Okay, www.weitergehts.de...
[FONT="Courier New"]Ein paar Stunden des unruhigen Schlafes später klettere ich aus dem Bett, ziehe mich an und will gehen. Ein letztes Mal sehe ich mich um. Alles dabei? Kippen? Ja. Geld? Ja. Nochmal reingucken und checken, ob noch genug Geld drin ist fürs Taxi. Ist. Sehr gut.
Ich sag nicht bescheid und verlasse diese fremde Wohnung – im festen Glauben daran, mich ganz bestimmt bald wieder bei ihr zu melden und mich mit ihr zu treffen und alles zu besprechen und vielleicht...
Nee. Wir werden nie wieder ein Wort miteinander wechseln, schätze ich.
Zurück an der arschkalten frischen Luft. Wo zum Geier bin ich? Ich kenne diesen Stadtteil nicht. Es gibt keine Bahnstation in der Nähe (zumindest nicht, als dass ich auf Anhieb eine sehen könnte), das Straßenschild, auf dem groß und breit „Ernst-Müller-Stieg“ steht, liegt vor mir. Der Pfahl, an dem es hängt, ist übersäht mit Dellen. So, als hätte jemand so lange dagegen getreten, bis er umfiel. War ich das etwa? Kein Plan.
Nachdem meine erste Zigarette nach der Fahnenflucht brennt, fummel ich mit zittrigen Händen mein Handy aus der Jackentasche. Die Nummer des Taxi-Services eingegeben, halte ich das Stück Plastik an mein Ohr und hoffe darauf, dass ich den Fahrer nicht in die tiefste Provinz schicke.
Irgendeine Frauenstimme meldet sich und vernuschelt ihren Begrüßungs-Pflichtsatz zu einem nur schwer verständlichen „Schnschnnnschdnschwiekannischihnenhelfn?“, oder so ähnlich.
„Ja. Moin.“, antworte ich trocken, „Ich brauch' 'ne Taxe.“
„Wohinsollndestaxihin?“, nuschelt es mir entgegen.
„Ernst-Müller-Stieg, Ecke...“, ich kicke leicht gegen das Schild, um es umzudrehen, „Ecke Rodestraße.“
„Brmfld?“
„Was?“
„Desisnbrmfld, ne?“
„Was für ein Blumenbeet?“
„B-R-A-M-F-E-L-D, ne?!“, schreit's und buchstabiert's. Jetzt klingeln mir die Ohren.
„Ja, genau, verfickte Scheiße!“, schreie ich mies gelaunt zurück. „Müssen Sie sich nicht wundern, wenn ich Rückfragen habe. Sie reden so, als hätten Sie 'ne verdammte Banane quer im Mund zu stecken!“
„Ich hatte gestern 'nen Zahnarzttermin, Sie Arschloch!“, schießt sie mit dicken Backen zurück. „Dauert 'ne viertel Stunde. Schönen Tag noch!“
Tut. Tut. Tut. Sie hat einfach aufgelegt, bevor ich ihr noch eine schöne Fahrt in die Hölle wünschen konnte.
„Braucht gar nicht beleidigte Leberwurst zu spielen, die Alte...“, murmel ich vor mich hin und ziehe noch ein paar Mal an der Zigarette, bevor ich sie mit den Fingern wegschnippse.
Als das Taxi nach gefühlten zehn Stunden (waren wahrscheinlich nur zwanzig Minuten) ankommt, steige ich auf den Beifahrersitz und sage dem Taxifahrer, wo es hingehen soll.
„Oha, so weit weg?“, fragt er. Es ist ein Typ mit einer Glatze, einem blonden Ziegenbart und einer Hornbrille auf der Nase.
„Ja. Entschuldigung.“, sage ich leise und denke, dass die Sache damit erledigt wäre. Aber nein, ich muss an den kommunikativsten Taxifahrer Hamburgs geraten.
„Harte Nacht gehabt?“
Ich pausiere kurz. „Jupp.“
Er nickt verständnisvoll. „So siehste auch aus – Nix gegen dich!“
Ich nicke zurück. Warum hält er nicht die Fresse?
„Weißte? Ich wünschte, meine Nacht wäre so gewesen. Aber stattdessen musste ich so 'ne Frauengruppe zu einem Meeting oder so fahren. Und weißt du, worüber sich die Ollen stundenlang unterhalten haben?“
Er sieht mich kurz an und achtet dabei nicht auf die Straße. Trotzdem bremst er rechtzeitig ab, bevor wir mit diplomatischen 60 Stundenkilometern in den Vordermann reinbrettern.
„Damenbinden. Von wegen 'Ich will mich trocken fühlen, wenn ich trainiere.'“, er äfft eine stereotype Frauenstimme nach – auf ebenso stereotype Art und Weise, natürlich. Inklusive leicht homoerotischer Gestiken und Falsetto-Stimme. „Und im Ernst: Da hab' ich überhaupt gar keinen Bock auf!“
Ich muss ein bisschen grinsen bei dem Gedanken an ihn, wie er völlig genervt einen Haufen fröhlich rummenstruierender Schreckschrauben durch die Gegend kutschiert.
„Was interessiert mich ihr Scheiß-Rumgeblute? Ernsthaft, alleine der Gedanke daran ist voll ekelhaft.“ Ist er jetzt fertig? „Trocken fühlen.“ Ist er nicht. „Und dann die Oberhärte: Die eine Olle ist noch kurz hier geblieben, hat mir ihre Nummer gegeben und meinte, ich solle sie mal anrufen. Aber nee.“ Er schüttelt vehement den Kopf. „Stell' dir mal vor: Ich ficke die Olle, aber währenddessen im Kopfkino – da läuft immer noch der Film, in dem die mir den Schwanz vollblutet wenn ich reinlunze. Und wenn ich ficke – kleiner Scherz am Rande – dann K-A-N-N die Olle sich ja nicht trocken fühlen. Nee, da hab' ich überhaupt keinen Bock auf. Hättest du da Bock auf?“
Ich schüttel jetzt auch den Kopf und möchte gerade zu einem Satz ansetzen (irgendwas von wegen „Naja, so simpel kannst du das jetzt auch nicht sagen.“ Bla bla bla.), da hakt sich Glatze wieder ein.
„Natürlich nicht. Was dagegen, wenn ich rauche?“
„Quatsch, hau rein. Kann ich auch?“, wende ich mein Abitur-gestähltes rhetorisches Geschick an, um mit ihm zu kommunizieren.
„Nein, Alter. Gib ihm. Hier links?“
„Jupp.“, antworte ich knapp und zünde mir eine Zigarette an.
„Und? Was hast du denn in Bramfeld gemacht, wenn du am komplett anderen Ende Hamburgs...“, er kommt von selbst drauf. „Aaaah, gevögelt haste, ne?“
„Jupp.“
„Und? War gut?“
„Jupp.“
„Na, das ist doch die Hauptsache. Schön die Olle fettich gemacht. Da hätte ich auch jetzt grade Bock auf. Aber nee, nachher bin ich nur froh, wenn ich ins Bett falle.“
So geht das die restlichen zehn Minuten der Taxifahrt. Profanes Scheiß-Gelaber über Ficken, Fotzen und Sachen, wo man überhaupt keinen Bock auf hat. Als wir endlich vor meinem Wohnblock anhalten und ich dem Mann einen Zwanziger in die Hand drücke, sage ich ihm, was ich jetzt gleich noch so vorhabe.
„Weißte, was ich jetzt mache? Ich gehe schön ins Bett, werde nachher aufstehen, mir 'ne Pizza in den Ofen schieben, mir beim Fressen 'nen schönen Porno angucken und mir lecker einen von der Palme wedeln.“ Ich erhebe den Zeigefinger und grinse. „Da hab' ich Bock auf!“
Und genauso läuft dann auch der Rest des Tages ab.[/FONT]
Also ja: Es geht noch weiterDas ist erstmal als Vorgeschmack auf das, was später noch kommt
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