Zitat Zitat von Jerome Denis Andre Beitrag anzeigen
Hmmm ... Gegen Frau Müller hab ich auch nichts. Das Problem liegt an der Sache mit "[..] die waren Knüller [...]" - soll heißen: Herta Müller ist keineswegs eine schlechte Autorin, wird aber (von einigen wenigen Intelektuellen mal abgesehen) so gut wie nicht gelesen. Sicher - Mann, Hesse und Brecht waren auch keine Autoren die von der "Masse" der Bevölkerung gelesen wurden ... ich wage aber zu behaupten, dass ihre Werke immernoch weit mehr gelesen wurden, als jene einer Herta Müller ...
Ich finde nicht, dass du darauf wirklich einen Argumentationsstandpunkt aufbauen kannst. Ob Bücher von einer nicht der breiten Masse angehörenden Leserschaft gelesen werden, ober ob sie von einer etwas kleineren nicht der breiten Masse angehörenden Leserschaft gelesen werden, macht aus dem Iota letztendlich auch keine Stadt.

Abgesehen davon war Thomas Mann beispielsweise seinerzeit ziemlich bekannt und angesehen, vielleicht mit Einschränkungen vergleichbar wie Grass heutzutage.
Und wiederum davon abgesehen halte ich Mann nicht unbedingt für das Glanzbeispiel deutscher Literatur schlechthin.

So oder so gab es auch zu deren Zeiten genug Belletristen, quantitativ kann man das also keineswegs festmachen.

Zitat Zitat
Nun, es gab aber durchaus 'schöngesistige' Autoren, die genauso pamphletisch schrieben, wie ich es in diesem Fall tat. Z.B. ist hier Katharina Blum, bzw. ihr Schöpfer zu erwähnen ...
Sorry, aber hast du dich gerade mit Böll verglichen? Ernsthaft? ^^
Pamphletisch ist das, was du tust, auch nicht; du musst zwischen Pamphlet und erhobenem Zeigefinger einen klaren Strich ziehen können.

Zitat Zitat
Den Vorwurf mache ich insofern nicht Frau Müller, sondern der Bevölkerung. Denn diese liest scheinbar lieber etwas über feuchte Regionen oder 'Intertextualität'.
Ich finde die Kritik an Feuchtgebiete nicht sonderlich originell. Hast du das Buch denn überhaupt schonmal in der Hand gehabt? Hast du dich damit auseinander gesetzt, was die Leute dazu bewegt, es zu lesen, beziehungsweise was die Zielsetzung der Autorin war? Und meinst du, in einem beliebigen Krankenhaus bekommt man irgendetwas anderes zu sehen?
Ich persönlich wöllte nicht in einer Gesellschaft leben, die solche Bücher einmündig ächtet, nur weil sie sich mit Regionen des Körpers beschäftigen, "über die man ja nicht redet". Man kann nun über die tollpatschige Ausdrucksweise von Mademoiselle Roche sagen, was man will, ich muss ehrlich gestehen, dass ich sie zweckdienlicher für ihre Autorenintention finde, als das aufgeblasene Dauerangeschwollensein des Goetheschen Stils es für dieseinige. Inhaltlich kannst ihr echt nichts anlasten, und um das noch als halbstarkes Argument beizulegen: Der Steppenwolf wurde noch bis in die 70er hinein als äußert unanständig empfunden.

Was die kleine Hegemann angeht: Kritisierst du jetzt ihre plagiativen Einschübe, ihr Buch an sich, oder geht es dir mehr darum, den Bezugspunkt, den die WELT so offenkundig zwischen Hegemann und Kristevas Intertextualitätsbegriff setzt, synekdochisch in den Begriff einzufügen?
In ersterem Fall würde ich vorschlagen, du kritisiert direkt das Verlagswesen, das es sich zu einfach macht, denn letztendlich liegen Fragen des Urheberrechts genau dort, und Ullstein ist nicht gerade bekannt für seine Sorgfalt in rechtlicher Absicherung. In zweitem Fall würde ich dir wieder vorschlagen, das Buch erstmal zu lesen, ich persönlich hab mich vorher zu sehr am Coming-Of-Age-Thema übersättigt, als dass ich es wirklich hätte "genießen" können, aber in seiner Sprache und Tiefe ist es eindeutig in die gehobenere Literatur einzuordnen, ungeachtet dessen, dass ein 16jähriges Mädchen ein paar naive Copy-and-Paste-Aktionen eingebaut hat.
In letzterem Fall würde ich das Ziel nicht nur als verfehlt (niemand, der den Welt-Artikel nicht gelesen hat, käme auf diese künstlichen Zusammenhänge, zumal er dieses aktuelle Beispiel einfach vollkommen ohne weitere Betrachtung als Plagiat hinnimmt, um irgendeine Kontroverse zu haben - sieht man übrigens auch sehr schön daran, dass das Blatt Kristeva in irgendeine Gegenposition vo Axolotl Roadkill drängen will), sondern auch als fragwürdig bezeichnen, denn alles was Kristeva über die heutige Situation in der Literatur sagt, ist dass es ein Ungleichgewicht in der Selbstdefinition des Metiers und explizit in der Wahrnehmung der Schriftsteller vom Schreiben und von ihrer Subjektivität gibt. Mit der qualitativen Bewertung der Literatur hat das wenig zu tun, dabei geht es eher um Tendenzen und sich verändernde Wertebilder, beides ziemlich natürliche Mechanismen, die ihrerseits zu Maßnahmen und Weiterentwicklung führen.


See, genau das ist die Oberflächlichkeit, von der ich spreche. Du musst die Für-und-Wider-Diskussion mit dir selber schon führen, dich auch mit dem kleinsten Beispiel, das du heranziehst auseinandersetzen, bevor du blind verurteilst. Momentan verstrickt sich das alles in so einem Schwarz-Weiß-Denken vonwegen "Früher: Dichter und Denker - alles gut"--"Heute: Charlotte Roche - Apokalypse". Und das kommt bei dir überall durch, wenn du irgendwelche moralischen Ansätze verfolgst. Und ich maße mir an, sagen zu können, dass derzeit eventuell existente Kurzgeschichten, in denen du eben so moralisch auftrittst, von ähnlichen Fehlern geplagt werden.