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Neuling
Sich selbst auflösen
Wieder eine neue Kurzgeschichte. Ich fürchte es ist wieder zu kryptisch und ich fürchte ich sollte eigentlich erst mal noch die Nacht drüber schlafen und mir meine Ergüsse dann nochmal durchlesen bevor ich sie poste.
Aber vielleicht morgen dann auch schon das Haltbarkeitsdatum für seltsame Kurzgeschichten überschritten und dann landets wieder im Papierkorb und dafür war's mir dann doch zu schade. Achja, Andrew Wyeth hat mich inspiriert.
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Sich selbst auflösen
Etwas Ungeheuerliches würde heute passieren. Das wusste sie und ebenso überdeutlich war ihr bewusst dass es so sein musste. Denn rote Farbe auf hellem Holz konnte nicht lügen und auch wenn sie sich mit unglaublicher Anstrengung bemühte, so konnte sie doch nur verlieren. Verlieren gegen das Rot, das im Augenblick nur eine Ahnung war.
Sie verharrte in ihrem Refugium, still und einsam. Nebenan war einer unter der Dusche. Man konnte die Tropfen fallen hören, doch sie nahm sie nicht wahr. Vielleicht war es das eigentlich Ungeheuerliche, diese Isolation, die sie von den draußen wie Laub umherraschelnden Stimmen, von den Augen im Treppenhaus und von den tastenden Händen trennte. Und doch war sie ihr letzter Wunsch, ihre größte Freiheit, ihr Gewand das sie umhüllte.
Denn sie war vollkommen nackt. Ihr größter Schutz war, dass niemand die Identität kannte. Nur so konnte der Trick funktionieren. Der darin betand, nicht zu wissen wer man war: Mensch oder lediglich gesichtsloser Betrachter. Ohne Zeugen jedoch bleibt alles auf ewig im dunkeln.
Und so wartete sie auf das Ungeheuerliche. Dunkles Haar ringelte sich um ihre Haut und schien ihre Silhouette zu zerteilen wie ein schweres Beil. Immer wenn sie sich schüttelte, schlug das Beil um sich, aber es konnte nichts ausrichten, es war ja nur Haar. Und so blieb sie im Moment noch unversehrt.
Was bedeutet Identität?
Weiße Haut? Ein schwarzes Beil? Rote Farbe auf hellem Holz? Die Frage fiel wie vom Himmel und es fiel ihr schwer, sie wahrheitsgemäß zu beantworten. Sie blickte an sich herab: weiße Oberfläche, ein Muttermal, knochige Hüften, ein dunkler Pfeil in ihre Mitte. Die Hülle kann es nicht sein, denn sie ist Werkzeug, dachte sie. Das Rot auch nicht, denn so lange niemand davon wusste, war nicht sicher, dass es existierte.
Nebenan fielen die Tropfen nun nicht mehr und was sie plötzlich schmerzhaft hörte, war die Stille, die entstanden war und in ihren Ohren dröhnte und die unbeantwortete Frage verschwimmen lies.
Die Tür ging auf und sie stand auf und begann sich selbst von oben herab zu betrachten, wie sie da lag und nicht hin sah, wie sie da lag und erstarrte. Es war nicht mehr sie, es war weiße Oberfläche.
Etwas Ungeheuerliches war passiert. Und doch blieb alles beim alten, denn niemand sah, niemand wusste, niemand erlebte. Die Identität jedoch verblasste langsam mit der Farbe. Es war rote Farbe auf hellem Holz und sorgfältig tupfte sie es vom Boden um wieder ungeschehen zu machen.
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