Ich wollte schon länger etwas zu dem Buch schreiben und da heute die deutsche Übersetzung erschienen ist das der perfekte Vorwand. ^^

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Ann Leckie - Ancillary Justice (2013)
In der Übersetzung: "Die Maschinen" (2015)

Das Imperium der Radchaai ist die unangefochtene Nummer 1 in dem von Menschen bewohnten Weltraum. Seit mehr als 3000 Jahren wird das Imperium von einer einzigen Person beherrscht der Imperatorin Anaander Mianaai. Obwohl ihre Körper wie bei jedem normalen Menschen altern so hat sie doch durch die Technologie der Radchaai zu jedem Zeitpunkt tausende Körper mit ihrem Bewusstsein die untereinander in Kontakt stehen. Unter den anderen Kulturen der Menschen sind die Radchaai gefürchtet, was nicht zuletzt daran liegt das sie andere Planeten und Systeme annektiert um sie in die Zivilisation (in der Sprache der Radchaai bedeutet „Radchaai“ Zivilisation) zu führen. Das ist zumindest die Sicht der Radchaai. Was diese Annexion so schrecklich macht ist nicht nur das die Radchaai überlegene Technik besitzen und ihre Panzerungen praktisch undurchdringbar ist, sondern dass die Radchaai von jedem Ort den sie einnehmen einen Anteil der Bevölkerung als Gefangene nehmen auf ihre Trägerschiffe bringen und dort von den KIs ihrer Schiffe versklaven lassen. Sie werden zu Ancillary (Hilfstruppen) die unter der vollständigen Kontrolle der KI stehen und von den Radchaai als Truppen in der nächsten Annexion benutzt werden. Zumindest bis Anaander Mianaai eines Tages anordnet diese Annektierungen nach Jahrtausenden einzustellen.

Der erste ungewöhnliche Punkt des Romans ist seine Hauptfigur, bei der es sich um die KI eines Trägerschiffes der Justice Klasse handelt. Der Justice of Toren. Zum Zeitpunkt der Handlung bereits mehrere Jahrtausende alt, kontrolliert die KI auch in den Nachwehen der letzten Annektierung der Radchaai noch immer hunderte Ancillary gleichzeitig und hat Tausende weitere in Inneren ihres Rumpfes in Kälteschlaf. Aus dem Orbit eines Planeten kontrolliert Justice of Toren noch 5 Jahre der Annexion Ancillary angeführt von einem menschlichen Leutnant die eine Stadt kontrollieren. Und auch wenn ich sicher bin das es irgendwo bessere Beschreibungen eines solchen Charakters gibt, fand ich es doch faszinierend die Welt durch die Augen von Justice of Toren wahrzunehmen. Wie sie Gleichzeitig mehrere Gespräche führt bei den Patrouillen die ganze Stadt gleichzeitig überblickt und sich dabei selber zusieht wie sie durch die Stadt patrouilliert, während sie gleichzeitig die Stadt aus dem Orbit und aus ihrem kilometerlangen Rumpf nur als kleinen Fleck wahrnimmt. Die Autorin hätte das ganze sicher noch steigern können und dem Reiz dieser Vorstellung kann ich mich auch nicht ganz entziehen, aber für den Leser ist es wahrscheinlich besser dem Leser nicht noch mehr parallel Eindrücke zuzumuten. Dieser Handlungsstrang auf der annektierten Welt Shis’urna ist aber nur die erste Hälfte der Handlung. Die zweite Hälfte der Handlung erleben wir ebenfalls aus der Sicht von Justice of Toren allerdings reduziert auf einen einzigen Ancillary, 20 Jahre später und offenbar abgeschnitten vom Rest ihrer selbst auf einem unbedeutenden Eisplanten am Rande des von Menschen besiedelten Raum. Ein Großteil der Handlung wird sich darum drehen wie diese beiden Erzählebenen zusammenhängen. Und obwohl ich Kommentare gelesen haben die da Buch als langweilig bezeichnen, muss ich sagen dass mich die langsame Eröffnung dieses Mysteriums gefesselt hat. Im letzten Teil des Buches wenn man weiß wie die beiden Erzählstränge zusammenhängen, verliert das Buch etwas seinen Fokus was bedauerlich ist, aber von einem spannenden Finale aufgewogen wird. Was man nur nicht erwarten darf (und der deutsche Klappentext klingt stark danach) sind Action und Kämpfe, den nur weil unser Hauptcharakter die KI eines Kriegsschiffes ist, sollte man keine großen Kämpfe erwarten. Die Geschichte fokussiert sich mehr auf unseren Hauptcharakter und sein Innenleben. Seine Wandlung von Ich zu Ich und überhaupt seit wann ist Ich und Ich nicht mehr dasselbe sind, oder ist es das doch? Justice of Toren ist aber natürlich nicht der einzige Charakter und auch abseits dieser Charakterbetrachtung gibt es eine interessante Haupthandlung die ihre eigne Spannung erzeugt.

Die zweite große Besonderheit und mit Sicherheit einer der Gründe für die zahlreichen Awards die das Buch 2014 gewonnen hat (Hugo, Nebula, Arthur C. Clarke Award) liegt im Umgang mit den Geschlechterrollen. In der Sprache der Radchaai wird zwischen Männern und Frauen nicht unterschieden. Im Buch wirkt sich das darin aus das unser Hauptcharakter grundsätzlich alle als Sie (she) bezeichnet. Da kann durchaus mal eine Sie mit interessantem Bart sitzen der von unserem Hauptcharakter beschrieben wird. Wenn Justice of Toren gezwungen ist in einer anderen Sprache als Radchaai zusprechen, welche Unterschiede in den Geschlechtern macht, beschwert sie sich innerlich oftmals über diese Unterscheidung und die Problematik den Gegenüber richtig zu adressieren. Verstärkt wird dies noch durch die Lebensumstände der über den Weltraum verteilten Menschen, die den Menschen nicht immer ein eindeutiges Äußeres verpasst haben und den Umstand das in unterschiedlichen Teilen dieser Welt unterschiedliche Dinge als weiblich oder männlich angesehen werden. Das geht so weit das man bei praktisch keinem Charakter das Geschlecht kennt. Und selbst beim Körper von Justice of Toren selbst (im zweiten Handlungsbogen) hat man nur einen vagen Hinweis auf das Geschlecht. Falls dieses den bei einer KI überhaupt eine Bedeutung hat. Und auch das Geschlecht der Imperatorin wird nie genannt. Also habe ich sie im Geiste des Romans oben einfach als weiblich beschrieben. Anfangs ertappt man sich noch oft dabei Textstellen nochmal durchzulesen um einen Hinweis auf das Geschlecht des Charakters zu finden, aber mit der Zeit nimmt einfach hin das es nie genannt wird und macht sich keine Gedanken mehr darüber oder bastelt sich im Kopf selbst ein eignes Bild zusammen. Nur um sich dann zu fragen weshalb, man diesem Charakter nun dieses Geschlecht zugeordnet hat. In diesem Sinne hat das Buch schon das erreicht was es wollte.

Mit all diesen Punkten ist das Buch klassisch als „Soft“ Science Fiction zu bezeichnen, Technologien existieren haben auch Bedeutung stehen aber nicht im Vordergrund. Es gibt im ganzen Buch keine Erklärungsversuche irgendwelcher Technologien. Das ist auch nicht der Fokus des Buches und im Gegensatz nimmt es sich viel mehr Zeit die Gesellschaft der Radchaai mit all ihren Eigenheiten, Feinheiten, Problemen und Vorzügen zu beschreiben. Leider wurde dem Rest des Settings nicht die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt. Andere menschliche Kulturen werden nur am Rande Schlaglicht-artig erwähnt, wenn sie für die Handlung gerade von Bedeutung sind. Außerirdische Zivilisationen werden erwähnt, existieren offensichtlich und haben auch Bedeutung im Hintergrund werden aber nicht näher beschrieben und kein Vertreter kommt in dieser Geschichte vor. Das ist alles höchst verzeihlich und verständlich, weil es nicht das Ziel dieser Geschichte ist, aber als jemand der Spaß an Settings hat, hätte ich mir mehr dazu gewünscht.

Was das Ende des Buches angeht muss man sagen dass es der erste Teil einer Trilogie ist, aber ich empfand das Ende trotzdem als erfreulich abgeschlossen. Natürlich werden am Ende nochmal neue Entwicklungen angestoßen und das Interesse ist da welche Folgen sie haben werden. (Auch weil sie noch größere Kreise ziehen werden und ich mir sicher bin das im nächsten Band mehr des Settings eröffnet wird.) Aber die allermeisten Fragen die über die Länge des Bandes aufgeworfen werden, werden geklärt und als Leser des ersten Bandes wird auch nicht auf einem Cliffhanger sitzen gelassen. Ich bin aber trotzdem sehr gespannt wie die Autorin den Nachfolger dieses Charakterzentrierten Buches gestalten will.

Insgesamt fand ich das Buch doch sehr lesenswert, auch wenn natürlich nicht alles perfekt ist und der Durchhänger kurz vor dem Finale nicht hätte sein müssen. Den „Rummel“ um das Buch kann ich aber gut nachvollziehen zumal es sich um den ersten Roman der Autorin handelt. Ich würde aber auch sagen dass das Buch nicht für Jeden geeignet ist. Wer mit den oben genannten Themen so gar nichts anfangen kann und lieber ein leicht zugängliches Buch zur reinen Unterhaltung lesen will, der findet sicher bessere Bücher. Allen anderen kann ich das Buch aber ans Herz legen. Für diejenigen die das ganze lieber auf Deutsch lesen wollen, gibt es die gute Nachricht das Heyne das Buch heute auch auf Deutsch veröffentlicht hat. Allerdings unter dem Namen „Die Maschinen“… was natürlich gar nichts vom Wortspiel im englischen Titel rettet, aber das sollte dem Vergnügen keinen Abbruch tun. Ebenfalls sollte man sich nicht von dem Klappentext nicht beirren lassen, der mich eher zum Schmunzeln gebracht hat. Für alle englischen Leser gibt’s noch zu sagen das der zweite Teil der Trilogie „Ancillary Sword“ bereits in Englisch erschienen ist.