderen Seite des Gürtels hängt oder er sich an der hellroten Weste verhakt hat. Jedoch ist sein Besitz verschwunden. Verdammt, da war mein ganzes Geld drin: 29 Geldstücke. Ich muss ihn verloren haben, als ich die Stadtwache bezahlte. „Ähhm, ich fürchte, dass ich das Geld verloren habe. Wartet, ich bin gleich zurück! Der Beutel wird noch auf der Straße liegen!“ Jo'kash will sich schon abwenden, als das Lachen Gilgondorins ihn zurückblicken lässt. „Ihr habt Euren Beutel verloren? Ha, ich wette, Ihr hattet eher eine Begegnung mit Cosmus, unserem stadtbekannten Taschendieb!“ Der Wirt stellt den Krug ab und fährt dann fort: „Ich gebe Euch einen Rat: Bindet Eure Habseligkeiten nicht an Eurem Gürtel, sondern in die Innentaschen Eurer Weste. Und am Besten sucht Ihr Euch einige dünne und stabile Eisenringe, mit denen Ihr den Beutel zusätzlich anketten. Glaubt mir, ich habe da Erfahrung!“ Jo'kash ist von den Worten des Hochelfen schockiert. Der arme Nord hat mich ausgeraubt? Weshalb? Ich gab ihm doch den Segen der Götter und einen Rat. Er sollte doch nicht mich beklauen! Was ist das hier für eine gottlose Gegend, in der nicht einmal Wanderpriester vor den weltlichen Lastern Schutz bekommen? Um Fassung ringend sucht der Khajiit nach Worten. „Ich danke Euch für den Rat. Wie Ihr nun wisst, kann ich die zehn Septime nicht zahlen. Lasst Ihr mich dennoch bei Euch rasten? Der Segen Riddle Thar ist Euch gewiss.“ „Tut mir Leid, Wanderer. Ich brauche das Geld, um meine Familie ernähren zu können. Wenn ihr nicht bezahlen könnt, müsst ihr Euch eine andere Bleibe suchen.“ Golgondorin wendet sich ab und geht auf einen Tisch zu, um einige leere Mazte-Flaschen abzuräumen und ihn für neue Gäste herzurichten. Jo'kash verlässt die Taverne.
Draußen ist es inzwischen dunkel geworden. Nur einige Fackeln und Laternen erhellen die Straße. Weiter unten, an eine niedrige Steinmauer gelehnt, steht ein betrunkener Argonier. Der Wind streift durch die hehren Gassen, als wolle Khenarti selbst für Ruhe und Ordnung sorgen. Jo'kash blickt sich um, kann aber keine mögliche Unterkunft ausmachen. Daher geht er Richtung Fluss. An der Kriegergilde hält er kurz inne, kann aber keinen Grund finden, weshalb ihn die Mtiglieder dort dulden sollten, und nähert sich dann dem lallenden, singenden Argonier. „Verzeiht die Störung, Freund! Wisst Ihr, wo ich hier kostenlos eine Unterkunft finden kann?“, spricht Jo'kash ihn an. Dieser legt einen Arm um den Khajiit und lacht ihn an. Der unverkennbare Gestank des Alkohols und einigen, Jo'kash aber unbekannten Gerüchen dem Fragenden entgegen. „Eine Unterkunft willste, Freund? Freund, in Bravil gibt’s keine kostenlose Unterkunft. Glaub mir, ich weiß das! Ich bin Reenum, merk dir den Namen: r; e; e; n; u; m. Haste kapiert, Freund? Also, wenn du hier umsonst schlafen willst, brauchste schon wen aus deiner Familie hier in Bravil. Kapiert, Freund? In Bravil kannste nicht kostenlos üübernachten!“ Angeekelt streift Jo'kash den Arm des Betrunkenen von seiner Schulter. Dieser verliert das Gleichgewicht. Nur die nahe Mauer hält ihn davon ab, zu fallen. „He, was ist los, Freund? Haste nicht mal nen Septim für mich. Drüben im 'Einsamen-Freier' kriegt man heute ne Flasche Mazte für nur ein Goldstück! Kom schon, Freund! Nur einen Septim!“ Der Argonier will einen Schritt auf ihn zumachen, dabei stolpert er aber, stürzt und verliert das Bewusstsein. Jo'kash schreckt zurück. Welch verruchte Stadt. Hier scheint es nur um Alkohol und Drogen zu gehen. Mir scheint, Bravil hat sich Sheggorath persönlich erdacht. Der Khajiit macht einige Schritte nach vorne, auf eine Holzbrücke zu. Was sagte dieser Reenum? Ich brauche hier schon jemanden aus der Familie, um kostenlos übernachten zu können? Der Wanderpriester bleibt abrupt stehen. Da ist vielleicht was Wahres dran! Bei Baan Dar, das ist es! Ich brauche nur jemanden aus der Familie! Jo'kash will gerade wieder von der Holzbrücke herunter und zurück in die Stadt, als ihn jemand von hinten anredet: „Kann Dro'Shanjii Euch helfen? Ich glaube, Ihr sucht jemanden?“ Der Khajiit, der ihn angesprochen hat, war mittleren Alters. Er trägt eine weiße, etwas zu große Hose, die von einm schnmalen Gürtel zusammengehalten wird. Außerdem hat er ein in ganz Cyrodiil verbreitetes Leinenhemd an. Danke Baan Dar, danke! Jetzt nur noch etwas improvisieren, dann habe ich meine Unterkunft! „Dro'Shanjii, du bist es! Ich habe schon in der ganzen Stadt nach dir gesucht! Mensch, wie würde das Großmutter freuen, wenn ich ihr erzählen könnte, dass ich endlich den Halbbruder der Nichte der Mutter meines Schwagers gefunden habe!“ Jo'kash ist sich bewusst, dass seine Lüge nicht gerade glaubwürdig ist. Aber er hat nicht mehr viele Chancen für eine billige Nacht, und der Khajiit vor ihm scheint nicht gerade überaus intelligent zu sein. Sein Verdacht bestätigt sich. „Ähh, wir sind verwandt? Nun, wenn das so ist. Komm doch zu mir nach Hause, dort können wir uns unterhalten.Wie heißt du eigentlich?“ Jo'kash muss grinsen. Die Götter scheinen ihm heute gewogen zu sein. „Ich bin Jo'kash. Sag bloß, du kennst mich nicht mehr!“ Freudig erregt über seinen Erfolg folgt der Prediger seinem einfältigen Landsmann.
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