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Thema: In vollen Zügen

  1. #1

    In vollen Zügen

    Es kommt nicht darauf an, ob ein Erlebnis gut oder schlecht ist, lediglich die Intensität ist entscheidend.

    Mit zehn Jahren liebte ich Achterbahnfahren über alles. Mit zwölf Jahren langweilte es mich unermesslich. Ich mache Judo und Karate und hatte zwei Gehirnerschütterungen. Ich kämpfte auf Turnieren und wurde regelmäßig disqualifiziert, weil ich verbotene Techniken verwendete. Mit fünfzehn fing ich an Alkohol zu trinken, zu rauchen und jede Woche die Freundin zu wechseln. Ich schwänzte die Schule und ging lieber 2 Stunden täglich joggen oder ins Fitnessstudio. Mit siebzehn fühlte ich mich plötzlich ausgebrannt. Ich hörte von einem Tag auf den anderen mit Rauchen und Trinken auf und lernte für die Schule. Ich machte mein Abitur mit 1,5 und ging danach für ein Jahr auf der Baustelle arbeiten. Nach einer aus Langeweile angezettelten Schlägerei wurde ich rausgeschmissen. Mit zwanzig studierte ich Jura und brach das Studium ab. Ich ging Gleitschirmfliegen und arbeitete nebenher als Türsteher in diversen Diskos. Ich studierte nochmal Jura und brachte das Studium zu ende. Ich arbeitete ein halbes Jahr als Richter, langweilte mich unermesslich, kündigte und machte eine Reise um die Welt. An meinem sechsundzwanzigsten Geburtstag war das Geld leer und ich mitten in Asien. Ich arbeitete wo es etwas zu tun gab und kam nach Mexiko. Mit achtundzwanzig lernte ich eine Frau kennen die anders war als der Rest. Ich heiratete sie, hatte mit ihr zwei Kinder und verließ sie mit einunddreißig weil mir die Verantwortung zu groß wurde. Ich nahm Drogen. Nachdem ich alle, die ich finden konnte, durchprobiert hatte, ging ich zurück nach Deutschland in die Armee. Nach diversen Auslandseinsätzen und mi fünfunddreißig Jahren wurde mir eine Stelle als Ausbilder angeboten. Ich lehnte ab und nahm meinen Beruf als Richter wieder auf. Zwei Wochen später wurde ich von einem betrunkenen Autofahrer beim Rückweg vom Supermarkt überfahren.

    Jetzt liege ich auf der Intensivstation und lache. Ich sehe die Dunkelheit sich verdichten und lache. Ich blicke in besorgte Gesichter und lache. Ich lache über euch jämmerliche Verlierer, die ihr glaubt ein bürgerliches Leben bis ins hohe Alter würde euch glücklich machen. Ich lache über eure Fernsehabende, euren Arbeitsalltag, eure kleinlichen Ideale, euer Leben. Seht mich gut an! Seht einem Auserwählten ins Angesicht. Ich komme…

  2. #2
    Den zweiten Absatz würde ich komplett weglassen. Im Ernst, der Text führt sehr weit aus.

    So oder so sind Inhalt wie Stil nicht gerade welterschütternd, kennt man alles schon in der einen oder anderen Form, teilweise auch wesentlich differenzierter. Davon abgesehen ist der Text aber gut umgesetzt, er wirkt (wenn man das Preitgelatschte mal übersieht) durchaus.

  3. #3
    Formal: Kommaregeln noch mal nachschlagen; Zahlen bis einschließlich zwölf schreibt man aus; halbe Sätze sind ein schönes Stilmittel, aber nicht, wenn der halbe Text daraus besteht; vor einer Ellipse kommt ein Leerzeichen!

    Mal ehrlich: was ist das? Eine Mini-Biographie? Das liest sich wie ein Exposé … ich kenne jetzt die Story, aber ich erwarte jetzt einen Text, der sie mir erzählt. Wenn ich einen Lebenslauf in abgehackter Form will, geh ich zu Wikipedia.

  4. #4
    Nja, um ehrlich zu sein, ich kann nicht wirklich was damit anfangen... Ja, toll, eine kurz Biografie eines vielleicht etwas unkonventionellen Lebenslaufes, aber nichts sonderlich Interessantes/Beeindruckendes/Neues/Provozierendes/whatever... Ich sehe jetzt nicht wirklich eine Botschaft oder so darin (außer vielleicht "Lebt euer Leben wie ihr es wollt"/"Genießt euer leben", aber nja...)

    Beim zweiten Absatz stimme ich La Cipolla zu, weg damit. Es passt nicht wirklich zum Text, bringt eine recht sinnfreie "Moral" hinein und ist sonst nicht wirklich nützlich.

    Alles in Allem... wie gesagt, nichts Tolles, aber es lässt sich lesen.

  5. #5
    Hi ihr drei
    Vielen Dank für die Kommentare!

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Den zweiten Absatz würde ich komplett weglassen.
    Der zweite Absatz ist definitiv zu theatralisch, aber weglassen? Dann wäre die Geschichte nur noch eine Kurzbiografie ohne Aussage o_ô

    Zitat Zitat
    So oder so sind Inhalt wie Stil nicht gerade welterschütternd, kennt man alles schon in der einen oder anderen Form, teilweise auch wesentlich differenzierter.
    Interessehalber: Zum Beispiel wo?
    Ich habe keinerlei Vorbilder oder Motivation für den Text gehabt, ich hatte ihn irgendwie im Kopf und habe ihn dort herausgeschrieben.

    Zitat Zitat von Ranmaru Beitrag anzeigen
    [...]Zahlen bis einschließlich zwölf schreibt man aus; halbe Sätze sind ein schönes Stilmittel, aber nicht, wenn der halbe Text daraus besteht; vor einer Ellipse kommt ein Leerzeichen!
    Kommaregeln hast du definitiv Recht, Zahlen nicht ausschreiben sieht in einem literarischen Text aber unschön aus finde ich. Zu den halben Sätzen: Der Text lebt davon Zeitspannen zu übergehen und aneinanderzureihen. In meinen Augen hätten lange Sätze nicht gepasst und das Lesetempo verringert.

    Zitat Zitat
    Mal ehrlich: was ist das? Eine Mini-Biographie? Das liest sich wie ein Exposé … ich kenne jetzt die Story, aber ich erwarte jetzt einen Text, der sie mir erzählt.
    Vielleicht die Art einiger Bekannter zu leben, überspitzt niedergeschrieben.

    Aenarion:
    Schade, dass es dir gar nicht gefällt. Die Moral ist mit Sicherheit fragwürdig und entspricht mit großer Sicherheit nicht meinen Moralvorstellungen. Aber es gibt Leute die so leben und ich bin mir nicht sicher ob das nicht ein anderer möglicher Weg zu leben ist.

  6. #6
    Zitat Zitat
    Interessehalber: Zum Beispiel wo?
    Nur, dass wir uns nicht missverstehen, ich behaupte nicht, du hättest abgeschrieben, sondern wollte nur erwähnen, dass die Thematik überstrapaziert ist.
    Also auf Anhieb würde mir der Steppenwolf von Hermann Hesse einfallen, wo das im Hintergrund zunehmend mitschwingt (vor allem gegen Ende), und das ist noch nicht mal die Generation, in der "Carpe Diem" mal wieder derbe im Trend liegt. Picture of Dorian Gray wäre wohl der bekannteste Vertreter (ist sogar noch älter, hat damals ja sogar noch Kontroversen ausgelöst), wesentlich differenzierter sind beide. Das ist sozusagen auch das Problem an dem Punkt: Dein Text is sicher nicht fatal, aber es gibt Klassiker der Weltliteratur, die sich genau so und besser damit beschäftigen, hast dir also einen vollen Markt ausgesucht, und da geht deine Qualität dann absolut unter. ^^

    Zitat Zitat
    Zahlen nicht ausschreiben sieht in einem literarischen Text aber unschön aus finde ich.
    Sehe ich genau so, literarische Konventionen hin oder her; solange es nicht "dreitausendvierhundertfünfundzwanzig" ist, schreibe ich es ebenfalls aus.

  7. #7
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Nur, dass wir uns nicht missverstehen, ich behaupte nicht, du hättest abgeschrieben, sondern wollte nur erwähnen, dass die Thematik überstrapaziert ist.
    Habe ich auch keineswegs so aufgefasst Mich interessiert nur wirklich die Thematik. Und den Steppenwolf will ich ohnehin seid längerer Zeit lesen. Man hat mir gesagt es lohnt sich. ^.~

  8. #8
    Wirkt ein bisschen wie Homo Faber.
    und dass ein Richter mit dem Lebenslauf, den ganzen Drogenproblemen und so überhaupt Richter wurde, ist unecht. Schreibe lieber Anwalt, das passt besser und ist schnittiger.

  9. #9
    Die Parallele zu Homo Faber finde ich jetzt nicht so überwältigend, könnte aber daran liegen, dass die Lektüre des Buches ungefähr 5 Jahre her ist.

    Und mit dem Anwalt hast du Recht.

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