Ergebnis 1 bis 20 von 88

Thema: Gibt es zuviele Medien? (Vielfalt und Auswahl)

Hybrid-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #1
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Wie kann ein Bedürfnis künstlich sein, wenn Menschen ihm nachgehen?
    Ich würde es jetzt nicht damit vergleichen oder gar gleichsetzen wollen, aber Drogen wären ein Beispiel. Das Bedürfnis von Süchtigen nach ihrem Suchtmittel ist nicht natürlich.

    Wie gesagt, ich will's keineswegs gleichsetzen, allerdings ist es ein Fakt, dass die Toleranzgrenze gegenüber bestimmten Inhalten mit stetiger Berieselung sinkt - je niedriger die Grenze schon liegt, umso leichter wird es dann für neue Reize, ohne große Abwehrwirkung Einfluss zu nehmen. Wenn ich nun meine 5-8 Stunden am Tag fern sehe, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich irgendwann vollkommen desensibilisiert zurückbleibe. Bedürfniswelten ohne sensible Mechanismen sind ebenfalls nicht natürlich.

  2. #2
    Zitat Zitat von Mordechaj Beitrag anzeigen
    Ich würde es jetzt nicht damit vergleichen oder gar gleichsetzen wollen, aber Drogen wären ein Beispiel. Das Bedürfnis von Süchtigen nach ihrem Suchtmittel ist nicht natürlich.
    Ich finde den Vergleich gar nicht so dumm. Letztendlich gibt es viel mehr Süchte, als nur die nach den klassischen Drogen. Es gibt Kaufsucht, es gibt Internetsucht, es gibt Spielsucht—und die alle stehen in keiner Verbindung mit irgendwelchen Psychopharmaka. Letztendlich ist es immer nur der eigene Kopf, der nach mehr verlangt, etwaige körperliche Auswirkungen haben tatsächlich nur die wenigsten Suchtverhalten.
    Die moderne Welt ist voll mit Süchten, die man gar nicht als solche anerkennt, und ich behaupte man, daß die Sucht nach Fernsehen von einem Großteil der Bevölkerung unbewußt genossen wird. Man kann das ganz einfach rausfinden: nehmen wir mal an, ab morgen gäbe es kein Fernsehen mehr. Jeder, der dann sagen würde, daß ihm etwas abginge, der ist (mehr oder weniger schlimm) süchtig—denn sobald einem etwas fehlt und es einem nach etwas verlangt, was man nicht mehr hat, ist man medizinisch gesehen süchtig.

    Ich will gar nicht behaupten, daß das etwas schlimmes ist, aber die Tatsache, daß ein Fernseher inzwischen zu den Grundbedürfnissen des Menschen zählt (d.h. zum Beispiel, daß er nicht gepfändet werden darf, und daß sozial schwache sich das Ding stellen lassen können), spricht wohl eine deutliche Sprache. Ja, Grundbedürfnis! Genau so wie Wohnung, Essen, und Kleidung. Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen; ist auf jeden Fall ziemlich kraß, meiner Meinung nach.
    Ich denke schon, daß die Menschheit sich auch wieder davon entwöhnen könnte, wenn es ab morgen wirklich kein Fernsehen gäbe, aber solange es das tut, wird die Sucht munter weiter gefüttert, und dann werden diese künstlichen Bedürfnisse eben weiter geschürt. Davon lebt das Fernsehen letztendlich. Es ist ja nicht zufällig so, daß Sendungen nur schrittweise dümmer oder krasser werden. Wenn man vor 20 Jahren so etwas wie das Dschungelcamp im Fernsehen gezeigt hätte, dann wäre vermutlich der Verfassungsschutz eingestiegen, aber heute ist das die erwähnte seichte Unterhaltung. Es gibt auch heute noch Serien, über die man sich aufregt, weil sie doch zu arg sind: zum Beispiel dieses Fear Factor (hieß doch so, oder?), wobei das in Amerika wiederum nicht zu solchen krassen Reaktionen führt. Irgendwann wird das, was man kennt, eben zu lasch und man will mehr—oder zumindest was neues. Darum würde es mich wirklich nicht wundern, wenn wir in sagen wir 20 Jahren von heute Sendungen im Fernsehen haben, bei denen heute jeder vernünftige Mensch sagen wird, daß es so was niemals geben wird. Mich würde es nicht einmal wundern, wenn es irgendwann Sendungen wie The Prize of Peril oder Running Man wirklich geben sollte. Aus heutiger Sicht undenkbar, aber na ja …
    Und Trends kommen und gehen, hat auch damit zu tun. In den 90ern war den ganzen Nachmittag Talkshows zu sehen, da gab es Dutzende. Was gibt's heute? Gerichtssendungen, die sind die logische Konsequenz, nur noch eine Stufe drüber. Und da wird auch irgendwann die Luft raus sein, und dann kommt was neues.

    Andersherum wird übrigens ein Schuh draus: was macht man, wenn man keinen Fernseher hat, aber trotzdem abschalten will? Ein Buch lesen? Spazieren gehen? Vielleicht im Internet surfen. Gibt ja genug.
    Jeder Mensch hat diese Süchte, ich schließe mich da auch gar nicht aus. Mir zum Beispiel würde definitiv etwas fehlen, wenn ich morgen kein Internet mehr hätte. Ich beriesele mich gerne im Internet, da kann ich abschalten, und das ist meine Entspannung. Dazu denke ich, bin ich noch in gewissem Maße süchtig nach Musik.
    Die etwas offensichtlicheren Süchte sind bei mir dann Koffein (v.a. Tee) und Nikotin.

    Von daher, ja, das Bedürfnis nach Fernsehen ist ein künstliches. Oder vielleicht besser: ein anerzogenes.

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Ist die Frage, ob das nicht im Grunde das selbe ist, halt "andere sind schlechter/anderen geht es schlechter".
    Die Ausgangsbasis dürfte die selbe sein, allerdings ist die Reaktion eine andere. Bei Schadenfreude gucke ich hin und will mehr, bei Fremdscham will ich möglichst wegschalten und was anderes sehen.
    Wobei wir da jetzt aber auch schon wieder mit einem Bein in der Psychologie stehen, wenn man sich fragt, ob die Schamreaktion nicht eher so etwas wie ein unbewußtes Ausblenden der Tatsache ist, daß es solche Menschen überhaupt gibt … aber das führt zu weit, denke ich.

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •