Hier bin ich wieder, es gibt mich noch und ich habe auch vor, diesen Forenblog weiterzuführen. =)
Es hat nur ein wenig gedauert, weil ich für ein Semester nach Liverpool gezogen bin und eine Deadline für ein Buch einzuhalten habe. Und nicht zuletzt, weil mein neuster Ausflug in die Last Generation sich einfach nicht mit ein paar popeligen Stündchen abspeisen lassen wollte...
Heute:
Final Fantasy X, fast ein Chill-Out-Rollenspiel
Weitgehend spoilerfrei, aber wer das Spiel nicht kennt, lässt besser die Hände von den entsprechend markierten Kästchen!
Final Fantasy ist ein Phänomen, dem auch ich mich nicht entziehen kann, und die Internet-Ettikette gebietet es, einen Standpunkt einzunehmen.Um die ideologische Einordnung kurz zu machen: Mein Lieblingsteil ist Nummer 9. Die Teile 7, 8 und 6 fand ich sehr gut, mit jeweils entscheidenden Mängeln, alles davor ist meiner Meinung nach überholt, alles danach habe ich (noch) nicht ernsthaft gespielt. Advent Children ist der unangefochtene Tiefpunkt der Serie. Crystal Chronicles ist ein Geheimtipp, wenn man tatsächlich mal ein paar GBAs und entsprechende Kabel zusammenkriegt. Generell mag ich die Reihe, weil sie mich fast immer sehr gut unterhalten hat und einen gewissen Ost-Rpg-Standard vorgibt. Genau das ist aber auch das Problem; man weiß eigentlich immer, was kommt, wenn man ein FF spielt, und sollte dementsprechend keine Überraschungen erwarten. So, nun aber zum Text.
Final Fantasy X hat mich sehr glücklich, aber auch zwiegespalten zurückgelassen, und das zeigt sich schon bei der Suche nach einem Untertitel für diesen Post. Gehen wir mal ein paar Möglichkeiten durch, die ich in Erwägung gezogen habe.
Untertitel 1: "Clueless in Spira" oder "Freud hätts gefreut"
Story und Charaktere
FFX erzählt die Geschichte des jungen jungen Tidus, dessen Heimatstadt von der mysteriösen Meereskreatur Sin angegriffen wird. Schon bald findet er sich in der fremden Welt Spira wieder... und alles andere wäre dann auch schon ein Spoiler. Die Story von FFX ist zwar nicht allzu komplex, dafür aber durchaus nett inszeniert. Auch hat sie ihre Momente, speziell an den kleinen Twists, die immer genau dann eingestreut werden, wenn die Geschichte droht, ihren Reiz zu verlieren. Die ersten zehn Stunden sind praktisch eine einzige Zwischensequenz mit Laufszenen, erst danach kommt es zum leidlich gewohnten Wechsel von Dungeons und Story. Lebendig wird das Ganze durch die Charaktere, die einen großen Teil der Spannung durch kaputte Familienbeziehungen und ihre traumatische, oftmals zweifelhafte Vergangenheit erzeugen. Freud hätte wahrlich seinen Spaß an diesem Spiel gehabt, und es wundert mich ernsthaft, dass er nicht mal als ehrenhafte Erwähnung in den Credits auftaucht.
Aber werfen wir einen genaueren Blick auf den Kader.
- Einmal wäre da der Hauptheld Tidus, der einen großen Teil der Geschichte erzählt. Und eben diese reflektive Perspektive ist es auch, die ihn davor bewahrt, zur völligen Karikatur eines Shonen-Manga-Helden zu werden. Lächerlich sind er und seine beeindruckende "Cluelessness" (Originalzitat verschiedener Figuren im Spiel!) über weite Strecken trotzdem, und erst mit der Zeit wird klar, dass es eben diese Charakterzüge sind, die ihn zur Hauptfigur des ganzen Schlamassels machen.
Die ersten 50 Sekunden des folgenden Videos sollten ausreichen, um zu illustrieren, was ich meine. Zumindest, wenn man es irgendwie gebacken kriegt, sich auf Tidus hochintelektuellen Gesichtsausdruck zu konzentrieren, nicht auf das Mädchen, dass sich des Taucheranzugs entledigt... =]
Danach wird das Video ein Spoiler!
Wobei ich zugeben muss, sich über die Idiotie des Haupthelden zu beschweren, ist bei Final Fantasy Kritik auf wirklich hohem Niveau. Schließlich ist die Alternative der geheimnisvolle, gebrochene, kaltschnäuzige und trotzdem irgendwie überemotionale Schönling... und da ist mir der Quotenidiot dann doch hundertmal lieber. ^^''
- Yuna ist die weibliche Hauptrolle, und sie ist so verdammt lieb, dass sie in der realen Welt eine gute Heilige abgeben würde. Naja, eigentlich ist sie ja sogar sowas wie eine Heilige, nur dass die bei uns eben keine brennenden Hunde oder nackte Frauen aus Eis beschwören. Ihre Turtelei mit Tidus ist ungemein knuffig, und generell halte ich sie für einen tollen Hauptcharakter.
- Dann kommt Auron, der hier die Rolle der personifizierten kaltschnäuzigen Coolness übernimmt. Gott sei dank ist er weder ein junger Schönling noch ein gebrochener Milchbubi - seine sich langsam entfaltende Vergangenheit macht ihn sogar zunehmend sympathisch und glaubwürdig, und seine auferzwungene Vaterrolle hat mir das ein oder andere Lächeln übers Gesicht gejagt.
- Kimahri und Lulu sind Yunas Bodyguards, und als solche auch entsprechend hardcore. Während sich ersterer damit herausreden kann, einem gehörnten Bergvolk von haarigen Badass-Lanzenkriegern anzugehören (was übrigens auch schon seinen ganzen Charakter summiert), ist die Dame, die sich in schwarze Gürtel und Tierpelze kleidet, einfach nur frustriert und wütend, was sie allerdings auch zu einem der interessantesten Mitglieder des Casts macht. Und ihr Ausschnitt, der offenbar gute Kompensationsarbeit leistet, ist dabei nicht das einzige Argument.
- Rikku ist die kleine, knuffige Quotenjapanerin, die umherspringt und niedliche Dinge sagt. Wir alle lieben oder hassen diese Art von Charakter, oder wir können uns einfach nicht entscheiden.
- Wakka wird nicht nur Tidus Blutsbruder, er ist auch nett ausgedrückt leicht bestückt, was seine Gedanken angeht, ein typischer Kumpel halt und zudem äußerst gläubig. Das Ganze gibt eine unterhaltsamere Mischung ab, als man bei seinem ersten Auftritt vermutet.
- Und hier noch ein paar...
Es fällt auf, dass sämtliche Charaktere laufende Klischees sind. Erst auf den zweiten Blick kann man ihnen einen guten Batzen Menschlichkeit und Entwicklung abgewinnen, und das ist durchaus nicht der schlechteste Ansatz, wie ich finde. Generell ist FFX unglaublich emotional, bedingt durch die großartige technische Darstellung (zu der ich später noch etwas sagen werde) der Charaktere und ihrer Beziehungen. Es liegt nicht nur eine Liebesgeschichte im Hintergrund - ich würde so weit gehen, zu behaupten, dass die Story von Zeit zu Zeit ernsthaft schnulzige Züge annimmt. Und spätestens dann ist es Ansichtssache. Mir hat dieser Aspekt des Spiels extrem gut gefallen, aber man muss sich darauf einlassen, denn die wenigsten Videospiele gehen so weit.
Untertitel 2: "Wir werden den Chocobo schon schaukeln!"
Synchronisation und Spielsystem
Tja, was soll man hier sagen? Die verschiedenen Übersetzer von FFX dachten sich wohl, um es mit ihren eigenen Worten auszudrücken, dass sie "den Chocobo schon irgendwie schaukeln werden".
x'D (Entschldigung, aber der musste sein, ich liebe diesen idiotischen Ausspruch.)
Die Beschwerden über die englische Synchro, die deutschen Untertitel und ähnliches waren gewaltig. Aber nachdem ich mir einige Meinungen und Berichte im Internet und bei Freunden angehört habe, komme ich nicht umhin, die Situation etwas relativierter zu betrachten.
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Fakten, zumindest so weit, wie ich sie verstanden habe - und ich garantiere nicht, dass das alles stimmt! FFX wurde in Amerika ernsthaft synchronisiert, mit richtigen Sprechern und einer recht freien Übersetzung - man wollte offenbar mehr eine gute Geschichte erzählen als das Original 1:1 in die englische Sprache zu stopfen. Zudem hatte man große Probleme, die lippensynchronen Zwischensequenzen gebacken zu kriegen (sagt Wiki). Ich persönlich vermute auch ganz stark, es wurden einige Gedanken darauf verwendet, das Spiel "westlicher" zu gestalten, was in Anbetracht äußerst japanischer Charaktere wie Yuna oder Rikku durchaus verständlich ist. In Deutschland wiederum entschied man sich dann wohl, nah am Original zu bleiben, verwendete aber trotzdem die englische Synchro mit den neuen deutschen Untertiteln (die man ausschalten kann, wenn ich mich recht entsinne).
Die Konsequenz: Extreme Unterschiede zwischen englischer Sprache und deutschen Untertiteln! Das fängt bei grundlegenden Begriffen der Spielwelt an (Faith ~ Asthra, Crusaders ~ Bürgerwehr) und geht hin bis zu entscheidenden Szenen die Spiel, die plötzlich zwei verschiedene Aussagen auf den Bildschirm zaubern.
Was soll man also von dem ganzen halten? Ich persönlich fand es ganz unterhaltsam, die beiden Version parallel laufen zu sehen, vor allem, wenn man weiß, dass es nicht "einfach nur eine grottige Übersetzung" ist. Trotz allem ist es eine Idee, die Untertitel auszuschalten, denn die Gesamtatmosphäre kommt dadurch zweifelsfrei besser weg, und die englische Sprache ist so deutlich, dass die Sprachkenntnisse aus der Schule meist reichen sollten. Außerdem finde ich sie persönlich sehr gelungen, die Stimmen passen wunderbar und die Sprecher sind so motiviert und emotional, wie es nur in wenigen Filmen der Fall ist. =)
Auch über diese Synchronisationsschwächen hinausgehend nimmt FFX einen interessanten Platz in der Reihe ein, weil es einige neue Wege geht - leider meist mit Anlauf in eine Sackgasse. Das Kampfsystem sticht positiv hervor, es ist optisch schneller als in den meisten Vorgängern (einige Journalisten nannten es "weniger tiefgehend"), und es fühlt sich durch das Austauschen der Charaktere, die wechselnden Positionen in einigen Kämpfen und die spontan eingeworfenen Kommentare der Figuren auch viel dynamischer an. Einige tolle Ideen wie Reduktion auf Waffe plus Rüstung plus Umbauen bleiben leider im Grundstock stecken, weil eben diese Ausrüstung oftmals speziell und schwer vergleichbar ist, und weil die Individualisierung nicht wirklich zum Ausprobieren einlädt. Auch das Sphärobrett, das ich als alter Brettspieljunkie generell großartig finde, ist selbst in der Anfängerversion schwer durchschaubar und unnötig komplex. Außerdem ist es nur zweifelhaft sinnvoll, vom vorgeschlagenen Weg abzuweichen, wenn man nicht gerade den ganzen Bonus-Content mitnimmt. Die Puzzles in den Tempeln sind zwar gut gemacht, aber immer ziemlich aus dem Kontext gerissen, zumal man sie machen muss, um weiter zu kommen - was spiele ich hier, Tetris? Das lineare Spielgefühl dagegen hat mich überhaupt nicht gestört, denn sein wir ehrlich, die Japaner haben ihr Sandboxing noch nie irgendwie richtig gebacken gekriegt. Sollen sie lieber gleich eine gute Geschichte erzählen, und das gelingt FFX ganz gut.
Untertitel 3: "Das Chillout-Rollenspiel"
Atmosphäre, Technik und Gesamteindruck
Dieser Untertitel wäre es fast geworden.
Final Fantasy X hat eine epische Atmosphäre. Zugegeben, es hatte mich schon beim Vorspann. Das großartige Lied, die melancholische Stimmung, toll, man ist sofort im Spiel.
Das Video wird dem leider nicht ganz gerecht.
Dann der hektische Prolog, und der Übergang nach Spira. Das langsame Verstehen, die Vorstellung der ersten Charaktere, und allen voran, die Welt. Wasser! <3 Ich liebe Wasser, und in diesem Spiel ist es allgegenwärtig. Verdammt, sogar der große Gegner ist ein Wassermonster! Dazu kommen dann die tollen südsee-artigen Dörfer, die Sonnenuntergänge und so weiter und so fort... FFX verwöhnt den Spieler, anders kann man es nicht sagen, mit einer sehr weichen, wunderschönen Grafik (die lediglich in den teilweise etwas langsamen Gesprächen etwas selbstgefällig wirkt) und fantastischer, eingehender Musik. Das ganze schafft eine innovative, chillige, freundliche Atmosphäre - etwas, an dem sich zuvor in dieser Reihe höchstens FFVIII versucht hat. Ich habe das Spiel in den Ferien gespielt und kann nur sagen: Es ist das perfekte Urlaubsspiel!
Fast, leider. Denn da gibt es ein Problem, namentlich die letzten ~zehn Stunden des Spiels.
Ohne zuviel zu verraten: Irgendwie schaffen es die Programmierer, nicht nur große Teile der Stimmung zu kippen, die sie in den letzten 40 Stunden aufgebaut haben, sie zerballern auch einen guten Anteil netter Ideen und wirklich alternativer Ansätze. Nicht nur, weil man krampfhaft Genre-Konventionen erfüllt, sondern speziell die Final-Fantasy-Konventionen fallen negativ auf (mehr dazu im Spoiler). Und diese Zeit zieht sich, wie ein Kaugummi, das seit Jahrzehnten unter einer Bank geklebt hat. Welcher Depp hat eigentlich mal behauptet, ein Rollenspiel müsste so lang wie möglich sein? Während das letzte Kapitel der Geschichte anfangs nur etwas ernüchtern ist, strapaziert es die Geduld des Spielers immer weiter, zumal irgendwann dann auch alle großen Enthüllungen durch sind und man förmlich nur noch auf das Ende wartet. Ok, so schlimm ist es natürlich nicht, fairerweise. Ich bediene mich hier nur etwas vom Pathos, um meiner Enttäuschung Luft zu machen. Glücklicherweise übersteht der gute Gesamteindruck den Angriff, durch die Unterstützung eines großartig inszenierten Finales. Der bittersüße Beigeschmack bleibt trotzalledem.
Wenn ich ein Fazit ziehen müsste...
...ist Final Fantasy X ein großartiges Spiel, das seinem Namen gerecht wird und einen Platz in den Annalen der Videospielhits verdient hat, wirklich.
Aber es strauchelt auch an den Nemesis der japanischen Rollenspiele, namentlich krampfhafter FF-Tradition, übertrieben gestreckter Spielzeit und einigen kleineren Problemen. Sehr viele Spieler hatten wohl auch Probleme mit den Charakteren (speziell Tidus), aber dem Eindruck kann ich mich nicht anschließen - ist wohl Ansichtssache, und man darf das Spiel einfach nicht allzu ernst nehmen. Ich hatte viel Spaß an der tollen Atmosphäre, dem funktionierenden System, der emotionalen Story und gerade auch an den Figuren! =D
Einige Tipps
- Das Spiel ist gemacht, um mit dem Lösungsbuch gespielt zu werden - fast schon peinlich offensichtlich, so arschig wie viele Truhen und ähnliches versteckt sind. Glücklicherweise ist das gute Stück auch sehr brauchbar (obwohl es meine Holzhammer-Humor-Überschriften mit Ergüssen wie "Sin & Sinnlichkeit" noch problemlos toppt). Und weil die Rätsel tendenziell eher nervig als spannend sind, muss man sich dabei auch nicht schlecht fühlen. ^^''
- Ich bin kein Freund von Bonus-Content und ewigem Leveln. Aber speziell hier rate ich davon ab, denn der Fokus liegt auf der Geschichte, auf den Figuren, auf der Atmosphäre und darauf, wie all das mit dem Spielsystem verbunden ist. Man muss keine 99 Monster von irgendwas fangen, um irgendwas zu kriegen. Das Spiel macht auch so Spaß, und für Open End sind Diablo oder WoW einfach besser.
Soviel für heute (verdammt, es ist ein ziemlich nüchternes Review geworden >_<), ab jetzt wirds wohl wieder öfter einen kleinen Text von mir geben.
Kommentare, Meinungen und Kritik sind wie immer gern gesehen! =)