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Endlich kamen sie bei den Ställen an. Der Regen schien immer stärker zu werden und jetzt kam auch noch Wind auf. Wegen dem lauten Getöse hätte Lendor beinahe nicht verstanden, was der kleine halbkahle Mann unter der vorstehenden Holzüberdachung, gegen die das Regenwasser trommelte und anschließend in Massen an den Seiten kleine Wasserfälle bildend und herabströmte, ihm zurief: "Bringt das Pferd in den Stall und sprecht dann mit Isabeau drinnen im Haus!"
Plichtbewusst stand der Mann daraufhin auf, sprintete zu dem Tor im niedrigen Holzzaun, wo ein Seil das Tor mit dem Rest des Zaunes durch eine einfache Schlaufe verband, welche er dann mit einer schnellen Bewegung vom danebenliegenden Zaunpfosten anhob, damit er daraufhin, mit wegen dem Regen zusammengekniffenen Augen, das Tor mit beiden Händen aus dem Matsch zog und es eilligst nach innen hin öffnete.
Dankbar für diese Geste wartete Lendor noch ab, bis der Mann wieder unter sein Dach gehuscht war. Als nicht mehr die Gefahr bestand, den untersetzten Mann niederzureiten, gab Lendor Roter einen Tritt in die Seite und Ritt dann auf den Stall zu, der eigentlich nur eine weitere, aber dafür viel größere Überdachung auf der umzäunten Wiese war. Außer diesem Unterstand befand sich nur ein leerer Holzwagen auf dem Gelände. Roter ritt, wie es seine Art war, von alleine auf einen noch halbvollen Futtertrog zu, blieb stehen, beugte den Kopf nach vorne und fing dann an zu fressen. Das war das Zeichen dafür, dass Lendor jetzt absitzen konnte.
Überrascht spürte der Bretone, wie hinter ihm etwas aus dem Sattel glitt. Hastig warf er einen Blick nach hinten, aus Angst, die Argonierin könnte vom Pferd gefallen sein, doch zu seiner Verwunderung war die Echse bei vollem Bewusstsein und mit unerwarteter Geschicklichkeit aus dem Sattel gestiegen. Lendor hatte eigentlich erwartet, dass sie schlief, weil sie seit ihrem Aufbruch von der "Schenke zum Schlechten Omen" kein einziges Wort gesagt hatte.
"Wir müssen weiter..." sagte sie mit zittriger Stimme, wobei sie die Arme verschränkte, als ob ihr kalt sei, und Lendor laß ihre Worte mehr an ihren Lippen ab als dass er sie hörte.
"Ehh, ja" stimme der Mensch ihr überrascht zu, wischte sich eine Strähne von seinen kurzen, braunen Haaren von der Stirn und stieg ebenfalls von Roters Rücken. Er warf einen Blick auf die Satteltaschen und dachte darüber nach, was sie zur sicherheit mitnehmen sollten. Kurz darauf griff er in die eine Tasche, um seinen Geldbeutel und in die andere, um etwas zu Essen herauszuholen. Anschließend brachen sie, nachdem Lendor für den Stall gezahlt hatte, zum Torhaus auf.
Verdutzt blieb der Bretone trotz des Regens neben dem geistesabwesenden Wachmann stehen. Der Kaiserliche trug einen dicken hellbraunen Mantel, die Kaputze über dem Helm tief ins Gesicht gezogen, und man konnte ihn nur durch das Wappen auf seinem Schild als Wache erkennen. Der Boden des grünen Randes, der den springenden Hirsch, das Wappen der Grafschaft Bravil, umrahmte, war in der dunkelheit nur schwer auszumachen und schon fast ein wenig im Matsch versunken, weil der Wachmann die Schutzwaffe als improvisierte Stütze nutze. Ansonsten starrte er nur auf seine Füße und schien Lendor und die Argonierin nicht zu bemerken, und wenn er es tat, ließ er es sich nicht anmerken.
Jedoch war Lendor die Wache nicht so wichtig, wie dass, was er hinter ihr sah: Die Insel, auf der Bravil stand, war mit dem Festland nur über eine alte, im Wind schaukelnde Hängebrücke verbunden. Unsicher darüber, warum er das alles tat, machte der Bretone einen Schritt auf die Brücke und hielt sich mit einer Hand an dem Seil fest, dass als Geländer diente.
Langsam setzte er dann einen Fuß vor den Anderen. Unter ihm schlug das Wasser, das zwischen Insel und Festland hindurchfloß und von den immer stärker werdenden Windböen aufgepeitscht wurde, mit lautem und furchteinflößendem Getöse gegen die abgeschliffenen Felsklippen auf beiden Seiten. Vor ihm erhob sich eine Mauer aus Dunkelheit und Regen, und nur eine im Wind flackernde Fackel beim Torhaus auf der anderen Seite und der Lärm unter seinen Füßen erinnerten den jungen Bretonen daran, dass es am Ende der Brücke eine Insel gab. Eine Windböe erfasste die Brücke und brachte sie zum Schwingen, woraufhin Lendor sich fluchend an das Geländer klammerte. Als die Brücke wieder zum Stillstand kam, richtete er sich vorsichtig auf und starrte auf die Fackel auf der anderen Seite. Den Blick auf das Licht heftend kämpfte er die Angst nieder, die sich in ihm breitmachte, nahm dann seinen Mut zusammen und traute sich daraufhin, aufrecht im normalem Schritttempo weiterzugehen. "Ich werde nicht runterfallen. Die Brücke wird halten, und ich werde nicht jämmerlich ertrinken oder von den Felsen zerschmettert werden..."
Als er dann wieder festen Boden unter den Füßen spührte, stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Die Müdigkeit, die er verspührt hatte, war komplett verflogen und einem Gefühl der Aufgeregtheit gewichen. Kurz darauf drehte Lendor sich um, um nach seiner Begleiterin Ausschau zu halten. Wie es sich herausstellte, war sie dicht hinter ihm, die Kapuze, der Wache gleichtuend, ins Gesicht gezogen und immer noch mit verschränkten Armen. Sie schien noch nichteinmal den Arm ausgestreckt zu haben, um sich abzustützen. Überrascht sah er sie an, verfluchte noch einmal die Hängebrücke und betrat wenige Augenblicke darauf die Stadt.
Schnell hatte er die erste Herberge gefunden. Gleich links vom Tor stand das "Silberheim auf dem Wasser", ein mehrstöckiges Wohngebäude aus alten, schlecht gezimmerten Holzbalken, an dessen Seiten und Herbergenschild das Wasser herablief. Trotz des Regens schlugen Lendor tausende übelkeitseregende Gerüche entgegen und ihm stiegen tränen in die Augen. Eillig, um dem Regen und dem überwältigendem Gestank zu entkommen, betrat er zusammen mit der Argonierin die Herberge und konnte sich deswegen keine Eindrücke von der Straße machen, außer dass sie von weiteren Holzgebäuden flankiert wurde und eher wie ein sehr breiter, mit kleinen Steinen bestreuter Trampelpfad aussah, auf dem sich das Regenwasser in Pfützen sammelte und der nur spärlich von Fackeln beschienen wurde.
Lendor hatte vor seiner Abreise aus Cheydinhall den "Stadtleitfaden für Bravil" von Alessia Ottus gelesen. Richtig gute Informationen konnte man in ihren Büchern nicht erwarten, das war allgemein bekannt, denn die Autorin war streng gläubig und in all ihren Werken schwang Propaganda für den Kaiserlichen Kult mit. Über "das Armenhaus Cyrodiils" hatte sie geschrieben, das dass "Silberheim auf dem Wasser" die beste Absteige der Stadt war, und zu Lendors Erstaunen hatte sie recht behalten.
Im gegensatz zur Fassade befand sich das Innenleben der Herberge in gutem Zustand. Kerzen erhellten den Raum mit warmen Licht und der Bretone hörte irgendwo ein Feuer prasseln. Der Sturm aus miefigen Gerüchen war durch eine solide Tür und geschloßene, mit dicken Scheiben versehene Fenster ausgesperrt. Links von ihm führte eine robust aussehende Holztreppe nach oben, sonst führte der längliche Raum nur geradeaus, wo er, nachdem die Treppe oben ankam, breiter wurde, um Platz für einen Tisch mit Stühlen, eine Feuerstelle und eine Theke zu schaffen. Außerdem hingen hier und dort noch einige Bilder mit underschiedlichen Motiven.
Der Tresen war aus dunklem, edel aussehendem Holz hergestellt, dass sich deutlich von dem Holz, aus dem die Wand und der mit Teppichen belegte Boden gemacht waren unterschied. Ein Hochelf mit hellbraunen Haaren und sauberem braunen Wams, offenbar der Besitzer, stand hinter der Theke und sah zu Lendor und der Argonierin auf, nachdem die beiden das Gasthaus betraten.
Schnell sprang er von seinem Stuhl hinter der Theke auf und rief mit einem warmen Lächeln: "Ah, Gäste! Wilkommen im Silberheim auf dem Wasser! Wollt ihr ein Zimmer mieten?"
Lendor sagte: "Zwei Zimmer, um genau zu sein", und ging mit vor Nässe schweren Schritten auf den Altmer zu.
Bevor er an der Theke ankam, trat ein Ork, ebenfalls in ein braunes Wams gekleidet, von hinter der Treppe zwischen ihn und sein Ziel und blickte bedrohlich auf ihn herrab.
Abwehrend hob Lendor instinktiv die Hände und machte einen Schritt nach hinten.
"Ist schon in Ordnung, er ist ein Gast!" hörte der Bretone den Hochelfen von hinter dem Ork rufen.
"Ahso!" Die Mine des Orks hellte sich auf und er machte den Weg frei. Vorsichtig drückte Lendor sich an dem muskelbepackten Hauergesicht vorbei und nachdem er dem Ork einen unwillkürlichen Blick über die Schulter zuwarf, sprach er den Hochelfen an: "Wie gesagt, zwei Zimmer. Für eine Nacht, wie viel wollt Ihr dafür?"
"30 Septime pro Zimmer. Frisches Bettzeug und ein Laib Brot sind mit eingeschloßen."
"60 Septime?" fragte Lendor ungläubig. Im Gegensatz zur Schenke "Zum Schlechten Omen", wo er für beide Zimmer nur 20 Münzen Zahlen musse, war das ein recht hoher Preis.
"Ja, 60. Aber der Preis wird sich in Zukunft ändern, ich brauche nicht mehr viel Geld um meine Schulden beim Grafen zu bezahlen. Das Gebäude hier war schon vorher da und eigentlich recht billig, aber gute Türen, Möbel und Schlößer sind leider sehr teuer, von den ganzen Lizensen mal abgesehen..."
"Könnt Ihr nicht das Brot weglassen und uns die Zimmer billiger geben?" versuchte der Bretone nach kurzer Überlegung den Preis herunterzufeilschen.
"Hmm..." antwortete der Altmer nur, und nach einer Pause fügte er hinzu: "Ja, ja das könnte Ich. Aber nur zur Ausnahme. Die Zimmer würden dann aber zusammen immer noch 50 Septime kosten. Günstiger kann ich sie nicht vermieten."
Erleichtert darüber, dass er 10 Septime gerettet und damit einen eher fragwürdigen Sieg errungen hatte, nickte er zufrieden: "Gut, dann 50 Septime, hier." Schnell zog er an den kleinen Schnüren seines Geldbeutels und kramte die Münzen daraus hervor. Der Geldbeutel selber war in den Satteltaschen trocken geblieben und von ihrem Weg von den Ställen bis in die Herberge nur ein wenig eingeweicht.
Zeitgleich hatte der Altmer sich umgedreht, um zwei Schlüßel von ihren Haken an der Wand hinter ihm zu nehmen, an denen jeweils ein Pergament mit einer Nummer hing. "Übrigens", fing er an, "mein Name ist Gilgondorin! Wenn Ihr etwas zu Essen, zu Trinken oder noch eine Nacht länger hierbleiben wollt, sagt mir bescheit. Wenn Ihr Ärger mit anderen Gästen habt, redet mit Kurdan da drüben," er deutete auf den Ork, der Lendor zuvor den Weg versperrt hatte und der jetzt auf einem gemütlich aussehendem Holzstuhl am Kamin saß. Außer Lendor, der Argonierin und Gilgondorin war der Ork der einzige im Erdgeschoß. "Er ist soetwas wie ein persöhnlicher Wachmann. Nicht, dass das wirklich notwendig wäre, es ist auf keinen Fall gefährlich... in... diesem Stadtteil! Egal, wilkommen in Bravil, ich wünsche euch noch eine gute Nacht. Schlaft gut!"
Lendor bedankte sich, nahm die Schlüßel entgegen und ging auf die schweigende Argonierin und die Treppe zu, als er sich dann an etwas erinnerte: "Ah, Gilgondorin, könntet Ihr mich bitte Morgen Früh wecken?"
"Natürlich, natürlich!" sagte Gilgondorin und sah ihnen freundlich lächelnd hinterher, als sie die Treppe erklommen.
Oben reichte er der Argonierin den Schlüßel mit der Nummer "3" und einen Teil des Proviantes, der aus einem Laib Brot und ein paar Streifen getrockneten Fleisches bestand. Zögerlich nahm sie beides entgegen und wand sich ohne Worte zu ihrem Zimmer um. Nach kurzer Überlegung rief er ihr "Gute Nacht!" hinterher, aber erhielt keine Antwort, sie hatte bereits ihr Zimmer aufgeschloßen und war darin verschwunden. Kopfschüttelnd hob er den Schlüßel in seinen Händen auf Augenhöhe und betrachtete die Ziffer. Eine geschwungen geschmiedete "1" aus Messing, die durch Nägel an der Tür befestigt war, zeigte ihm, dass er bereits vor seinem Zimmer stand. Der Adrenalinstoß, den er durch den Schock auf der Brücke erhalten hatte, verlor seine Wirkung und er fühlte sich wieder so müde wie zuvor. Die Lederrüstung hatte den Regen gut abgehalten, aber die Nässe, die er an Kopf, Hals, Hand- und Fußgelenken verspürte verstärkte nur das Gefühl der Erschöpftheit, von dem langen Ritt tat ihm sein Rücken und sein Gesäß weh. Es wurde wirklich Zeit für ihn zu schlafen.
Nachdem er sein Zimmer, ein kleiner, aber recht kompfortabler Raum mit einem niedrigen Schrank, einem kleinen Stuhl und einem gemütlich aussehendem Bett, betreten hatte, legte Lendor den Rest des Essens auf den Schrank, streifte seine komplette Rüstung ab, zog sein am Kragen nasses Hemd und die graue Stoffhose aus und legte sich dann ins Bett. Es war weich und warm, viel kompfortabler als sein eigenes in der Kaserne von Cheydinhall oder das Bettzeug in der Schenke "Zum Schlechten Omen". Bald schon versank er in einem ruhigen Schlaf.
Am nächsten Morgen wurde er von einem Klopfen an der Tür geweckt. Gilgondorin schien sein Versprechen gehalten zu haben. "Ich bin wach, danke!" rief er und das Klopfen hörte auf, gefolgt von gut hörbaren Schritten von der Tür weg. Zu seiner eigenen Überraschung fühlte sich Lendor erneut ausgeschlafen und die Muskelkater, die er durch das lange Reiten erleidet hatte waren auf eine leicht verträgliche Stufe abgeschwächt.
Er zog seine wieder trockene Kleidung und seine Lederrüstung an, band sich seinen Schwertgürtel um, brach sich ein Stück Brot ab, nahm einen Streifen des Fleisches und ging anschließen hinunter in den Schankraum. Außer dem dösenden Ork und Gilgondorin befand sich hier nur ein Lendor unbekannter Bosmer in Fellkleidung, der am Feuer saß und in einem Buch las.
"Guten Morgen!" begrüßte der Hochelf den Bretonen. "Habt ihr Hunger?"
Lendor machte eine wegwerfende Handbewegung, hob die Nahrungsmittel in seiner Hand und sagte: "Nein, danke, ich habe mein eigenes Essen." Kurz zögerte er, doch dann fragte er den Altmer: "Gilgondorin, kennt Ihr vielleicht einen Nord namens Turgar Silberstahl?"
Überrascht dachte der Hochelf nach und nickte dann: "Ja, ich glaube er wohnt irgendwo im Süden der Stadt, also vom Torhaus aus rechts. Eine zweistöckige Hütte, er lebt im Erdgeschoß, jetzt weiß ich´s wieder, hat seine Fenster vernagelt... aber wieso- ach, vergesst es, es geht mich nichts an! Seit aber gewarnt. Ich habe Gerüchte gehört, dass dieser Nord viele Probleme mit den vielen Banden hier hat. Und solche Probleme sind leider ansteckend. Überhaupt solltet Ihr auf den Straßen aufpassen, die Kathedrale und das Silberheim sind die einzigen wirklich sicheren Orte in Bravil!"
"Oh. Danke, ich werde es mir merken! Ach, und.. Die Argonierin mit der ich hergekommen bin..." fing Lendor vorsichtig an, "Passt auf, dass sie Nirgendwohin wegläuft. Eh, nicht, dass ich sie gefangen hallte, aber sie ist ein wenig verwirrt und ich habe ihr versprochen, sie nach Leyawiin zu bringen". Gilgondorin musterte ihn einschätzend, woraufhin Lendor noch rasch hinzufügte: "Ihr habt selbst gesagt, wie gefährlich Bravil ist, und Ihr müsst auch keine Gewallt einsetzen, versucht sie nur dazu zu Überreden, dass sie hierbleibt!"
Nach langer Überlegung zuckte Gilgondorin mit den Achseln und sagte: "Die anderen Stadtteile. Und ja, in ordnung, ich werde versuchen sie zum Bleiben zu überreden, falls sie gehen will. Wann wollt Ihr denn zurückkommen?"
Erleichtert darüber, dass der Hochelf ihm diesen zweiten, höchst seltsamen Gefallen nicht ausschlug sagte Lendor: "Ich weiß es noch nicht, Heute Abend spätestens. Und danke!"
"Es ist kein Problem für mich, ich stehe sowieso den ganzen Tag hier. Seid Ihr sicher, dass Ihr nichts zu Essen kaufen wollt? In Bravil findet Ihr sonst nur billigen Fraß den irgendwer von den Wänden gekratzt oder aus dem Kanal gefischt hat!"
Lachend schüttelte Lendor den Kopf und verließ die Schenke.
Vor der Tür streckte der Bretone sich kurz und nahm sich Zeit, seine Umgebung genauer zu betrachten. Wie am vorherigen Tag regnete es, jedoch fiel der Niederschlag nur als Nieselregen auf die Straßen und Dächer Bravils und die Wolken färbten den Himmel in ein helles Grau. Die groben Gerüste aller Gebäude waren aus den gleichen abgenutzten und teils schon grün angelaufenen Holzpfeilern gebaut. Die Wände der meisten schienen nur aus dünnen Brettern zu bestehen, die sich ebenfalls in einem miserablen Zustand befanden und auf manchen Häusern stapelten sich bis zu drei Stockwerke. Es gab Treppen, die nach oben führten und breite Holzplanken, die die Balkone der oberen Stockwerke miteinander verbanden und somit ein eigenes Straßennetz für sich schufen.
Die bodenbasierende Hauptstraße, die vom Tor Weg und zur Kathedrale, die viel größer war als alle Häuser, die in Lendors Sichtfeld standen und deswegen gut zu sehen war, führte und dort endete, hatte kein Pflaster. Stattdessen war ihre Erde mit Steinen und Kies vermischt, was jedoch nicht verhinderte, dass sich dort Pfützen bildeten. Die Nebenstraßen bestanden nur aus Erde und waren nach dem gestrigen Regenfällen stark vermatscht. Dies schien die ärmlich gekleideten Einwohner jedoch nicht zu stören. Es war noch recht frisch und warscheinlich erst früher Morgen, doch die Straßen waren schon belebt. Menschen und Mer versuchten, den Pfützen auszuweichen, hatten aber anscheinend auch keine Angst davor, einen Fuß in das braune Wasser zu setzen, wenn es sein musste.
Ein Rudel aus verschiedenrassigen streunenden Hunden überquerte die Straße und hier und da erblickte der Bretone eine Katze umherstreifen.
Auf Lendor wirkte das alles sehr fremdartig, denn selbst wenn Cheydinhall ebenso ein Sumpf des Verbrechens war wie Bravil, schaffte seine Heimstadt es doch, alles hinter einer schönen Fassade, gepflegten Grünanlagen und gut gepflasterten Straßen zu verbergen.
Nachdem er sich seiner Meinung nach genug umgesehen hatte, machte er sich auf den Weg. Die Gerüche verdarben ihm den Apetit und er entschied, später zu essen. Er ging am großen Torhaus vorbei, an dem zwei heruntergekommen wirkenden Wachmänner standen, die ihre Hände mistrauisch auf den Knäufen ihrer Schwerter ruhen ließen und ihn wortloß musterten, als er sie passierte. Lendor folgte dem matschigen Weg in richtung Süden, an der großen Mauer entlang, auf der wegen der Höhe von unten nicht sehbare, aber durch ihre Gespräche hörbare Wachen patroullierten. Bald schon kam er bei dem Haus an, von dem er dachte, dass es das richtige war. Zwar hatten viele der Häuser- warscheinlich aus Einbruchgefahr, so dachte sich Lendor- geschloßene Fensterläden, aber der erste Stock von diesem hier war in der Häuserreihe das einzige mit zugenagelten Fenstern. Gespannt darauf, was ihn wohl erwarten würde, klopfte er an die Tür. Hinter der Wand rumpelte etwas und Schritte waren zu hören. Dann ging die Tür einen Spallt breit auf und gab den Blick auf ein einzelnes dunkelbraunes Auge in der Hälfte eines bärtigen Nordgesichtes frei, dass ihm sofort eine Frage entgegengrunzte: "Was wollt Ihr?"
Es dauerte einen Moment, bis Lendor antwortete: "Verzeiht, aber wohnt hier vielleicht ein Turgar Silberstahl?"
Die Tür schlug augenblicklich vor seiner Nase zu und nachdem er seine Verblüffung abgeschüttelt hatte, hörte Lendor Schritte, die drinnen von der Tür weggingen und dann wieder zurück kamen. Vor dem Eingang verstummte das Stampfen und unvermittelt riss der Nord die Tür auf.
Geschockt sprang der Bretone einen Schritt zurück, mit der einen Hand am Schwertgriff. Der Nord stand mit einer Eisenplatte vor der Brust und mit einer gewalltigen, zweischneidigen Axt in der Tür. In seinem rot angelaufenen Gesicht stand der Zorn geschrieben und er fing an zu brüllen: "Verdammt nochmal! Ich werde euch verdammten Hunden und euren Zwingern keinen einzigen Septim zahlen! Eher sterbe ich, das habe ich den zerhackten Überresten deines Vorgängers auch schon gesagt!" Der Nord hob die Axt an und machte brüllend anstalten, sie mit vernichtender Wucht gegen Lendors Kopf zu schwingen.
Eillig sprang der Bretone einen zweiten Schritt zurück und rief das erste das ihm einfiel: "Garrus Darellion! Garrus Darellion!"
Bevor die Axt niedersaußte, hielt der Nord inne. "Garrus? Woher kennt Ihr ihn?"
Verzweifelt nach diesem Strohhalm greifend stammelte Lendor drauflos: "Wachmann! Ich bin Wachmann in Cheydinhal! Garrus ist mein Vorgesetzter! Ich komme in seinem Auftrag!"
Ungläubig mussterte der Nord ihn, wobei er wegen seiner Größe auf ihn herrabsah. "Die Stadtwache von Cheydinhal in Bravil? Willst du mich für dumm verkaufen?"
"Nein!" rief Lendor, dem jetzt bewusst wurde, dass der Nord gute Gründe dafür hatte, ihm nicht zu glauben und wie lächerlich er sich anhörte. Was hatte eine Wache aus Cheydinhal in Bravil zu suhen? Eine ganze Grafschaft trennte die beiden Städte voneinander, wenn man das Hoheitsgebiet der Kaiserstadt denn als Grafschaft zählen konnte.
Überraschenderweise ließ der Nord die Axt jedoch wieder sinken und knirschte mit den Zähnen. "Verdammt. Ich hätte nie gedacht, dass Garrus den Gefallen wirklich einlösen will..." Der Hüne guckte sich nach rechts und links um, und als er merkte, dass ein arm anmutender Rothwardon sie beide anstarrte, brüllte er ihm zu, er solle verschwinden, wobei er wild mit seiner Axt fuchtelte. Als der Gaffer verscheucht war, richtete der Nord seinen Blick wieder auf Lendor: "Komm herein. Dann erzählst du mir erstmal, was Garrus von mir will und was du hier zu suchen hast!"
Im inneren des Hauses war es dunkel, denn das Licht von draußen viel nur gedämpft und in kleinen Strahlen zwischen den Brettern der vernagelten Fenster hindurch. Es gab nur ein Zimmer, in dem ein Tisch mit drei Stühlen, von denen einer einer anderen Bauweise entsprang, einen hohen Schrank, hier und da ein paar kleinere Komoden und ein Bett, das nur teilweise von einem groben Leinentuch verborgen war, dass von zwei Holzstäben gehalten wurde und als provisorische Wand diente. Sanitäre Einrichtungen gab es nicht. Mit großen Schritten durchmaß der Nord den Weg zum Tisch und machte es sich auf einem der Stühle bequem, die Axt griffbereit gegen die Sitzgelegenheit gelehnt. "Komm, setz dich!" Lautlos sprang eine schwarze Katze auf den Tisch, beäugte Lendor und rollte sich dann zusammen. "Verdammt!" schrie der Nord, "Runter vom Tisch!" Nachdem die Katze sich nicht rührte, sondern ihn nur teilnamslos ansah, hämmerte der Nord mit der Faust auf die Tischplatte. Unbeeindruckt blieb die Katze liegen und schloß die grüngelben Augen um zu dösen. Verärgert schnaubte der Nord und drehte sich zu Lendor um. "Dieses Vieh treibt mich noch in den Wahnsinn! Jetzt komm schon, nimm dir ´nen Stuhl!"
Die Katze schien ganze Arbeit geleistet zu haben. "Bei den Neun, was ist das für ein Verrückter?" Wie geheißen setzte Lendor sich auf den nächstbesten Stuhl und rang sich dazu durch, die Stimme zu erheben: "Eh, ja, also... Garrus schickte mich, um..." Plötzlich beschlichen ihn zweifel. War sein Gegenüber überhaupt Turgar Silberstahl? Nicht, dass er jetzt einem der Banditen, die den Zug aus Wagen überfallen hatten, erzählte, dass er hinter ihm her war. "Ihr seid doch Turgar, oder?" Die Frage hörte sich ziemlich dumm an und Lendor verspürte deswegen ein beklemmendes Gefühl.
Der Nord lachte laut auf und grinste breit. "Natürlich bin ich Turgar! Turgar Silberstahl, wie er leibt und lebt!"
Seltsamerweise reichte dies dem Bretonen und beruhigt mussterte er den Nord: Seine blonden Haare waren kurzgeschoren und standen deswegen im Gegensatz zu seinem verfilzten Bart, der auf dem Kinn im wettergegerbten Gesicht wild in alle richtungen wuchs. Außerdem war es klar zu sehen, dass seine große Knollennase schon mehrmals gebrochen war. Das Hemd aus verblichener, roter Wolle, dass er unter der eisernen Platte, die mit Riemen aus sprödem und rissigem Leder an seinem Oberkörper gehalten wurde, trug, wies mehrere Löcher und geflickte Stellen auf.
"Garrus schickt dich, um...?"
"Er schickte mich los, um einen überfallenen Wagenzug auf der Straße zwischen Bravil und Leyawiin zu untersuchen, der warscheinlich mit illegaler Wahre beladen war. Und er sagte, ich sollte Euch einen Besuch abstatten, wenn ich hier vorbeikomme..."
Erneut lachte der Nord: "Tjaha! Da hast du aber Glück gehabt, dass der alte Garrus dich zu mir geschickt hat!"
Fragend sah Lendor ihn an. Der Nord wollte offenbar eine dramatische Pause vor seinem nächsten Satz haben: "Es ist nähmlich so, dass ein paar... sagen wir mal... Bekannte von mir sind erst kürzlich an ebendiesen Wagen vorbeigekommen sind! Sie haben mir ihre wunderbaren neuen Stiefel und Waffen gezeigt, die sie von dem Haufen toter Orks mitgenommen haben. Sie sagten auch, dass es dort keine Pferde gab, und die Wagen waren nur mit Nahrungsmitteln und diversen Haushaltswahren gefüllt. Nichts wirklich Wertvolles, denn wie ich meine Bekannten kenne, hätten sie laut damit herumgeprahlt. Das währe für dich jetzt eigentlich entmutigend, aaaber..." Turgar machte eine zweite Pause. "Aaaber, du hast verdammtes Glück, dass ich mich ein wenig schlau gemacht habe! Ich bin nunmal eine etwas neugierige Persöhnlichkeit und ein Haufen Orks in Stahlrüstung bewacht nicht einfach irgendwelchen Krimskrams! Und ganz zufällig habe ich mitbekommen, dass vor ein paar Tagen eine Gruppe von Kajiiten mit einem Wagen, dessen Ähnlichkeit mit den Wagen des Zuges von einem meiner Bekannten später bestätigt wurde und der mit Kisten beladen war, in Bravil angekommen ist. Ein Bettler, den ich kannte, hat gesehen, wie sie die Kisten durch die Stadt geschleppt haben, offenbar war er der einzige, es war mitten in der Nacht und wie üblich regnete es. Naja, der Bettler wollte mir aber nicht ohne Bezahlung verraten, wo sie die Kisten hingebracht haben, und leider ist ebendieser Bettler gestern an der Braunen Fäule gestorben. Oder an den Symptomen. Egal. Naja, das war jetzt alles, was ich weiß. Die Kajiiten musst du schon selbst finden."
Lendor brauchte eine Weile um die Informationen zu verarbeiten und als er sich dann bedanken wollte, stöhnte Turgar Silberstahl auf.
"Na gut! Verdammt, Garrus, warum musst du den zweiten Gefallen auch noch einlösen? Ich werde dir helfen, die Kajiiten zu finden! Ja, triff mich in ´ner Stunde im "Einsamen Freier", falls du weißt, wo das ist!", dann wand er den Blick auf die Katze, die auf dem Tisch schlief und blickte drein, als würde er sie für alles verantwortlich machen.
Nachdem lange nichts gesagt wurde, stand Lendor schließlich auf und verabschiedete sich. Er wollte so schnell wie möglich aus dem Haus des Nordmannes herraus. Turgar selbst schien sympatisch zu sein, doch etwas ließ den Bretonen sich unbehaglich fühlen. Vielleicht war es die Angst, dass der Nord seine meinung plötzlich ändern und dann mit der Axt auf ihn eindreschen könnte.
Nach kurzer erkundigung bei einem Stadtbewohner, die ihn weitere 5 Septime kostete, fand Lendor schließlich die "Einsamer-Freier-Unterkunft". Mit dem Überqueren der Hängebrücke über dem Kanal hatte er eingige Schwierigkeiten gehabt. Hängebrücken traute er in der Regel nur, wenn sie sich als stabil erweisten. Die Brücke über dem Kanal sah zwar nicht stabil aus, aber er konnte sich dazu durchringen, eine Überquerung zu wagen. Das größere Problem war der unglaubliche Gestank, der dem verdreckten Gewässer unter seinen Füßen entsprang. Glücklicherweise wurde die Brücke von vielen Leuten benutzt, weswegen Lendor immer weiter gedrängt wurde und deswegen gerade noch rechtzeitig aus seiner angeekelten Starre gezwungen wurde, sodas er sich nicht übergab.
In der Schenke war der Mief nur teilweise ausgesperrt und vermischte sich mit dem seiner ärmlichen Besucher. Auf Abstand von den anderen Gästen bleibend war er dabei, sich auf den Thresen zu zubewegen, als ihm eine Gestallt, die alleine an einem Tisch saß und aus einem großen Zinnbecher trank ins Auge sprang. Die in Sachen Qualität im krassen Gegenteil der Rüstungen von anderen Besuchern stehende dunkle Stahlrüstung mit der dicken Halsberge aus gut gearbeiteten Ketten zeichneten den Kaiserlichen eindeutig als Mitglied der Legion aus. Dazu kamen das runde Gesicht, die kurzen Haare und die kleinen Augen und Lendor wurde schnell klar, dass er Pelelus, den Legionärsfreund von Gergius vor sich hatte. Große Lust dazu, mit ihm zu reden verspürte Lendor nicht, doch ihn interresierte, wie es um die Verstärkung für Gergius und die Schenke "Zum Schlechten Omen" stand.
Als er den Tisch erreichte, hob der Legionär den Kopf und grinste breit, als er ihn erkannte: "Ah! Ihr! Wo ist denn Eure Echsenfreundin?"
Die Stimme des Kaiserlichen klang provokant und Lendor zwang sich dazu, sich zurückzuhalten. Er setzte sich gegenüber von Pelelus auf den dort stehenden Stuhl und fragte: "Guten Tag, Pelelus. Ich möchte Euch von Gergius fragen, wann die verstärkung kommt. Er wird nicht lange ganz allein dort am Höllentor aushalten."
Von dem plötzlichen Themenwechsel überrascht ließ Pelelus sein unverschämtes Grinsen fallen und wurde sehr ernst. "Es wird keine Verstärkung geben! Ich werde auf keinen Fall welche holen!"
Lendor kniff die Augen zusammen. Warum war es ihm nicht gleich seltsam vorgekommen, dass der Kaiserliche zum Verstärkungholen nach Bravil und nicht direkt zur Kaiserstadt geritten war?
Auf Lendors Gesichtsausdruck antwortete der Kaiserliche mit einem Zittern in der Stimme: "Wenn die von der Legion mich finden, werden die mich an die Front versetzen! Gergius kann mich mal, ich gehe nicht wieder auch nur in die Nähe eines dieser Tore!"
Unvermittelt wurde Lendor sehr wütend. Gergius, Manheim, Rufio und Minerva versuchten bei der Schenke durchzuhalten, mit einem Obliviontor direkt nebenan, in der Hoffnung, dass die Legion kommt und ihnen hilft. Gergius war der einzige von ihnen, der wirklich mit einer Waffe umgehen konnte, doch alleine konnte er die Horden aus Oblivion nicht zurückhalten. Ohne Hilfe würden sie bald überrannt werden, und dieser fette, feige Möchtegernlegionär, der eigentlich die erhoffte Hilfe holen sollte, verkroch sich in einer Schenke in Bravil und saufte fröhlich Bier! Er sprang vom Stuhl auf und schrie den Kaiserlichen an: "Gergius verlässt sich auf Euch, verdammt! Und Ihr verkriecht euch hier wie ein kleines Mädchen! Die Leute, die dort warten, werden Eurentwegen sterben, ist euch das Bewusst?! Wie könnt Ihr so... kalt und ehrlos sein?"
Der Legionär sprang jetzt seinerseits auf, das Gesicht rot angelaufen und die Fäuste geballt, jedoch mit einer Spur von Überraschung: "Sollen sie doch zur Hölle fahren, allesammt! Und ihre Ehre sollen sie gleich mitnehmen! Ihr wart nicht in Kvatch, nein das wart Ihr nicht! Ist es Ehrenvoll, eine ganze Stadt auszulöschen und dutzende Familien mit ihr? Nein, die Daedra scheren sich nicht um Ehre, was sollte sie mir dann bringen, wenn sie mich zerfetzen wollen? Und kalt? Ihr könnt das Gegenteil von Geisteskrankheit nicht kalt nennen!"
Lendor spührte die Blicke der anderen Gäste auf sich ruhen, was seiner Wut einen jähen dämpfer versetzte. Hatte er gerade nicht etwas überreagiert? Als Wache sollte er Streit schlichten und keinen anfangen. Den Kaiserlichen anzuschreihen, der sich doch nicht dazu entscheiden würde, der Legion bescheid zu geben, ergab wenig Sinn. Schließlich ließ Lendor sich wieder in seinen Stuhl zurücksinken und nach einem lautem Schnauben tat Pelelus es ihm gleich. Der Legionär vergrub das Gesicht in einer gepanzerten Hand und gab dann nach einer unangenehmen Pause im Flüsterton zu: "Verdammt, Ihr habt recht. Aber trotzdem, nichts wird mich dazu bringen, mich bei der Legion zu melden! Von mir aus könnt Ihr das tun, ich will nicht gegen die Daedra kämpfen."
Schweigend saßen sich beide Männer so gegenüber, als Lendor schließlich versuchte, ein Gespräch anzufangen. Warum hatte dieser Mann vor ihm solche Angst vor den Daedra, von denen dem Bretonen nicht allzuviel bekannt war? Außerdem war dies eine Gelegenheit, mehr über die Geschehnisse in Kvatch zu erfahren:
"Pelelus, Ihr sagtet Ihr wart in Kvatch, als es fiel?"
Langsam sah der Kaiserliche auf und antwortete entgegen Lendors befürchtungen: "Bei Stendarr, nein! Zum glück nicht! Gergius und ich, wir waren Teil des Trupps, der nach der Errettung der Stadt aufräumen sollte. Die Trümmer nach Überlebenden und hinterbliebenen Daedra durchsuchen. Verdammt, ich hatte schon ein schlechtes Gefühl, als wir die ganzen Flüchtlinge gesehen haben!" Pelelus fixierte abwesend die Tischplatte und sein Gesicht verfinsterte sich, als er weitererzählte: "Ich hab es selbst nicht geglaubt, bis ich es gesehen habe! Der Platz vor der Mauer, wo früher einmal ein Stall und ein paar alte Hütten standen war verbrannt und komplett mit Asche eingedeckt. Die Mauer war Schwarz vom Ruß. Und da waren noch diese Stummel, die vom Obliviontor übrich waren. Den Überlebenden nach war es viel größer als die Anderen dieser verfluchten Portale und angeblich ist dort ein gigantisches stählernes Etwas herausgekrochen und ist über die Stadtmauer geklettert. Und es hat trotz des Regens überall nach verbranntem Fleisch gestunken!" Er schüttelte angewiedert den Kopf. "Dieser widerliche Gestank, er ist sogar viel schlimmer als der aus dem Kanal hier! In der Stadt selbst... Der Turm der Kathedrale ist umgestürtzt und trennte die Hauptstraße und den Platz in zwei Teile. Alle Häuser waren bis auf ihre Steinfundamente niedergebrannt, nur noch verkohlte Ruinen! Verflucht, wir mussten die Leichen in Reihen nebeneinanderlegen! Die Leute von der Stadtwache, die noch übrig und nicht allzusehr traumatisiert waren und noch arbeiten konnten, haben uns geholfen, uns zurechtzufinden. Die armen Schweine... Deine Stadt brennt ab und du musst noch durch die Ruinen stampfen, wo deine Nachbarn gewohnt haben und wo dein Leben in tausend Trümmer zerschlagen wurde! Sie haben kein Wort gesprochen mit uns, nur wenn es nötig war. Und diese ganzen verkohlten Leichen! Hunderte von ihnen! Auf der Straße, in den Ruinen, auf der Mauer, gebacken in Kellern! Die meisten konnte man weder Alter, noch Rasse oder Geschlecht zuordnen. Und dann haben diese Mistkerle vom Zensus und Steueramt unseren Offizieren Briefe geschickt, in denen sie uns befahlen, dass wir die Toten und die Überlebenden identifizieren sollen, damit sie wussten, welche Leute so bald keine Steuern mehr Zahlen würden! Nachher haben uns unfreiwillige Freiwillige, die auf der Goldstraße unterwegs waren geholfen, so dass wir längere Pausen einlegen konnten. Verdammt, ein paar von denen sind durchgedreht, sogar einer von uns! Mich hätt´s auch fast erwischt, ich wollte einfach nur weg von dort! Zu unserem Glück wurden ein paar von uns abgelöst, darunter Gergius und ich. Aber haben wir eine Schohnpause bekommen? Nein! Wir mussten auf den Straßen patroullieren, immer zwischen den Städten hin und her, mit dem Befehl jedes Tor zu melden, das wir finden und anschließend wieder in die Kaiserstadt zurückzukehren, um uns dort den Truppen anzuschließen!" Aufgeregt war er fast erneut aufgesprungen und sein Gesicht war bereits wieder rot angelaufen. Nachdem er sich beruhigt hatte, ließ er sich wieder in den Stuhl sinken. "Ich habe mich der Legion angeschloßen, weil es keine Kriege mehr zu führen gibt! Ja, es gibt politische Spannungen zwischen dem Kaiserreich und den Provinzen Morrowind, Schwarzmarsch und Elsweyr, aber das war nur eine art Schatten! Ja, und das ist der Grund, warum mich die Legion mal kreuzweise kann! Und warum ich so lange wie möglich einen großen Bogen um die Daedra machen werde. Und, warum ich mich die ganze Zeit über volllaufen lasse!"
Erneut folgte eine Pause. Pelelus hatte mit solcher Inbrunst, Verachtung und solchem Bedauern gesprochen, dass Lendor ihm ohne weiteres glauben schenkte und jetzt bedauerte er, dass er unbedingt etwas über Kvatch herausfinden wollte. Zwar könnte man den Patroulliendienst als einen Versuch der Legion sehen, wenigstens ein Paar ihrer Soldaten eine Ruhepause von Kvatch zu gönnen, aber er wollte deswegen keinen weiteren Streit anfangen. "Also werdet Ihr hierbleiben und Gergius alleine lassen?"
Der Legionär biss sich auf die Unterlippe und schien nachzudenken. "Ja. Auf keinen Fall geh ich da hin! Ich könnte aber einen Brief an meinen Hauptmann schicken. Warscheinlich werden die dort in der Kaiserstadt mit Meldungen von Tor-Sichtungen zugeschwemmt, aber vielleicht kann er dafür sorgen, dass jemand geschickt wird, um ihn und diese Hohlköpfe von Tavernenbewohnern da rauszuholen. Anschließend werde ich mir wohl ein Schiff oder ein Boot schnappen, bis vor die Küste rausfahren und die ganze Sache aussitzen. Ich habe noch nie von im Wasser lebenden Daedra gehört, und das hat glaube ich auch seine Gründe."
Wenigstens hatte Lendor erreicht, dass der Kaiserliche bericht erstatten wollte. Doch diesem schien etwas wieder einzufallen: "Ein Problem gibt es aber: Ich habe zu wenig Geld um einen Kurier, geschweige denn eine Brieftaube zu bezahlen! Das Geld für mein Zimmer, das Essen und das Bier ist mir schon gestern ausgegangen. Ich werde mir wohl etwas erspielen müssen..."
Lendor verstand sofort: "Ich werde euch eine Brieftaube bezahlen. Kommt morgen einfach beim "Silberheim auf dem Wasser" vorbei."
Pelelus nickte: "Ja, das werd´ ich machen. Bis morgen." Anschließend stand er wortlos und mit hängenden Schultern auf und verschwand im Getümmel der Gäste, die ihr Interresse an den beiden Menschen schon verloren hatten, nachdem es nicht sofort zu Handgreiflichkeiten gekommen war.
Als Lendor gekommen war, hatte er einen Feigling in Pelelus gesehen, doch jetzt sah er einen verzweifelten Mann gehen, der zuviel gesehen hatte, und nebenbei von Schuldgefühlen und warscheinlich auch von Alpträumen geplagt wurde.
Als hätte er das verschwinden von Pelelus als Signal gedeutet, schob Turgar sich durch eine Gruppe von Besuchern durch und grüßte Lendor freundlich: "Da bist du ja! Wie versprochen habe ich meine Verbindungen spielen lassen und jemanden gefunden, der uns helfen kann, die Kajiiten zu finden!" Er machte einen Schritt zur Seite und Lendors Blick fiel auf den Mann, der zuvor hinter der gewaltigen Statur des Nords verborgen gewesen war. Die dunkelblaue Haut und die roten Augen machten deutlich, dass es sich um einen Dunkelelfen handelte. Er war mittelgroß, seine schwarzen Haare waren fettig und sein Gesicht, wie die Gesichter der anderen Gäste, verschmutzt. Er trug billige Wollkleidung, die sich nur in dem Punkt auffällig machte, dass sie quer über die Brust einmal genäht worden war und auch einige Löcher aufwies.
"Dies ist Uradas "Großfürst" Ramori- ", setzte Turgar an, doch der Dunkelelf unterbrach ihn: "Ich habe dir schon gesagt, dass du mich nicht Großfürst nennen sollst!" sagte er und stieß dem Nord den Ellbogen unsanft in die Seite, bevor er weitersprach: "Und ja, ich werde euch helfen, diese Kajiiten zu finden!"
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