Ergebnis 1 bis 9 von 9

Thema: Sich selbst auflösen

  1. #1

    Sich selbst auflösen

    Wieder eine neue Kurzgeschichte. Ich fürchte es ist wieder zu kryptisch und ich fürchte ich sollte eigentlich erst mal noch die Nacht drüber schlafen und mir meine Ergüsse dann nochmal durchlesen bevor ich sie poste. Aber vielleicht morgen dann auch schon das Haltbarkeitsdatum für seltsame Kurzgeschichten überschritten und dann landets wieder im Papierkorb und dafür war's mir dann doch zu schade. Achja, Andrew Wyeth hat mich inspiriert.
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    Sich selbst auflösen


    Etwas Ungeheuerliches würde heute passieren. Das wusste sie und ebenso überdeutlich war ihr bewusst dass es so sein musste. Denn rote Farbe auf hellem Holz konnte nicht lügen und auch wenn sie sich mit unglaublicher Anstrengung bemühte, so konnte sie doch nur verlieren. Verlieren gegen das Rot, das im Augenblick nur eine Ahnung war.
    Sie verharrte in ihrem Refugium, still und einsam. Nebenan war einer unter der Dusche. Man konnte die Tropfen fallen hören, doch sie nahm sie nicht wahr. Vielleicht war es das eigentlich Ungeheuerliche, diese Isolation, die sie von den draußen wie Laub umherraschelnden Stimmen, von den Augen im Treppenhaus und von den tastenden Händen trennte. Und doch war sie ihr letzter Wunsch, ihre größte Freiheit, ihr Gewand das sie umhüllte.
    Denn sie war vollkommen nackt. Ihr größter Schutz war, dass niemand die Identität kannte. Nur so konnte der Trick funktionieren. Der darin betand, nicht zu wissen wer man war: Mensch oder lediglich gesichtsloser Betrachter. Ohne Zeugen jedoch bleibt alles auf ewig im dunkeln.

    Und so wartete sie auf das Ungeheuerliche. Dunkles Haar ringelte sich um ihre Haut und schien ihre Silhouette zu zerteilen wie ein schweres Beil. Immer wenn sie sich schüttelte, schlug das Beil um sich, aber es konnte nichts ausrichten, es war ja nur Haar. Und so blieb sie im Moment noch unversehrt.
    Was bedeutet Identität?
    Weiße Haut? Ein schwarzes Beil? Rote Farbe auf hellem Holz? Die Frage fiel wie vom Himmel und es fiel ihr schwer, sie wahrheitsgemäß zu beantworten. Sie blickte an sich herab: weiße Oberfläche, ein Muttermal, knochige Hüften, ein dunkler Pfeil in ihre Mitte. Die Hülle kann es nicht sein, denn sie ist Werkzeug, dachte sie. Das Rot auch nicht, denn so lange niemand davon wusste, war nicht sicher, dass es existierte.

    Nebenan fielen die Tropfen nun nicht mehr und was sie plötzlich schmerzhaft hörte, war die Stille, die entstanden war und in ihren Ohren dröhnte und die unbeantwortete Frage verschwimmen lies.
    Die Tür ging auf und sie stand auf und begann sich selbst von oben herab zu betrachten, wie sie da lag und nicht hin sah, wie sie da lag und erstarrte. Es war nicht mehr sie, es war weiße Oberfläche.

    Etwas Ungeheuerliches war passiert. Und doch blieb alles beim alten, denn niemand sah, niemand wusste, niemand erlebte. Die Identität jedoch verblasste langsam mit der Farbe. Es war rote Farbe auf hellem Holz und sorgfältig tupfte sie es vom Boden um wieder ungeschehen zu machen.

  2. #2
    Nun... Ich muss sagen, ich verstehe die Geschichte nicht wirklich... ich habe kaum eine Ahnung was du damit sagen willst/was es bedeuten soll... Das zur negativen Seite...
    Andererseits finde ich die Geschichte ziemlich gut geschrieben, mir gefällt der Stil ziemlich... Alles sehr metaphorisch Normalerweise mag ich solche vollkommen kryptischen/abstrakten Kurzgeschichten nicht, in dem Fall stört es aber nicht so sehr, irgendwie habe ich sie trotzdem gerne gelesen...

    Es wäre für mich jetzt interessant zu wissen, was du damit aussagen wolltest; andererseits verrät man so was als Autor nicht immer gerne

    Ach ja, und:
    Zitat Zitat
    [...] Frage verschwimmen ließ.
    und manchmal gehört "ungeheuerliches" kleingeschrieben.^^

  3. #3
    Zitat Zitat von Aenarion Beitrag anzeigen
    und manchmal gehört "ungeheuerliches" kleingeschrieben.^^
    Jau, aber hier ist das nirgends der Fall.


    Erstmal einige grundlegende Anmerkungen zu Stil und Ausdruck:
    Zitat Zitat von Elam Beitrag anzeigen
    Nebenan war einer unter der Dusche. Man konnte die Tropfen fallen hören, [...].
    Hörst du wirklich Tropfen fallen, wenn jemand unter der Dusche steht? Also ich hör da nur Tosen. Du musst aufpassen, bei Schilderungen bestimmte Sinneseindrücke nicht zu vermischen oder logisch zu verfälschen. Natürlich fallen da Tropfen (beziehungsweise ... ich hab ehrlich gesagt noch nie eine Dusche getroffen, aus der das Wasser herausgetropft wäre - meistens ist da Druck dahinter ), aber das wissen deine Ohren nicht, das ist viel eher die Karikatur, die dein Kopf malt. Wenn du so markante Ausdrücke wie "hören" verwendest, musst du auch wirklich beim Hören bleiben, ansonsten wird es komisch. Für deinen Leser klingt das so, als wärst du in der Lage, jeden einzelnen Tropfen einzeln aufprasseln zu hören, und das funktioniert glaube ich nur unter Einfluss von bewusstseinserweiternden Substanzen.

    Zitat Zitat
    Vielleicht war es das eigentlich Ungeheuerliche, diese Isolation, die sie von den draußen wie Laub umherraschelnden Stimmen, von den Augen im Treppenhaus und von den tastenden Händen trennte.
    "Stimme, Auge, tastende Hand" - Ist das für dich wirklich eine logische Aufzählung?
    Was hieltest du von "Stimme, Blick, tastende Hand"? Natürlich merkt man, dass du mit den Augen irgendwie die Blicke implizierst, aber gleichzeitig wirkt es ebenso komisch, als würdest du von "wie Laub umherraschelnden Lippen" schreiben - je länger man darüber nachdenkt, umso schneller kommt man auf den Gedanken, dass da irgendwo Augäpfel im Treppenhaus rumliegen.
    Du musst auch bei Sinnesäußerungen darauf achten, dass du die dem jeweiligen Ausdruck inhärente Logik beibehältst. Schau einfach, welche der Sinnesäußerung du selbst wahrzunehmen in der Lage wärst, bzw. wie du das dann ausdrücken würdest: Du kannst Stimmen hören und tastende Hände spüren - aber fallen dir wirklich die Augen auf, oder sind es die Blicke, die man dir zuwirft?

    Zitat Zitat
    Ihr größter Schutz war, dass niemand die Identität kannte.
    Auch hier ist das wieder so eine Sache mit der Logik. Es klingt einfach seltsam und ein bisschen laienhaft, wenn du von "die Identität kennen" schreibst. Dann nutz doch einen etwas obsoleteren, aber passenderen Ausdruck, wie beispielsweise: "[...], dass sich niemand der Identität gewahr war."
    So wie ich das sehe, deuten nicht zuletzt der Schluss und das allgemeine "die Identität" (nicht etwa "ihre Identität") darauf hin, dass 'sie' und die Identität hier nicht eins sind. Warum also nicht noch etwas klarer werden und so etwas sagen wie: "Ihr größter Schutz war, dass niemand die Identität wahr nahm."
    'kennen' ist hier aber in jedem Fall ein ziemlich komischer Ausdruck.

    Zitat Zitat
    Die Tür ging auf und sie stand auf [...]
    'erhob sich'? Wortwiederholungen können passieren, sind aber zu vermeiden.



    Ansonsten finde ich die Idee recht hübsch, wobei ich zugeben muss, dass ich das Setting ein wenig zufällig finde - in meinem Kopf geschieht das alles in irgendeinem leeren Zimmer; das ist kein wünschenswerter Ort für etwas Ungeheuerliches. Mir gefällt auch der etwas inkonsequente Stil nicht: Du bringst sehr schöne Allegorien an und verstehst es schon irgendwie, bestimmte Sachverhalte poetisch zu abstrahieren, aber wenn etwas Ungeheuerliches passiert, erwarte ich mir - zumindest bei dem hier gesetzten Anspruch - auch, dass mir das stilistisch suggeriert wird. Gerade in solchen Identitätswirrwarr-Sachen müsstest du für mein Empfinden viel mehr darauf setzen, deinem Leser eine Gefühlswelt zu vermitteln, denn meine Vermutung ist, dass es dir um mehr geht, als um die weiße Hülle und das Rot. Die tatsächliche Sinneswelt, dort wo du wirklich mit synästhetischen Mitteln arbeiten könntest, bleibt weitestgehend stumm.
    Das liegt vor allem daran, dass du nur schilderst, wenn du es für nötig hältst. Das kann in manchen Fällen ganz praktisch sein, hier finde ich es aber kontraproduktiv, weil du von Anfang an den Eindruck vermittelst (und gerade in Fragen der Identität rückt das nochmal in den Vordergrund), dass das Umfeld und die Außenwelt durchaus zählen und sehr viel vom Thema der Erzählung ausmachen.


    Ansonsten bleibt die Symbolik recht hermetisch, aber das gefällt mir eigentlich an der Sache, es erhebt nicht den Anspruch, irgendeine Message zu vertellen, es geht einfach um das reine "Bin ich?". Letzten Endes lässt du es auch nicht an Verständlichkeit mangeln, für mich persönlich ist
    Zitat Zitat
    [...] und begann sich selbst von oben herab zu betrachten, wie sie da lag und nicht hin sah, wie sie da lag und erstarrte.
    einer der aussagefähigsten und - im Bezug auf den gesamten Text - schicksalhaftesten Sätze.


    Wie gesagt also finde ich die Thematik und deine damit verbundenen Gedankengänge sehr hübsch und ausgereift, es mangelt meiner Meinung nach nur an der Umsetzung. Worauf du übrigens auch noch achten solltest: Kommasetzung. Man muss manche Sätze zweimal lesen, um zu wissen, was genau sie aussagen wollen. Es wirkt auch ein bisschen schöner, wenn die Modalsätze abgetrennt und nicht so an den Hauptsatz rangeklatscht sind.

  4. #4
    Danke, Aenarion für die ehrliche Meinung. In der Geschichte sollte es darum gehen, was mit einem Menschen passiert, der etwas erlebt, was eigentlich niemand erleben sollte. Der Kernpunkt ist für mich eigentlich der Zwiespalt zwischen einem nicht-akzeptieren und verdrängen wollen um sein Inneres zu schützen, was aber natürlich jegliche Hilfe von außen relativ unmöglich macht, und gleichzeitig einem Identitätsverlust der aus diesem Verleugnen und Spalten des eigenen Ichs resultiert. Versteht den Satz jetzt jemand?
    Ich muss mir mal merken dass ich mehr Hinweise für den Leser streuen muss damit es nicht wieder zu kryptisch wird. Ich halte fürs nächste Mal die Brotkrumen bereit.


    Danke auch dir, Mordechaj.
    Ich mag dieses Zerpflücken von Geschichten nicht, das fühlt sich an als würde jemand in meiner Gedankenwelt rumgruschen und überall einen Sticker drankleben.
    Und wenn meine Formulierungen manchmal ins komische abdriften nehm ich das mal so zur Kenntnis, weiß aber nicht, was ich dagegen tun soll (außer einem Deutschkurs, aber dazu fehlt mir Zeit, Geld und Lust). Für mich wirkt es, genau wie der Hefeteig beim letzten mal, nicht komisch oder lustig, und ich kann mir jetzt zwar merken „das nächste mal schreibst du „Blicke“ statt „Augen“, aber da ich meine Geschichten nicht mit einem Sätzebaukasten schreibe werd ich so schnell wohl nicht mehr dazu kommen das zu gebrauchen. Sorry. Man kriegt mich glaub ich auch nicht mehr erzogen, dafür bin ich schon zu alt und stur.
    Übrigends findet es für mich auch in irgendeinem leeren Zimmer statt. Ich denke, meine Protagonistin hat sich das Setting für das Ungeheuerliche auch nicht bewusst ausgesucht.
    Aber ich habe zur Kenntnis genommen was nicht angekommen ist. Ich werd wohl in Zukunft auch ein bisschen sorgfältiger auswählen was ich hier poste und was nicht.

  5. #5
    Was das Stilistische angeht, sind M.s Ausführungen generell angebracht, wobei ich "[...], dass sich niemand der Identität gewahr war." noch peinlicher finde als die ursprüngliche Variante. Davon abgesehen sehr nett geschrieben!
    Zitat Zitat
    Und wenn meine Formulierungen manchmal ins komische abdriften nehm ich das mal so zur Kenntnis, weiß aber nicht, was ich dagegen tun soll (außer einem Deutschkurs, aber dazu fehlt mir Zeit, Geld und Lust).
    Ach, einfach viel lesen, schreiben und auf Kritik (hier und anderswo) achten, dann wird das automatisch besser.

    Ich mag die Idee der Geschichte sehr (das ungeheuerliche kommt rüber), und ich mag auch, dass man sich den Raum so leer vorstellt, passt doch gut ins Konzept der Auflösung.
    Beim zweiten Lesen weiß ich nicht, ob ihre Gedanken zu weit ausgeführt sind (das führt btw auch zu diesem "kryptischen" Eindruck, obwohl die Geschichte jetzt gar nicht mal so kryptisch ist), mit ein bisschen kürzeren oder sogar direkteren Gedanken könnte man eventuell mehr Wirkung erzielen, ohne dass das Ganze gleich kryptisch wirkt. Also ein bisschen, was du auch schon mit Brotkrumen meintest, nur vielleicht nicht durch "mehr", sondern eventuell auch durch "weniger". Das ist aber nur eine Idee, und fatal wars jetzt auch nicht beim Lesen.

    Also !

  6. #6
    Eine Frage der Interpretation wegen, @ Elam:

  7. #7
    Zitat Zitat von Jerome Denis Andre Beitrag anzeigen
    Genau das war auch meine Idee.... Was anderes kann ich mir darunter beim besten Willen nicht vorstellen.

  8. #8

  9. #9
    Ich dachte eigentlich, sie wäre eine Prostituierte nach dem ersten Mal.

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