Zu Dan Simmons Hyperion Cantos (Die Hyperion-Gesänge)

Zitat Zitat von Schattenläufer Beitrag anzeigen
Ich kann deinen Ärger über den Schreibstil nachvollziehen. Dan Simmons ist anstrengend und bestimmt auch nicht ganz so intellektuell wie er sich mit Hyperion quasi gibt. Ich hatte den Vorteil, die beiden Bände als Hörbücher und im englischen Original zu hören. Das hat es durchaus angenehmer gemacht, vermute ich; und es kann auch sein, dass die deutsche Übersetzung den "Überheblichkeits-Faktor" noch ein wenig verschlimmert. Trotzdem haben mich diverse Passagen ein wenig gelangweilt oder ich dachte mir, dass man die auch super hätte kürzer fassen können und zu schwulstig viel um den Brei geredet oder sogar längst bekanntes Zeug wiederholt wurde.

Aber das habe ich alles gerne in Kauf genommen, weil das Universum und die Handlung darin, welche Simmons beschreibt, absolut genial, klug strukturiert und konstruiert sind! Von daher sehe ich den Rest auch anders als du. Der Ansatz beispielsweise, die technologischen Errungenschaften und ihre Funktionsweise nicht genau zu erklären, mag ungewöhnlich für das Science Fiction Genre sein, aber empfand ich als super befreiend, weil weniger wichtige Dinge hier der Story nicht im Wege stehen. Und trotzdem funktioniert es und bleibt glaubwürdig und verständlich, weil man mit der Zeit einfach kapiert, was diese Dinge sind. Man wird in diese fremdartige Zukunft hineingeworfen, so wie es sein muss, um zu begreifen, dass jene Elemente für die Leute normal und alltäglich wichtig sind, wie Fernsehen, Autos oder Computer für uns heute. Überhaupt war es gar nicht nötig, das Zeug exakt zu beschreiben, weil ja bemerkenswerterweise nichtmal die Menschen in der Geschichte selbst so wirklich wissen, wie das funktioniert, was sich ihre Künstlichen Intelligenzen für sie ausgedacht haben (Hint! Hint! Das hat später noch ein Nachspiel). Und wenn dich der Stil an sich schon genervt hat und den Roman zum Teil unnötig aufbläht, was meinst du, wie unerträglich das geworden wäre, wenn wir noch ganze Kapitel mit der Demonstration von Fatline Transmittern, Technocore, Farcastern, WorldWeb usw. zugebracht hätten xD? Das wurde richtig nahtlos in die Handlung eingefügt, irgendwann findet man sich schon natürlich darin zurecht. Ich hab das so lieber.

Das Ende von Hyperion selbst hat mich insofern enttäuscht, weil es wirklich nicht mehr als ein krasser Cliffhanger war. Alles läuft auf eine bestimmte Konfrontation zu, und kurz davor bricht die Erzählung ab. Und das bei so einem umfangreichen Band. Dazu muss man aber wissen, dass das Sequel "The Fall of Hyperion" im Grunde als Einheit zusammen mit dem Vorgänger betrachtet werden muss - so sieht das übrigens auch der Autor selbst. Gibt ja genug Fälle, in denen sowas gemacht wurde, von daher kann ich ihm deswegen nicht böse sein, da wenigstens ein richtiger Schluss existiert und nicht all diese Fäden auf ewig in der Luft hängen gelassen werden. Mich wundert es nur, dass Hyperion so hoch im Kurs steht, diverse Preise gewonnen hat und als Klassiker gilt, obwohl es alleine keine vollständige, runde Geschichte ist.

Jedenfalls... hast du dir in der Zwischenzeit auch die Fortsetzung reingezogen? Wenn du die eigentliche Geschichte wirklich mochtest und sie dich interessiert, dann würde ich das tatsächlich dringend ans Herz legen. Versteh mich nicht falsch - der Schreibstil ändert sich leider nicht, und da die Story nicht mehr so episodisch ist, gibts auch einige Füller und Längen (den Kern des Inhalts hätte man locker auf die Hälfte runterkürzen können, hätte es viel besser gefunden, wenn Hyperion ein Buch geworden wäre). Und falls du ein Problem mit Keats hattest, davon kommt in Band 2 noch viel mehr vor ^^ Allerdings lohnte sich das alles - zumindest für mich - weil man einige augen-öffnende Antworten auf brennende Fragen spendiert bekommt. Sicher bleibt trotzdem noch vieles im Halbdunkel, aber als dann gegen Ende alles dramatisch zusammenkam und die Wahrheiten geliefert wurden, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Was ist der Shrike, wozu sind die Cruciform gut und wer hat sie gemacht. Was ist damals tatsächlich mit der Erde bei dem "Großen Fehler" passiert und warum. Was haben die Ousters vor. In welche Richtung, wenn überhaupt, schreitet die Evolution der Menschheit voran. Die Auflösung des Ganzen fand ich überaus passend und faszinierend, man denkt beim Lesen (bzw. Zuhören) plötzlich über sehr weitreichende Fragen und Ideen nach, und das ist immer Sci Fi at it's best imho.

Mein Kommentar im Filmforum zur Umsetzung in einer Serie bezog sich letztenendes zum Teil auch eher auf den zweiten Band, in dem der Krieg tobt. Da spürt man nicht, was auf dem Spiel steht, wenn man bloß mit einem mageren TV-Budget arbeiten kann. Doch das gilt ebensosehr für das, was schon in der ersten Hälfte alles vorkommt - so unterschiedliche Welten und Umgebungen! Das würde alles unter einem Serienformat leiden. Da besteht also wirklich ein Konflikt dahingehend, dass die Handlung, besonders im ersten Teil, sich im Grunde für eine Serie anbietet, aber andererseits die Geschichte inhaltlich nach einer cineastischen Umsetzung schreit. Gewiss hat es in den letzten Jahren einige große Fortschritte gegeben, was das Fernsehen anbelangt. Aber ob die Produzenten von Hyperion, wenn es denn tatsächlich gemacht wird, da auch mit den besten konkurrieren können? Wenn die an Geld, Aufwand und Schauspielern das reinstecken, was im Moment mit Game of Thrones gemacht wird, dann könnte das eventuell funktionieren. Aber darauf würde ich nicht wetten.

Die Story lebt auch von ihren krassen und fiesen Momenten. Ein Shrike in billigem CGI-Look ist nicht mehr furchteinflößend. Und ein Planet wie Maui Covenant, den man perfekt on location in Hawaii drehen könnte, wäre die reinste Enttäuschung, wenn er bloß mit ein paar Hintergründen aus dem Computer verwirklicht wird. Und dann erst Hyperion selbst! Der türkisene Himmel, das Grasmeer mit dem hölzernen Schiff auf Rädern... Vielleicht habe ich nur zu viele mäßige Erfahrungen mit Sci-Fi-Serien gemacht, aber da wird inzwischen viel zu schnell und viel zu sehr der Rechner herangezogen und die Budgets klein gehalten. Darüber hinaus denke ich, dass die Pilgergeschichten im ersten Band sich zwar irgendwie für eine Show anbieten, das soll aber nicht heißen, dass sich das nicht auch gut als Film(e) machen ließe! Gerade ein paar dieser Abschnitte der sechs (oder so?) Leute könnte man jeweils in 20 Minuten unterbringen. Fedmahn Kassads Part "The War Lovers" ist beispielsweise relativ fast-paced. Und letztenendes wäre meine Befürchtung zu einer Serie wie schon im Filmforum gesagt, dass sie das zu sehr ausbreiten und in die Länge ziehen, als es sowieso schon ist. Das müsste sich dann wirklich auf eine einzige Folge pro Pilger beschränken, und sich nicht durch diverse Staffeln ziehen. Effektiv wärs meiner Meinung nach optimal eine Miniserie mit zwei Staffeln zu je zehn Episoden, oder aber vier Filme. Alles andere endet im Murks. Meine übrigens gelesen zu haben, dass die Filmrechte vor Jahren mal gekauft worden sind von einem namhaften Studio, aber dann wie überaus häufig in der Branche doch nichts damit angefangen wurde.

Wie dem auch sei, von dem komplexen Konzept, den vielen kleinen und ganz großen Ideen und von der fernen Vergangenheit bis in die ferne Zukunft, war ich sehr angetan. Das ist eine wundervoll realisierte Space Opera. Hätte nur etwas konziser und sprachlich nicht so überladen sein dürfen, aber ansonsten ganz großes Literatur-Kino. Würde es aber aus den von dir genannten Gründen auch nicht jedem uneingeschränkt weiterempfehlen. Bis zum Payoff muss man hier ganz schön viel Geduld beweisen.