Donna Tartt - Der Distelfink
Endlich fertig geworden, nachdem ich eine längere Pause eingelegt hatte. Das Buch hat sich teilweise ziemlich gezogen, aber immer wieder fand ich es doch irgendwo großartig. Aber es ist nicht ganz einfach zu beschreiben. Das Buch besteht aus vielen, vielen Facetten. Da ist einmal die Handlung selbst - eine Lebensgeschichte, sehr persönlich, sehr dramatisch. Dann ist da die Beschreibung von Gemälden und anderer Kunst - sehr detailliert, sehr ausufernd. Dann sind da plötzliche Twists, plötzliche Genre-Wechsel. Das Buch ist relativ lang und es macht einfach verdammt viel auf all diesen Seiten, und nicht alles davon begeistert mich.
Und leider, muss ich sagen, hat mich das Ende nicht überzeugen können. Denn im Grunde sagen dir am Ende drei verschiedene Charaktere auf verschiedene Art und Weisen, was das jetzt eigentlich alles sollte und was die große Moral der Handlung ist. Und das passt nicht, weil das Buch vorher sehr viel trockener war. Seine Handlung einfach dargelegt hat, und den Leser eigene Schlüsse hat ziehen lassen. Kurz vor dem Ende kamen ein paar wirklich emotionale, krasse Kapitel, bei denen ich Tränen in den Augen hatte oder mit offenem Mund ungläubig auf das starrte, was ich da lesen musste (ich beschreibe das mal mit "Catcher in the Rye meets Pulp Fiction and Game of Thrones"). Das Ende selbst hat viele dieser Fäden dann nicht gekonnt zusammengeführt und war mir, wie gesagt, zu ausufernd-moralisch.
Ganz besonders schlimm dabei: Der Hauptcharakter verblasst immer mehr gegenüber den anderen Charakteren. Zumindest in den Dialogen (die Beschreibung aus der Ich-Perspektive hingegen gefällt mir insgesamt sehr gut). Selbst gute Freunde lassen ihn nie zu Wort kommen, und es wirkt nicht so, als sei das unbedingt Absicht, sondern es wirkt so, als würden der Autorin gerade die anderen Charaktere einfach mehr Spaß bereiten.
Aber gut, gut. Ich habe meine Kritikpunkte. Zum Positiven: Es ist sehr unterhaltsam, trotz seiner Länge. Das Buch kann lustig, spannend, herzzerreißend sein, und das binnen weniger Seiten. Die Handlung ist sehr durchdacht, nichts taucht ohne Grund auf. Die Kapitel vor dem Ende waren, wie gesagt, ein absoluter Höhepunkt. Aber auch die Beschreibungen der Gemälde und Möbel, wenn man sich darauf einlässt, können irgendwo begeistern. Weil sie die Liebe der Charaktere super einfangen und transportieren. Letztendlich bereue ich es überhaupt nicht, dieses Buch gelesen zu haben, und würde es auch weiterempfehlen. Es ist schön geschrieben (aber nicht zu bedacht darauf), es hat tolle Charaktere (auch wenn sie alle furchtbar klischeebehaftet sind - es funktioniert einfach!) und es hat eine ziemliche Achterbahnfahrt als Handlung.
Okay aber eins noch. Also in dem Buch geht es um Kunst, und die Autorin ergötzt sich in Beschreibungen von Pinselstrichen und lässt Charaktere diese mit bestimmten Adjektiven beschreiben. Meiner Meinung nach, auf einer Meta-Ebene, kommt da vor allem eine Aussage durch: "Mir wurde beigebracht, Kunst toll zu finden. Und jetzt beschreibe ich sie möglichst bildreich, um dich auch für Kunst zu begeistern." Und das wäre okay... wenn sie nicht andere Dinge so dissen würde. Wenn sie nicht Rapmusik und Lady Gaga als so etwas Billiges abtun würde, mit nur einem Wort aus dem Mund eines Charakters, unreflektiert und überzeugt.
Und wenn sie ihrem (in der Szene 13-jährigen) Protagonisten nicht folgende Antwort in den Mund gelegt hätte auf die Frage, was er denn so in seiner Freizeit macht: "Ich spiele Age of Conquest II und Age of Conquest: Platinum Edition. Keine Ahnung."
Weil... was zur Hölle. Lady Gaga, Coca-Cola, Der Distelfink, alles entstammt unserer Welt, aber aus irgendeinem Grund erfindet sie eine Computerspiele-Reihe? Und steckt das dann in eine Antwort, die so unauthentisch klingt, dass man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte? In der Szene schreit alles geradezu "ich habe keine Ahnung von Computerspielen und will mich auch gar nicht informieren". Und DAS ist das Problem, das ich habe, wenn sie mir dann kurz vorher seitenlang die vielen Vorzüge von irgendwelchen (echten) Gemälden beschreibt. Wenn ihre Charaktere klischeebehaftet sind, ist das okay, aber sie, als Autorin, soll doch bitte nicht dieses ekelhafte Klischee einer selbstgefälligen Anhängerin der hohen Kunst so durchblicken lassen.